Ob er Schulden gehabt habe?

„Nein“, sagt der 61-Jährige.

Ob er wenig verdient habe, fragt Richter Tasso Bonath.

„Nein“, sagt der Angeklagte im Landgericht. „3500 Euro brutto waren es.“

„Hatten Sie Vermögen?“

„Ja, aus Wertpapiergeschäften und Immobilien.“

Wieso unterschlägt einer wie er so viel Geld?

Es wird still am ersten Verhandlungstag gegen zwei ehemalige Mitarbeiter der Sparkasse Schwarzwald-Baar am Standort Furtwangen. Denn: So richtig versteht in diesem Moment niemand, was den 61-Jährigen dazu getrieben haben soll, vermögende Kunden zu bestehlen und Geld zu unterschlagen. Wieso er das getan haben soll, wo es ihm doch finanziell gut ging?

Ein 61-jähriger und eine 42-Jährige müssen sich wegen schweren Betrugs am Landgericht in Konstanz verantworten. (Symbolbild)
Ein 61-jähriger und eine 42-Jährige müssen sich wegen schweren Betrugs am Landgericht in Konstanz verantworten. (Symbolbild) | Bild: Daniela Biehl

Mitangeklagt wegen schweren Betrugs ist auch seine 42-jährige Ex-Kollegin.

Anklageverlesung dauert eine Stunde

Wie schwer die einzelnen Taten wiegen, wie systematisch der 61-jährige vorging – indem er ohne Wissen der Kunden erst ein Sparkonto eröffnete, ihr Geld darauf transferierte, es dann mit teils erschlichenen, teils gefälschten Unterschriften und meist mit Blankoauszahlungsbelegen in Bar wieder abhob und für sich behalten haben soll – wird deutlich, als die Staatsanwaltschaft ihre Anklageschrift vorliest.

Ein 61-jähriger und eine 42-Jährige müssen sich wegen schweren Betrugs am Landgericht in Konstanz verantworten. (Symbolbild)
Ein 61-jähriger und eine 42-Jährige müssen sich wegen schweren Betrugs am Landgericht in Konstanz verantworten. (Symbolbild) | Bild: Daniela Biehl

Elf geschädigte Kunden, 836.255 Euro Schaden, aber so viele Transaktionen und Einzeltaten, dass die Staatsanwaltschaft allein für die Verlesung der Anklageschrift 63 Minuten braucht.

Taten gehen bis 2008 zurück

Für den 61-jährigen muss die Stunde, in der die Staatsanwaltschaft seine Taten von 2008 bis 2018 rekapituliert, wirken wie aus einer anderen Zeit. Aus einem anderen Leben. 2018 flog der Betrug auf. Der 61-Jährige und seine 42-jährige Kollegin waren damals fristlos entlassen worden. Fast fünf Jahre ist das jetzt her.

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Seither sei er psychisch angeschlagen und arbeitsunfähig, sagt der 61-Jährige – auch das Gericht muss, auf Bitten eines Sachverständigen, längere Pausen einlegen, damit es den Angeklagten psychisch nicht überfordert.

„Ich schäme mich“

„Ich bin nach all den Jahren wirklich froh, dass der Prozess beginnt“, sagt der 61-Jährige schon zu Beginn der Verhandlung. Und: „Ich schäme mich.“

Der 61-jährige Angeklagte muss sich zusammen mit seiner Ex-Kollegin wegen schweren Betrugs am Landgericht in Konstanz verantworten.
Der 61-jährige Angeklagte muss sich zusammen mit seiner Ex-Kollegin wegen schweren Betrugs am Landgericht in Konstanz verantworten. | Bild: Daniela Biehl

Doch: Wie kommt ein ehemaliger Leistungssportler, einer, der von sich selbst sagt, er habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, einer, der in Heimatstadt fest verwurzelt gewesen sein will, dazu andere so zu betrügen?

Die Sache mit dem Frust

„Eine logische Erklärung gibt es dafür nicht“, sagt er selbst. Es gab da diese Zeit, als die Sparkassen Donaueschingen, Villingen-Schwenningen und Furtwangen zur Sparkasse Schwarzwald-Baar fusionierten – und sich der Angeklagte bei internen Bewerbungen mehrfach nicht berücksichtigt sah.

„Obwohl ich öfter intern geehrt wurde“, sagt er. „Das hat enormen Frust ausgelöst.“

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Und seine Kollegin? Von dem unterschlagenen Geld habe die Mitangeklagte nichts gewusst, sagt der 61-Jährige. „Sie war einfach nur gutgläubig.“

Doch: Auch in ihrem persönlichen Bankschließfach hat die Sparkasse 2018 im Rahmen interner Ermittlungen Kundenvermögen gefunden. Vor Gericht scheint es, als könnte der 61-Jährige sie da tatsächlich mit reingezogen haben.

Das Geld im Bankschließfach

Denn: Auch ein Bankangestellter sagt aus. Und er sagt, damals, 2018, hätten die Angeklagten angegeben, dass das Kundenvermögen nur im Bankschließfach der 42-Jährigen lagerte, weil das Schließfach des Angeklagten schon proppenvoll gewesen sei. Und auch, dass der 61-Jährige betont hatte, dort öfter Kundengeld zu lagern.

„Klang das für Sie plausibel? War das Bankschließfach des 61-Jährigen voll?“, fragt Richter Tasso Bonath.

„Sein Schließfach war richtig voll“, sagt der Bankangestellte.

Er blickt zur Staatsanwältin, zu den Schöffen, zum Richter. Doch: Die Kundin, deren Geld im Schließfach der 42-Jährigen gefunden wurde, habe in der Sparkasse ein eigenes Schließfach gehabt. „Die Kundin hätte das dann schon bei sich gelagert“, meint der Zeuge.