Das wird für die Narren aus dem Südwesten und die Jecken vom Rhein ein einmaliges Erlebnis werden. Erstmalig laufen Hästräger auf der siebeneinhalb Kilometer langen Strecke des Kölner Rosenmontags-Umzugs mit, dem größten Karnevals-Ereignis in Deutschland.

Die Südwest-Narren starten fast ganz am Anfang des Umzugs. Voraus marschiert die Stadtkapelle aus Tiengen am Hochrhein, die den Takt vorgibt. Dahinter eine Auswahl von 70 Narren aus unterschiedlichen Hochburgen der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN). Für sie dürfte die Teilnahme an diesem Großspektakel ein unvergessliches Erlebnis werden, zumal in der Rheinmetropole das Jubiläum zum 200-jährigen Bestehen des Kölner Karnevals gefeiert wird.

Schwenninger stellen die stärkste Gruppe

Die stärkste Gruppe dieser Abordnung stellt übrigens die Schwenninger Narrenzunft mit Hansel, Moosmulle, Hölzlekönig und Co. Hauptgrund für dieses Privileg: Die Schwenninger Zunft hat am Fasnetsmontag, um Unterschied zu den meisten anderen Zünften, „umzugsfrei“ und steht für einen Ausflug ins Rheinland zur Verfügung. Außerdem ist der Narrensprung der Schwenninger Hansel optisch wie akustisch für das Publikum ein besonderer Leckerbissen, mit dem man auswärts gut renommieren kann.

Zum Schluss kommen auch in Schwenningen die Schönsten, der Schwenninger Narro marschiert auf dem Muslenplatz ein
Zum Schluss kommen auch in Schwenningen die Schönsten, der Schwenninger Narro marschiert auf dem Muslenplatz ein

Doch wie kommt‘s, dass sich die heimische Fastnacht nach Jahrzehnten geradezu leidenschaftlicher Abgrenzung nun auf einmal auf Schmusekurs mit den einst verpöhnten Karnevalisten begibt?

Ganz einfach: Die Fastnachter und Karnevalisten haben in den vergangenen Jahren ihre alten gemeinsamen Wurzeln und ihre aktuellen gemeinsamen Interessen entdeckt. Zusammengeführt hat sie vor allem, so schildert es Roland Wehrle, der Präsident der VSAN, das gemeinsame Bestreben, sowohl den Karneval als auch die Fastnacht in den Rang eines internationalen immateriellen Weltkulturerbes der Menschheit zu erheben. Ein entsprechender Antrag an die UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) ist in Vorbereitung.

Narren wollen Weltkulturerbe werden

Sollte es in den nächsten zwei, drei Jahren wie vor den Narren erhofft zur Anerkennung der Narretei als immaterielles Weltkulturerbe kommen, sehen sich die Fastnachter besser geschützt und gewappnet gegen die bedrohlichen Einflüsse einer wachsenden Kommerzialisierung der Narretei, ihrer zunehmenden staatlichen Reglementierung und bürokratischen Bevormundung.

Schon allein aus dem gemeinsamen Ziel üben Fastnachter und Karnevalisten den gemeinsamen Schulterschluss, der nun erstmals auf dem Rosenmontagsumzug zur Schau gestellt wird.

Roland Wehrle übt den Schulterschluss mit den Karnevalisten im Rheinland.
Roland Wehrle übt den Schulterschluss mit den Karnevalisten im Rheinland.

Gleichzeitig, so berichtet Roland Wehrle, haben die Narren in den vergangenen Jahren zunehmend erkannt, dass sie gemeinsame historische Wurzeln haben, die aus der mittelalterlichen Fastnacht herrühren. „Wir sind zwei Zweige des selben Stamms, die sich unterschiedlich entwickelt haben“, betont der VSAN-Präsident.

Hätten sich die die Verfechter der alten bäuerlichen Fastnacht vor 100 Jahren nicht so vehement für die alte Tradition und gegen den Karneval eingesetzt, so betont Roland Wehrle, wäre die Fastnacht und viele ihrer Bräuche und Häser im Schwarzwald und der Baar, am Bodensee und in Oberschwaben vermutlich vielerorts vollständig verschwunden.

Diese Rückbesinnung, die zugleich auch eine Neuentwicklung war, wäre nicht möglich gewesen ohne eine strikte Ablehnung aller karnevalistischer Einflüsse. Animositäten zwischen Fastnachter und Karnevalisten wurden über Jahrzehnte hinweg gepflegt.

Insofern wundert es Wehrle nicht, dass viele Fastnachter mit der neuen Freundschaft ins Rheinland noch fremdeln. „Wenn man 50, 60 Jahre lang gegen etwas schießt, darf man sich nicht wundern, dass jetzt nicht alle Hurra schreien“, sagt er. Vor 30 Jahren, sagt Wehrle, wäre ein Auftritt von Fastnachtern in Köln „undenkbar gewesen“.

Mehr Gemeinsames als Trennendes

Doch in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten hat auch die Wissenschaft deutlich belegt, dass es mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes zwischen Karneval, Fastnacht und dem Fasching gebe. Wehrle verweist dabei vor allem auf die Arbeiten des Rottweiler Volkskundlers Werner Mezger, der die historischen Zusammenhänge intensiv beleuchtet hat. Der gemeinsame Kern des närrischen Brauchtums ist in jeglicher Ausprägung ihre Herkunft und das gemeinsame Feiern und Fröhlichsein vor der Fastenzeit.

VSAN feiert nächstes Jahr großes Jubiläum

Wehrle ist bestrebt, diese Gemeinsamkeiten in den nächsten Jahren weiter in den Vordergrund zu stellen. „Wir werden das auch bei unserem Jubiläum tun, wenn die Vereinigung Schwäbisch Alemanischer Narrenzünfte im nächsten Jahr ihr hundertjähriges Bestehen feiert“, kündigt der Narrenpräsident an.

Er selbst hat den freundschaftlichen Brückenschlag zu den Karnevalisten am Rhein mit den Hochburgern Köln, Düsseldorf, Aachen und Bonn längst auch auf persönlicher Ebene vollzogen. Bei den Besprechungen zum Thema Weltkulturerbe ist Wehrle nicht auf abgehobene Karnevalisten gestoßen, sondern auf „sehr angenehme Menschen“, denen er sich inzwischen freundschaftlich verbunden fühlt.

Wehrle fährt auf dem Präsidentenwagen

Das unterstreicht auch seine Teilnahme am Rosenmontagsumzug in Köln. Christoph Kuckelkorn, der Präsident des Kölner Festkomittees Kölner Karneval, hat Wehrle zur Umzugsteilnahme auf den Präsidentenwagen eingeladen, für den Wehrle „eine ganz besondere Ehre“.

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