Wenn eines in der Pandemie sicher ist, dann, dass sich vieles innerhalb von kurzer Zeit verändern kann. Sicherheiten und Gewohnheiten können am nächsten Tag nicht mehr so ablaufen, wie das zuvor der Fall war.

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So verhält es sich auch mit der Impfpflicht. Noch vor einem Jahr schien es genereller Konsens zu sein, dass es keine Impfpflicht für Berufe im Gesundheitswesen – geschweige denn eine allgemeine – geben würde. Das hat sich nun geändert, und die neue Bundesregierung will nun auf den Weg bringen, das Beschäftigte im Gesundheitswesen sich gegen das Coronavirus impfen lassen müssen.

Besondere Verantwortung

Das habe vor allem damit zu tun, „dass dem Personal in den Gesundheitsberufen und Berufen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen, eine besondere Verantwortung zukommt, da es intensiven und engen Kontakt zu Personengruppen mit einem hohen Risiko für einen schweren, schwersten oder gar tödlichen Covid-19 Krankheitsverlauf hat.“ So heißt es im entsprechenden Gesetzesentwurf.

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„Dann ist das so“

Aber was bedeutet das etwa für die Alten- und Pflegeheime auf der Baar. Dort wurde auch davon ausgegangen, dass viele Kündigungen folgen, sollte es eine Impfpflicht geben. Und gerade in der Pflege herrscht ohnehin schon Personalmangel: „Wenn es zu Kündigungen kommt – dann ist das so“, sagt Markus Komp, Heimleiter des Fürstlich Fürstenbergischen Altenpflegeheimes in Hüfingen.

Markus Komp, Heimleiter Fürstlich Fürstenbergisches Altenpflegeheim in Hüfingen.
Markus Komp, Heimleiter Fürstlich Fürstenbergisches Altenpflegeheim in Hüfingen. | Bild: Roland Sigwart

Schutz der Bewohner an erster Stelle

Keiner habe damit gerechnet, dass sich die vierte Corona-Welle so auftürmen würde, „zudem sind wir schon so lange in einer sich wiederholenden Situation“, so Komp weiter. Die Entscheidung zur Impfpflicht, es sei eine schwierige: „Man muss das verstehen. Es geht hier in erster Linie um den Schutz der Bewohner. Gerade im Bereich der Pflegeheime ist die Gefahr hoch. Und mit Impfdurchbrüchen hat man auch zu tun.“ Bei Betroffenen gebe es dann aber einen deutlichen milderen Verlauf – und kaum Symptome. Eine Pflicht beende die Dauerbelastung, der das Gesundheitswesen durch das Coronavirus ausgesetzt sei.

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„Impfen rettet Leben“

„Schon vor der Pandemie gab es einen Mangel in den Pflegeberufen. Es geht jetzt darum, diese Menschen zu entlasten. Auch Solidarität ist hier ein Thema, nämlich mit all jenen, die unter den Einschränkungen besonders zu leiden haben.“ Das zentrale Argument für die Impfung liege für Komp auf der Hand: „Impfen rettet Leben!“ Das habe man im Heim gemerkt: „Die Impfung schützt enorm und wir haben weniger Todesfälle.“

Diskussion vom Tisch

Was sich Komp gewünscht hat, ist eine klare Entscheidung von der Politik. Das sei jetzt der Fall: „Damit ist auch die Diskussion einer Impfpflicht durch die Hintertür vom Tisch.“ Dass nicht jeder mit dieser Entscheidung einverstanden sei, sei normal: „100 Prozent Zustimmung gibt es nie. Aber eine Demokratie muss das aushalten können.“

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Weihnachten kann gefeiert werden

Komp freut sich, dass es dieses Jahr zumindest möglich sein wird, Advent und Weihnachten zu feiern. Wenn auch nicht so wie früher – aber immerhin gehe es überhaupt: „Ich bin froh, dass wir nicht eine Wiederholung dessen haben, womit wir es im vergangenen Jahr zu tun hatten“, so Komp. Damals waren die Bewohner isoliert und mussten die Zeit alleine in ihren Zimmern verbringen.

Angst vor dem 16. März

Markus Bonserio leitet das Altenheim St. Elisabeth in Donaueschingen. Er blickt mit Sorge auf den 16. März 2022. „Bisher sage ich bei den Stellen-Ausschreibungen auf die Frage, ob man geimpft sein muss: ‚Nein‘. Ab dem 16. ist das anders.“ Ab dann greift die Impfplicht für das Personal in den Heimen: „Ich habe Angst, dass dann Leute aus der Pflege gehen“, sagt er. Er wünsche sich, dass keiner kündigt. „Wir haben hier eine Verantwortung für 200 Menschen und sind froh über jeden Mitarbeiter, den wir haben und der bei uns bleibt.“ Zur Impfpflicht selbst will Bonserio sich nicht äußern.

Markus Bonserio, Heimleiter des Altenheims St. Michael.
Markus Bonserio, Heimleiter des Altenheims St. Michael. | Bild: Jarausch, Gerald

Solidarität

Was Bonserio allerdings nicht in Ordnung findet: Dass die Impfpflicht nur für das Gesundheitswesen gilt: „Alle oder keiner. Hier würde ich mir mehr Solidarität wünschen.“ Eine Kassen-Mitarbeiterin im Supermarkt oder ein Busfahrer haben sicher mehr Kontakt zu verschiedenen Menschen, als das im Altenheim der Fall sei.

Die juristischen Gutachter werten eine allgemeine Impfpflicht nicht nur als zulässig – sie sei in der aktuellen Situation sogar geboten. Zwar seien mit ihr Eingriffe in Freiheitsgrundrechte verbunden – vor allem mit Blick auf das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Religionsfreiheit und das Elternrecht. „Diese Eingriffe lassen sich jedoch verfassungsrechtlich rechtfertigen“, sagen die Gutachter. Und zwar ebenfalls mit dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit: Dieses beinhalte eine „Schutzpflicht“ des Staates für seine Bürger.

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Zudem sei es nicht anzunehmen, dass Menschen, die sich bisher trotz eines einfachen Zugangs zu kostenlosen Impfangeboten, trotz aller Informationskampagnen und 3G- beziehungsweise 2G-Regelungen nicht haben impfen lassen, dies mit weiteren Appellen, Anreizen oder noch mehr Aufklärung doch noch tun würden.

Leute werden kündigen

„Ich glaube, dass es so kommen wird. Dass Leute kündigen werden“, sagt Bianca Braunersreuther. Sie ist Leiterin des AWO-Seniorenzentrums in Bräunlingen. Bei dem ohnehin vorherrschenden Fachkräftemangel sei das eine schwierige Situation. „Betroffen ist ja nicht nur die Pflege, sondern auch die Verwaltung oder die Hauswirtschaft.“

Bianca Braunersreuther ist Leiterin des AWO-Seniorenzentrums in Bräunlingen.
Bianca Braunersreuther ist Leiterin des AWO-Seniorenzentrums in Bräunlingen. | Bild: Lutz Rademacher

Wenig Verständnis

Vielleicht lasse sich der ein- oder andere durch die Pflicht doch impfen, um diese Sache für sich zu erledigen, „es wird aber auch manchen geben, der ‚Nein‘ sagen wird.“ Man sei hier eine kleine Einrichtung, dennoch habe es schon Stimmen gegeben, die sagen: „Ich mache das dann nicht mehr.“ Bei vielen herrsche wenig Verständnis: „Da ja alle Bewohner durchgeimpft sind – und wir uns ohnehin täglich testen müssen.“

Braunersreuther fürchtet, dann nicht mehr alles abdecken zu können, sollte Personal gehen. „Die Anfragen nach Plätzen für Bewohner steigen. Wenn wir aber das Personal nicht mehr haben, dann werden Betten leer bleiben.“ Sie ist gespannt, was passieren wird.