Die Staatsanwaltschaft hat einem 42-jährigen Angeklagten vorgeworfen, im Jahr 2013 die zwölfjährige Nichte seiner damaligen Lebensgefährtin sexuell missbraucht zu haben.

An einem heißen Sommertag sei die ganze Familie im Garten des Hauses in einer Gemeinde des Schwarzwald-Baar-Kreises versammelt gewesen. Nur die zwölfjährige Geschädigte sei wegen starker Hitzeempfindlichkeit mit dem Angeklagten in der Wohnung geblieben.

Dort soll der Angeklagte das Mädchen während des Fernsehens an den Genitalien berührt, seine Finger eingeführt und die Hand des Mädchens ebenfalls in seine Hose gesteckt haben. Trotz starker Gegenwehr des Mädchens soll der 42-Jährige das Kind weiter dazu genötigt haben, ihn mit der Hand zu befriedigen.

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Wenige Monate später soll die Geschädigte dann in der Wohnung des Angeklagten und seiner Lebensgefährtin übernachtet haben. Der Angeklagte soll sich nachts zu dem Mädchen ins Bett gelegt und sie erneut missbraucht haben. Erst als die Geschädigte behauptet habe, dass sie auf die Toilette müsse, habe der Angeklagte von ihr abgelassen und sei aus dem Zimmer verschwunden.

Weiteres Kind vergewaltigt?

Im Jahr 2019 habe der Angeklagte dann zusammen mit seiner neuen Lebensgefährtin und deren sechsjährigen Tochter, die bei Pflegeeltern untergebracht war und freiwillig ein Wochenende bei der Mutter verbringen wollte, in einem Bett in der gemeinsamen Wohnung in einer weiteren Gemeinde im Schwarzwald-Baar-Kreis geschlafen. Als die Mutter eingeschlafen war, soll der Angeklagte das Mädchen im Intimbereich berührt haben. Mit seinen Fingernägeln soll er ihr zusätzlich Schmerzen zugefügt haben.

Erst zwei Jahre später erzählte das Mädchen, das in seiner Entwicklung stark zurückgeblieben und verhaltensauffällig sei, seiner Pflegemutter fast beiläufig von der Vergewaltigung. Als daraufhin ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, erfuhr auch das erste Opfer des Angeklagten von den Vorwürfen und wandte sich an die Polizei. Die inzwischen junge Frau trat in dem Prozess als Nebenklägerin auf.

Angeklagter leugnet Taten

Die mittlerweile 20-Jährige trat in dem Prozess als Nebenklägerin auf. Als eine der Hauptzeuginnen vor dem Villinger Amtsgericht erzählte sie detailliert, was ihr widerfahren sei. Der Angeklagte leugnete die ihm zur Last gelegten Taten vehement und brach in Tränen aus. Er äußerte sich ausgiebig zu den Tatvorwürfen und führte an, dass er durch seine Vergangenheit ein willkommenes Opfer für Anschuldigungen dieser Art sei.

Vater von sechs Kindern

Der Angeklagte hatte als 21-Jähriger auf einer Musikveranstaltung eine Dreizehnjährige verführt und war zu einer Bewährungsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden. Die musste er ein Jahr später antreten, weil er eine 15-Jährige geschwängert hatte.

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Der 42-Jährige hatte seine Kindheit in Waisenhäusern und bei Pflegeeltern zugebracht. Als Jugendlicher war er längere Zeit obdachlos, hatte nie einen richtigen Beruf erlernt und hat zudem Schulden von über 30.000 Euro. Er sagte, dass er, der selbst Vater von sechs Kindern sei, niemals zu den ihm vorgeworfenen Taten fähig wäre.

Aussage des Opfers per Video

Nachdem eine Freundin der ehemaligen Lebensgefährtin des Angeklagten, die Pflegemutter und die ermittelnde Kriminalhauptkommissarin ihre Aussagen gemacht hatten, wurde die Zeugenaussage des zweiten, mittlerweile achtjährigen Opfers per Video eingespielt.

Das Mädchen beschreibt darin, was ihr in besagter Nacht widerfahren sei, behauptet aber, dass es mehrere Übergriffe seitens des Angeklagten gegeben habe. Im Anschluss äußerte sich eine Sachverständige zu der Aussage des Kindes und stellte heraus, dass das Mädchen geistig nicht auf dem Stand einer Achtjährigen sei und zu komplexen Lügen und deren Aufrechterhaltung über eine längere Zeit nicht fähig wäre.

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Auch würde die Schilderung des Tathergangs und die mehrfache, exakte Wiederholung durch das Mädchen in seinen Details klar für ein tatsächliches Erleben sprechen, da die Möglichkeit des Erfindens einer solchen Anschuldigung nicht dem Wissen und den Möglichkeiten eines so jungen Kindes entsprechen könne.

Verteidigung fordert Freispruch

Verteidiger Marc Zimmermann führte an, dass das Mädchen von mehreren Übergriffen berichtet habe, was praktisch nicht möglich gewesen sei und zweifelte ebenfalls die Aussagen der ersten Geschädigten an, da auch sie sehr lange geschwiegen und nach dem ersten Übergriff sogar in der Wohnung des Angeklagten übernachtet habe. Auch die Tatsache, dass in keinem der drei Fälle ein genaues Datum der Tat ermittelt werden konnte, spreche gegen die Aussagen der Geschädigten. Wegen diesen Ungereimtheiten plädierte die Verteidigung auf nicht schuldig und forderte einen Freispruch. Der Angeklagte schloss sich seinem Verteidiger an.

Urteil folgt der Anklage

Die Staatsanwaltschaft sah die Schuld des Angeklagten als ausreichend erwiesen an und stellte heraus, dass die psychischen Folgen für beide Opfer schwerwiegend seien, wobei der zweiten Geschädigten durch das gewaltsame, schmerzhafte Eindringen mit den Fingern in die Vagina zusätzlich eine Körperverletzung beigebracht worden sei. Als einzigen Entlastungspunkt für den Angeklagten konnte die eigene schwere Kindheit angeführt werden, weshalb eine Freiheitsstrafe von vier Jahren gefordert wurde. Die Nebenklage schloss sich an.

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Nach viereinhalb Stunden verkündete Richter Christian Bäumler dann das Urteil, bei dem er dem Antrag der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage folgte und den Angeklagten wegen schwerem sexuellen Kindesmissbrauchs in drei Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilte.

So begründet das Gericht sein Urteil

Der Vorsitzende verwies in seiner Urteilsbegründung auf die schlüssigen und übereinstimmenden Zeugenaussagen beider Opfer und die identischen Tatmodalitäten in allen drei Fällen. Es gebe keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten. Ein minderschwerer Fall sei durch das junge Alter der Geschädigten und die Wiederholung der Taten ebenfalls nicht gegeben.

Auseinandersetzung vor dem Gerichtsgebäude

Vor dem Gerichtsgebäude kam es anschließend zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Vater einer Geschädigten, welche allerdings von Mitgliedern der Familie und dem Verteidiger des Angeklagten nach kurzer Zeit beendet werden konnte.