Richter Karlheinz Münzer will es genau wissen. Im Prozess um eine mutmaßliche Vergewaltigung in Tuttlingen wurden die beiden Angeklagten erneut intensiv befragt. Die junge Frau, die eigentlich im Landgericht Rottweil aussagen sollte, wurde am zweiten Verhandlungstag wieder nach Hause geschickt.
Dann die überraschende Wende: Der Anwalt Bernhard Mußgnug beantragte den Ausschluss der Öffentlichkeit. Er vertritt die Frau, die das Opfer der Vergewaltigung sein soll. Und nicht nur das: Seine Mandantin hatte zunächst zugesagt, im Beisein der beiden Angeklagten aussagen zu wollen. Das habe sie dann zurückziehen müssen.
Die Sicht der Frau bleibt geheim
Seine Mandantin habe sich am Morgen mehrfach übergeben müssen, auch im Gericht, sagte Mußgnug. Darum beantragte er, die beiden Angeklagten ebenfalls aus dem Schwurgerichtssaal auszuschließen. Was dort dann zur Sprache kam, wie die junge Frau die Tatnacht schilderte, wird die Öffentlichkeit also nicht erfahren, denn auch die Plädoyers werden nicht öffentlich gehalten werden.
Der Vorsitzende Richter Karlheinz Münzer begründete dies: Bei der intensiven Befragung der jungen Frau gehe es um ihren höchstpersönlichen Lebensbereich, um intime Details, und dieser stehe unter besonderem Schutz.
So schildern drei Polizistinnen den Abend
An Tag drei kamen mehrere Zeugen zu Wort, zunächst drei Polizistinnen. Eine schilderte das Verhör des jüngeren der beiden Männer. Ihm sei während des Verhörs wohl klar geworden, was er sich in der Nacht zuvor verbaut habe, so die Beamtin. Immerhin hatte der 24-Jährige eine Ausbildung gemacht, durchgehend gearbeitet und sich bis dahin nichts zuschulden komme lassen. Kurz vor der Tat im September 23 hatte er sich einen Mercedes gekauft, mit dem er, sein Mitangeklagter und die junge Frau in der Nacht unterwegs waren. Nun sitzt er in Untersuchungshaft.
Eine weitere Polizistin schilderte, wie sie mit Kollegen in die Tuttlinger Wohnung kam, in der der 27-jährige Mitangeklagte zur Tatzeit gemeldet war. Dieser habe auf der Toilette gesessen und sei im Anschluss aufbrausend gewesen, sodass ihn in Handschellen angelegt wurden. Der Angeklagte stellte hier klar, dass es für ihn mit Schamgefühl behaftet sei, wenn eine Frau ihn nackt sehen würde.
Die dritte Beamtin beschrieb die Spurensicherung im Mercedes. Ob die Kindersicherung eingeschaltet gewesen war, sei nicht überprüft worden.
Unangenehme Begegnung
Schließlich schilderte ein 25-jähriger Zeuge, wie ihn die junge Frau im Tuttlinger Stadtpark am Nachmittag vor der Tat angesprochen habe. Sie habe angetrunken gewirkt und unbedingt seine Nummer haben wollen. Deshalb habe sie sein Handy genommen, dort ihre Nummer eingespeichert und schließlich ihr eigenes Handy angerufen, um seine Nummer zu haben.
Ihre Freundin sei dabei die ganze Zeit auf der Bank daneben gesessen, neben ihr eine Flasche Wodka. „Mit ihr stimmte etwas nicht“, so der 25-Jährige. Sie habe geschwankt, und ihm sei die Begegnung unangenehm gewesen.
Richter ermahnt den Zeugen
Ein weiterer Zeuge, mit den beiden Angeklagten befreundet, musste vom Vorsitzenden ermahnt werden. Er wollte sich im Gerichtssaal an vieles nicht mehr erinnern, was er bei der Polizei noch ausgesagt hatte. Dabei ging es um die Begegnung mit der jungen Frau im Bahnhof. Sie habe geweint, aber sich von ihm nicht helfen lassen. Schließlich habe sich der 27-jährige Angeklagte um sie gekümmert, ihr ein Glas Wasser besorgt und sei dann mit ihr davon gegangen. Er selbst habe Billard gespielt.
An ein Telefonat mit dem 24-jährigen Angeklagten am Tag darauf wollte er sich zunächst nicht mehr erinnern. Nach einer Pause und der Drohung des Vorgesetzten, dies als uneidliche Falschaussage ins Protokoll zu nehmen, erinnerte sich der Mann dann doch daran: Der 24-Jährige habe ihm von dem völlig betrunkenen Mädchen erzählte, das er am Abend zuvor im Auto mitgenommen hatte.
Welche Hinweise geben die Handydaten?
Zur Sprache kam auch ein Ermittlungsauftrag des Gerichts: Offenbar wurde das Handy der jungen Frau nach der Tat nicht ausgewertet, das soll nun nachgeholt werden. Verteidiger Wolfgang Burkhardt beantragte zudem, auch die Geodaten auszulesen, um überprüfen zu können, wo sich die junge Frau in der Tatnacht aufgehalten hatte. Ob das allerdings möglich sein wird, ist fraglich, denn noch ist nicht klar, ob dieses Handy überhaupt noch existiert.
Der Prozess wird am 11. April um 14.30 Uhr fortgesetzt. Das Urteil wird voraussichtlich am 23. April fallen.