Rottweil – Eine mehrere hundert Meter lange Fußgänger-Hängebrücke soll die historische Innenstadt Rottweils mit dem neuen Aufzugtestturm auf dem Berner Feld verbinden. Wenn dieses Projekt Realität werden sollte, dann hätte Rottweil zwei Superlative: die höchste Aussichtsplattform Deutschlands und die angeblich längste Hängebrücke ihrer Art in der Welt. Am 19. März können die Rottweiler im Rahmen eines Bürgerentscheids darüber abstimmen. Inzwischen bringen sich Befürworter und Kritiker in Position. Die Unterstützer erhoffen sich die Erschließung neuen touristischen Potenzials. Doch es gibt auch Widerstand gegen das Sechs-Millionen-Euro-Projekt eines privaten Investors.
Zum Beispiel könnte der Eisvogel dem Projekt in den Weg fliegen, denn die geschützte Vogelart lebt unten im Neckartal, das die Hängebrücke namens Neckar-Line von der historischen Innenstadt bis zum Testturm-Standort überspannen soll. Und das sei, so die Bürgerinitiative "Rottweil ohne Hängebrücke", einer der naturräumlich interessantesten Tal-Abschnitte des Flusses. Hier gebe es seltene Tiere und Pflanzen, deren Lebensraum durch die Pfeiler der Brücke beeinträchtigt werden könnten, argumentieren sie. Die Brücke soll hier bis zu 45 Meter über dem Tal hängen, entsprechend solide werden die Betonpfeiler ausfallen.
Auch den Denkmalschutz sehen die Gegner, darunter Historiker Winfried Hecht, gefährdet, immerhin gibt es im Tal zum Teil uralte Mühlen.
Allerdings steht der genaue Verlauf der Brücke noch nicht endgültig fest. Investor Günter Eberhardt hat bereits mehrere Grundstücke erstanden, aber noch nicht die wirklich relevanten auf dem Berner Feld beim Turm.
Was ihn wiederum wenig anficht: Er und seine Planer haben sich bereits eine Alternative ausgedacht, sollten sie diese Flächen nicht bekommen. Dann werde die Brücke eben etwas kürzer. Er habe immer einen Plan B, erklärte Eberhardt kürzlich. Der gelernte Maurer ist mit seiner Stahlbaufirma weltweit aktiv, hat beim Testturm mitgebaut und ist nach eigenen Angaben immer gern dabei, wenn sich etwas bewegt. Und das tut es derzeit in Rottweil, weshalb er diese Brücke unbedingt bauen will.
Neben der Stadtverwaltung, die ebenso denkt und dem Investor so weit wie möglich entgegenkommt, hat sich jetzt zum Beispiel auch der frühere Rottweiler Oberbürgermeister Thomas Engeser in einem Leserbrief als Brückenbefürworter geoutet: Er wundert sich über Bedenken, dass zu viele Touristen in den Stadt kommen könnten.
Denn die erwarteten bis zu 100 000 zahlenden Besucher pro Jahr sind für die Gegner des Projekts ein Problem: Es gebe zu wenig Parkplätze. Und Lärm und Dreck an der geplanten Einstiegsstelle beim Bockshof am Rand des Stadtkerns könnten ebenfalls drohen.
Argumente, denen der Investor gerne entgegnet: Eine Barockkirche in einem oberschwäbischen Dorf beispielsweise habe mehr Besucher und komme trotzdem mit 80 Parkplätzen aus – immerhin verteilten sich die Besucher auf 365 Tage im Jahr.
Das sehen die Gegner anders, sie rechnen kalte, windige und verregnete Tage raus, an denen keiner auf die luftige Brücke wolle und kommen so auf 4000 Besucher am Tag. Rottweils historische Innenstadt und vor allem der Bockshof, einst städtischer Friedhof, verkomme dadurch zum Rummelplatz. Gegen das Projekt gehen auch Anwohner auf die Barrikaden, sie fürchten nicht nur Lärm und Dreck, sondern auch eine Beeinträchtigung ihrer Privatsphäre.
Deshalb hat die Stadt eine Dialoggruppe eingerichtet, in der 50 Bürger Pro und Contra des Projekts abwogen. Zudem können die Bürger nun selber entscheiden am 19. März. Investor Eberhardt zeigt sich zuversichtlich, dass die Rottweiler die Brücke wollen. Und wenn nicht? „Dann kommen wir eben in fünf Jahren wieder.“
Das Brücken-Projekt
Nach aktuellem Planungsstand, der in der offiziellen Broschüre der Stadt Rottweil zum Bürgerentscheid abgedruckt ist, soll die Brücke 606 Meter lang werden – früher war von 850 oder gar 900 Metern die Rede gewesen. Sie soll 1,20 Meter breit werden – so können sich die Fußgänger beidseitig festhalten – und mit einem 1,35 Meter hohen Geländer (im Gefahrenbereich etwa an einem Bahnüberquerung bis 2,50 Meter) ausgestattet werden. Die maximale Höhe über Grund soll bei 43 Metern liegen. Laut Planung sind nunmehr zwei Pfeiler mit einer Höhe von etwa 45 Metern vorgesehen. Der Eintritt soll neun Euro kosten. (jdr)
.Videoanimation zum Verlauf der geplanten Hängebrücke unter www.sk.de/exklusiv