Die Anklage ist eine lange Liste, die sich kaum anders als atemlos lesen lässt.
Diebstähle in 20 Fällen
Ein 34-Jähriger habe Januar und April 2020 Kellerfenster und Balkontüren aufgehebelt. Manche Fenster eingeschlagen, in Villingen-Schwenningen und Donaueschingen Ringe, Ketten, Erbstück, Laptops, Fotokameras, Fahrräder, ein Motorrad, einen Fernseher, Klamotten, Unterwäsche, Briefe, Paketscanner – und eine Menge Bargeld in 16 Wohnungen, einem Schmuckgeschäft und einem Postlager gestohlen.

So verliest es die Staatsanwaltschaft im Landgericht Konstanz. Und da ist die Anklageschrift noch gar nicht zu Ende. Denn: Der 34-Jährige sei den Ermittlungen der Polizei nach auch im niedersächsischen Hannoversch Münden an der Grenze zu Hessen kriminell aktiv gewesen.
87-jährige Frau gewaltvoll ins Bett gedrückt
Er sei dort im April 2020 in Wohnungen eingebrochen, habe eine halbautomatische Pistole gestohlen – und eine 87-Jährige, die bei einem nächtlichen Einbruch wach geworden sei, wieder ins Bett gedrückt. Gewaltvoll, wie die 87-Jährige der Polizei erzählte. Und wie es der ermittelnde Polizist aus Niedersachen vor Gericht wiedergibt.
Ein Korb voller Akten
Klar ist: Das meiste gibt der 34-Jährige zu. Nur für die beiden Taten in Niedersachsen will er nicht gerade stehen. „Da war ich schon wieder auf dem Weg in meine Heimat“, sagt er. Und klar wird vor Gericht auch: Wie kompliziert die Ermittlungsarbeit der Polizei gewesen sein muss.
Mit einem Korb voller Akten kommt die ermittelnde Polizistin in den Schwurgerichtssaal des Landgerichts, stellt eine Akte nach der anderen ab. Schaut nach links zu dem Mann, zu einem Teil der Täter-Gruppierung, die sie ein Dreivierteljahr gejagt hat.
Kein Einzeltäter
Den Aussagen der Zeugen und den Ermittlungsakten nach hat der 34-Jährige nämlich nicht allein gehandelt. Einen Teil der Einbrüche habe er mit seinem Neffen, den anderen Teil mit einem Bekannten verübt.
„Für uns war das, als hätten wir Puzzlestücke zusammengesetzt“, sagt die ermittelnde Polizistin.
44.000 Euro an Diebesgut
Spuren, aus der Spurensicherung, Schubabdrücke mit einem bestimmten Muster, die bei den Taten getragen wurden – und die zu den Schuhen des Angeklagten passten. Ein Waldlager in Villingen-Schwenningen und eins in Niedersachen, wo die Diebe wohl nächtigten.
Wo sie auch Teile ihres Diebesgutes lagerten. Wo die Polizei manches wieder sicherstellen konnte – aber längst nicht alles. Den Wert des Gestohlenen schätzt die Staatsanwaltschaft auf 44.000 Euro.

Erste Durchbrüche seien der ermittelnden Polizistin gelungen, als auf dem Revier Fundsachen auftauchten, die von den Raubzügen stammten. Darunter ein Notizbuch des 34-Jährigen, der wegen Diebstählen 2019 schon einmal in Haft saß und „darauf wohl Haft-Tage abgestrichen hat“, so die Polizistin.
Ein bisschen Glück und ein Marmeladenglas
Und darunter auch ein Handy, das die Beamten nach der Datenauswertung zu einer Wohnung nach Hildesheim führte. In jener Wohnung hätten sie nicht nur Diebesgut aus Villingen-Schwenningen und Hannoversch Münden gefunden, sondern auch die Fingerabdrücke des 34-Jährigen an einem Marmeladenglas.
Wie viel Glück hinter solcher Ermittlungsarbeit steckt, wird deutlich: Als die Polizistin von einem Feierabend, wie eigentlich jedem anderen erzählt. „Ich war auf dem Weg nach Hause. Richtung Rottweil“, sagt sie. „Eigentlich in Gedanken schon gar nicht mehr bei dem Fall. Und da habe ich beim Autofahren ein Motorrad gesehen und dachte: Das kennst du doch.“
Und tatsächlich sollte es eines aus dem gestohlenen Diebesgut sein. Der Besitzer habe es inzwischen zurück.
Die Frage nach dem Warum
Bleibt die Frage, was treibt einen 34-Jährigen zu solchen Taten? Eindeutige Antworten bekommt Richter Joachim Dospil am Prozesstag nicht.
Als der 34-Jährige gebeten wird aus seinem Leben zu erzählen, sagt er nur, er habe in seiner Heimat als Fliesenleger gearbeitet, habe eine Frau, drei Kinder, kein Arbeitsvisum für Deutschland. Zwischenzeitlich hätte er einen Job als Kurierfahrer auf einer Streck ins Ausland gehabt, diesen Job durch die Pandemie jedoch verloren.
Warum er gestohlen habe, will Dospil wissen.
„Weil ich meinen Job durch die Pandemie verloren habe“, wiederholt der 34-Jährige.
„Sie wurden aber 2019 schon einmal wegen Diebstahl verurteilt. Da war noch keine Pandemie. Und auch Ihre ersten Diebstähle in Villingen-Schwenningen fanden im Januar 2020 statt. Auch vor der Pandemie.“
Kein gutes Vorbild
Der 34-Jährige druckst herum. Seine Frau sei krank gewesen, das Geld knapp. Sein Neffe hätte ihn zu den Diebstählen überredet.
„Ihr Neffe ist jünger als Sie?“
Der 34-Jährige nickt.
„Müssten Sie dann nicht ein gutes Vorbild sein?“, fragt Dospil. „Ihm alles ausreden. Und nicht mitmachen.“

Der 34-Jährige ringt mit den Tränen. „Meine Frau redet schon gar nicht mehr mit mir“, sagt er. Und kommt schließlich auf seinen Neffen zu sprechen. „Ihm geht es noch schlechter als uns. Ich konnte ihm das nicht ausreden.“
Richter Dospil beschäftigt an diesem Tag noch eine ganz andere Frage: Wie geht es den Opfern, den Betroffenen der Wohnungseinbrüche?
Fehlendes Sicherheitsgefühl
„Da bleibt ein mulmiges Gefühl zurück“, sagt einer. „Meine Frau hatte länger damit zu kämpfen, konnte nachts nicht mehr richtig schlafen“, sagt ein anderer. Und ein dritter hat nach dem Einbruch gar seine Wohnung gewechselt. Von einer Erdgeschoss-Wohnung, zu einer im mittleren Stockwerk. „Da fühlt man sich einfach sicherer“, sagt er.
Der Prozess wird am Dienstag, 5. Juli, fortgesetzt.