In dem Begegnungscafé AnsprechBaar im Mehrgenerationenhaus in Donaueschingen ist am Mittwochabend, 22. Januar, Hochbetrieb: Geflüchtete und Bürger treffen sich hier, reden, tauschen sich aus, trinken gemeinsam Kaffee oder Tee.

Auch Socrates Mustafa aus Syrien, der seit Jahren als ehrenamtlicher Helfer beim Arbeitskreis Asyl seinen Landsleuten und anderen Geflüchteten mit Rat und Tat zur Seite steht, ist heute hier – gemeinsam mit Alaeddin Fanari, seiner Frau Mais Nasheed und den zwei gemeinsamen Kindern, dem 15-jährigen Karam und der elfjährigen Esham.

Von Aleppo nach Karlsruhe

Vor zehn Jahren ist Alaeddin Fanari in Deutschland angekommen. Über die Balkanroute ist er Ende 2014 vom zerbombten Aleppo nach Deutschland geflohen.

Zuerst war er in Karlsruhe in einer Flüchtlingseinrichtung, bevor er dann 2015 nach Donaueschingen kam und ein Jahr später seine Familie nachholte. „Das war ein Schritt ins Ungewisse, ein Neuanfang. Uns war es wichtig, dass unsere Kinder eine Zukunft haben – die hätten sie in Syrien nicht gehabt“, sagt Mais Nashed.

Archivbild: Alaeddin Fanari arbeitet seit 2016 bei AP&S.
Archivbild: Alaeddin Fanari arbeitet seit 2016 bei AP&S. | Bild: Falke, Madlen

Flucht oder Kriegsdienst

Der 29-jährige Socrates Mustafa ist aus den gleichen Gründen aus Damaskus geflohen. „Ich war damals 17 Jahre alt und wenn ich geblieben wäre, hätte ich in den Militärdienst und in den Krieg müssen.“ Sein älterer Bruder ist im Krieg gestorben.

In Deutschland hat Mustafa den Haupt- und Realschulabschluss gemacht, dann die Wirtschafts-Berufsfachschule besucht und eine Ausbildung zum Informatikkaufmann abgeschlossen. Heute arbeitet er als Informatiker bei dem IT-Dienstleister Interflex und spricht akzentfreies Deutsch.

„Habe keine Sozialleistungen in Anspruch genommen“

Ein paar Monate nach seiner Ankunft in Donaueschingen hat auch Alaeddin Fanari, ein studierter Elektroingenieur, einen Arbeitsvertrag in der Tasche und arbeitet seit nunmehr zehn Jahren beim Maschinenbauhersteller AP&S in Donaueschingen. „Ich lag Deutschland nicht auf der Tasche, habe keine Sozialleistungen in Anspruch genommen“, sagt er stolz.

Auch die studierte Informatikerin Mais Nashed hat nur wenige Wochen nach ihrem Ankommen eine Anstellung als Informatikerin gefunden. Heute arbeitet sie als pädagogische Assistentin in der Erich-Kästner-Schule und bringt Kindern den Umgang mit technischen Geräten bei. Die Kinder Karam und Esham gehen beide auf das Fürstenberg-Gymnasium. Für beide ist Deutsch die Muttersprache.

Doch auch die Eltern haben fleißig Deutsch gelernt – teils mit Sprachkurs, teils mit YouTube-Videos im Selbststudium. Und was eine große Rolle gespielt hat: „Vom ersten Tag an haben wir Kontakte zu Deutschen geknüpft“, so Fanari.

Ehrenamtliches Engagement

Zum Beispiel zu Edith Lienhard, die seit 2014 ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe beim Arbeitskreis Asyl engagiert ist. „Ich weiß noch genau, als Du damals das erste Mal hier in der AnsprechBaar warst“, sagt sie zu Fanari.

Gemeinsam habe man Spiele gespielt, Ausflüge unternommen, sich kennengelernt und als die Verständigung dann besser klappte und Alaeddins und Mais‘ Deutschkenntnisse immer besser wurden, „hat man sich auch gegenseitig dumme Fragen gestellt, um die Kultur des anderen zu verstehen“, erinnert sich Lienhard lachend.

Hier geht‘s zum Begegnungscafé AnsprechBaar im Mehrgenerationenhaus in Donaueschingen.
Hier geht‘s zum Begegnungscafé AnsprechBaar im Mehrgenerationenhaus in Donaueschingen. | Bild: Pascal Guegan

Alaeddin Fanari ist ein Vorbild für viele

So kam auch Socrates Mustafa, der ungefähr zur gleichen Zeit wie Alaeddin Fanari in Donaueschingen ankam, in Kontakt mit Lienhard und anderen Bürgern, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagierten.

„Du warst unser großes Vorbild im Flüchtlingsheim, alle wollten so sein wie Du“, sagt Mustafa zu Fanari und an die ganze Familie gerichtet: „Ihr habt gezeigt, wie das Ankommen in Deutschland gelingt.“

Die Familie hat mittlerweile den über zweijährigen Einbürgerungsprozess hinter sich, alle vier haben deutsche Pässe. „Wir sind Deutsche, Donaueschingen ist unsere Heimat. Wir haben hart dafür gearbeitet und uns angestrengt, um uns hier ein Leben aufzubauen“, sagt Fanari.

Socrates Mustafa steckt derweil noch mitten im Einbürgerungsprozess. Seit zwei Jahren sind seine Papiere beim Amt und wandern von Schreibtisch zu Schreibtisch. „Ich hoffe, dass ich auch bald den deutschen Pass habe“, sagt er.

Sie alle sind sich sicher: Wenn sie nicht nach Donaueschingen gekommen wären, wäre ihr Leben wohl anders – und schlechter – verlaufen. „Wir sind so dankbar dafür, was Deutschland uns alles gegeben hat: Sicherheit, Frieden, Freiheit, eine Zukunft für uns und unsere Kinder. Wir arbeiten, bezahlen unsere Steuern, sind hier Zuhause“, so Mais Nashed.

Wo ist die Willkommenskultur?

Doch zunehmend bekommt die Familie das Gefühl, hier nicht mehr willkommen zu sein. „Der Rechtsruck macht uns Angst. Wir fühlen uns nicht mehr so wohl hier, von der einstigen Willkommenskultur ist nicht mehr viel übrig. Dass manche Politiker ihr Wahlprogramm auf unserem Rücken austragen und immer nur auf die schlechten Integrationsbeispiele zeigen, feuert doch nur den Hass an. Was bringt das?“, fragt sich Fanari.

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Jeden Tag beweisen, dass man „normal“ ist

„Momentan leben wir nur, um jeden Tag zu beweisen: Wir sind ganz normale Menschen“, sagt Nashed. Das ist anstrengend – und bringt die Familie zum Nachdenken.

Auch eine Rückkehr nach Syrien schließen die Eltern nicht mehr ganz aus – auch wenn das für Sohn Karam nicht infrage kommt. Weder Karam noch seine Schwester Esham haben viele Erinnerungen an Syrien.

Für beide ist Deutschland das einzige Zuhause, das sie kennen. Karam denkt darüber nach, nach dem Abitur Medizin zu studieren. „Hier sind meine Freunde, hier gehe ich zur Schule, hier möchte ich studieren und später arbeiten“, sagt der 15-Jährige.

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Passentzug für Eingebürgerte?

„Dass Syrien nun befreit ist, freut uns natürlich. Aber dass manche Parteien einen Tag nach dem Sturz Assads fordern, dass die Syrer wieder gehen sollen, ist eine Unverschämtheit“, so Fanari.

Und dass manche Politiker sogar mit dem Gedanken spielen, dass Eingebürgerten unter Umständen der Pass entzogen werden soll, macht ihn fassungslos. „Wir sind hier doch in einer Demokratie, man sollte hier doch keinen Unterschied machen zwischen Eingebürgerten und ‚normalen‘ Deutschen, damit ist klar eine rote Linie überschritten – und wo würde das denn enden?“

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