Rettungsgrabung nennt sich eine Vorgehensweise von Archäologen, wenn die Zeit sehr drängt und man schnell Funde sichern muss. Das läuft oft zunächst außerhalb des öffentlichen Interesses etwa bei Bauvorhaben. Und kann dann mit spektakulären Ergebnissen aufwarten, so auch in Hüfingen im Vorfeld der Bebauung des Gebietes Ziegeleschle II.
Aufarbeitung der Funde dauert zwei Jahre
Mehr 7000 Fundstücke sind während der 17 Monate Grabungszeit vom Grabungsteam der Firma Archaeotask gesichert worden. Grabungsleiter Simon Rottler weist darauf hin, „dass die Bearbeitung und Bewertung der Funde zwei Jahre Arbeit erfordern wird, wir werden jedoch schon im Juli dieses Jahres einen ersten Vorbericht veröffentlichen“.
Gemeinsam mit Bertram Jenisch, Referent beim Landesamt für Denkmalpflege, berichtete Rottler auf Einladung der Kolpingsfamilie in der Stadthalle über den Grabungsverlauf und präsentierte erste Ergebnisse.
Die gesamte Grabungsfläche beträgt zirka 1,7 Hektar, die Siedlungsstrukturen finden sich auf etwa 1,5 Hektar davon. Die jungsteinzeitlichen Funde lagen in einer Tiefe von circa 60 Zentimetern. Aber von den wenigen Resten, die aus der Zeit stammen, lässt sich keine Siedlungsgröße herleiten, lediglich die Tatsache, dass hier ein steinzeitliches Dorf existiert hat.
Der älteste Fund der Ausgrabung stammt jedoch nicht aus einem Siedlungskontext. Ein einzelnes Körpergrab kann durch seine Beigaben in die ausgehende Jungsteinzeit datiert werden. Diese Zeit wird als Endneolithikum bezeichnet und reicht ungefähr von 2800 bis 2200 vor Christus.

Messerklinge aus Feuerstein
Neben Skelettresten enthielt das Grab eine gut ausgearbeitete Steinaxt sowie eine Messerklinge aus Silex. Silex wird auch als Feuerstein oder Flint bezeichnet. Auch Tonscherben zeigen Spuren der sogenannten Schnurkeramik-Zeit. Zum Vergleich: In dieser Epoche wurden in Ägypten die Pyramiden von Gizeh errichtet.
Zwischen der neolithischen (jungsteinzeitlichen) Phase (etwa 3000 bis 2200 vor Christus) und der hochmittelalterlichen Phase (1000 bis 1250 nach Christus) finden sich einzelne Hinweise auf eine geringfügige Nutzung oder zumindest Begehung des Areals in der späten Bronzezeit (Urnenfelderzeit, 1300 bis 800 v.Chr.) sowie in der römischen Kaiserzeit und der Spätantike.

Dabei handelt es sich aber nicht um Siedlungen oder Dörfer. Die liegen an anderen Stellen in Hüfingen. Aus den anderen Zeiten – etwa frühe und mittlere Bronzezeit, Eisenzeit und frühes Mittelalter – fanden sich in der Grabung gar keine Hinweise, dass jemand auf dem Ziegeleschle unterwegs gewesen war.
Im Ziegeleschle sind auch noch keine frühmittelalterlichen Reste zu finden, wie man sie aus anderen Hüfinger Stadtgebieten kennt. Die hochmittelalterliche Siedlung (1000 bis 1250), also die Hauptphase der Siedlung, lag ursprünglich wohl ein wenig höher als die neolithische.
Das hochmittelalterliche Dorf entsteht aber auch nicht direkt als kompakte Siedlung. Es wächst und verändert sich in diesen mindestens 200 Jahren immer wieder, indem neue Gebäude, Zäune und vielleicht auch die 14 Brunnen gebaut und alte abgerissen werden. Und das alles hinterlässt die vorgefundenen Spuren.
Anhand dieser Spuren geht man von 14 Wohneinheiten oder Langhäuser aus, die jeweils zwölf bis 14 Meter lang sind. Jede Wohneinheit hat einen eigenen Brunnen, befestigte Steinbrunnen oder auch Erdbrunnen. Und in der Mitte vermutet man eine Art Dorfplatz, mit einem anliegenden kleinen Teich.
Durchgehende Siedlungsgeschichte
Für Bertram Jenisch ist das Besondere dieser Funde, dass man die Siedlungsdynamik gut nachvollziehen könne. Diese reiche von der Entstehung des Dorfes bis zur kompakten Siedlung und dann zur raschen Aufgabe des Ortes um 1250 bis 1300. Denn damals entstand auf der anderen Seite der Breg das Städtchen Hüfingen, das den Menschen neue Möglichkeiten eröffnete.
Ein nächstes Plangebiet für Wohnbau ist am Lorettenacker, bei dem, nach Auskunft von Bürgermeister Patrick Haas, noch keine Entscheidung gefallen sei und der Gemeinderat das Vorgehen entscheiden müsse. Rechtlich habe der Verursacher die Kosten für eine Rettungsgrabung zu tragen.

Die Kosten für die Grabung und Auswertung im Ziegeleschle betragen 1,04 Millionen Euro. Und als Verursacher der Rettungsgrabung gilt rechtlich die Stadt Hüfingen durch die Entwicklung von Gewerbeflächen oder Baugebieten.
Um die unwiederbringliche Zerstörung archäologischer Spuren vor ihrer etwaigen Auswertung zu verhindern, sei die Stadt rechtlich dazu verpflichtet, die Kosten für die Ausgrabung zu tragen. Alternativ müsste man den Plan zur Erschließung eines Bau- oder Gewerbegebiets sonst aufgeben. Man versuche einen Mittelweg zu finden, indem man einen Teil der Kosten auf die Grundstückspreise umlege und einen Teil bei der Stadt belasse.
Unabhängig von der Kostenseite bleibt die Freude über die Ausgrabungsergebnisse groß. „Wir freuen uns darauf, in ein bis zwei Jahren besondere Ausstellungstücke im Heimatmuseum präsentieren zu können“, bedankte sich der Vorsitzende des Förderkreises Stadtmuseum, Joachim Seidel, am Ende des Vortragsabends zum Werkstattbericht der Rettungsgrabung.