Wer in das Haus E an der Karlstraße 47 in Schwenningen eintritt, kann seinen Augen kaum trauen: Obwohl das vierstöckige Haus mit 14 Wohnungen schon seit zwei Jahren von etwa 15 Personen bewohnt ist, wirkt es eher wie ein Rohbau.

Eklatante Baumängel

Dort, wo ein Aufzug sein sollte, klafft ein mit Brettern vernagelter Schacht. Bei der Treppe im Flur fehlt das Geländer, stattdessen sind entlang der Stufen behelfsmäßig ein paar ungeschliffene Holzlatten genagelt worden.

Etliche ungesicherte Stromkabel hängen von der Decke oder blitzen aus der Wand hervor. Bauschutt liegt auf den Gängen. Ganz zu schweigen von den Balkonen, welchen durchweg das Geländer fehlt. Nur ein paar Gerüststangen bewahren vor einem Sturz aus luftiger Höhe.

Den Balkonen im Haus E fehlen durchweg die Geländer. Das Gerüst steht jedoch noch.
Den Balkonen im Haus E fehlen durchweg die Geländer. Das Gerüst steht jedoch noch. | Bild: Denise Kley

Ein See in der Tiefgarage

In der Tiefgarage haben sich Wasserpfützen angesammelt. Und dort, wo eigentlich ein zweistöckiger Garagenport entstehen sollte, hat sich auf einer 60 Quadratmeter großen Fläche ein metertiefer See gebildet. An den Betonwänden und -böden sind Korrosionsspuren zu sehen, ebenso an den Außenwänden.

In der Tiefgarage hat sich ein metertiefer See gebildet.
In der Tiefgarage hat sich ein metertiefer See gebildet. | Bild: Denise Kley

Der SÜDKURIER hat im Zuge der Recherche mit sieben Bewohnern und Käufern gesprochen und schriftliche Schilderungen vorliegen.

Was die Bewohner im Haus erleben

Das Ehepaar Ströbele hat eine Odyssee hinter sich: Sie mussten ein Jahr im Hotel leben, erzählen sie, da trotz vereinbartem Einzugs- und Fertigstellungstermins ihre Wohnung eine Baustelle gewesen sei. „Wir haben unsere alte Wohnung verkauft, in dem Wissen, hier eine behindertengerechte Wohnung zu haben, da mein Mann gehbehindert ist“, so Birgit Ströbele.

Vor zwei Jahren sind die beiden dann in Schwenningen in ihre Penthousewohnung im vierten Stock eingezogen. Zwar ist das Penthouse bewohnbar, doch von Barrierefreiheit kann keine Rede sein: Der Aufzug fehlt nach wie vor. „Mein Mann muss sich 60 Stufen hinab und hoch quälen, an einem Handlauf aus zusammengenagelten Latten. Er ist dabei auch schon gestürzt und hat sich verletzt“, berichtet Ströbele.

Der verrammelte Aufzugsschacht in Haus E.
Der verrammelte Aufzugsschacht in Haus E. | Bild: Denise Kley

„Wenn ich beim Arbeiten bin, kann mein Mann keinen Besuch empfangen, da er die Treppe nicht herunterkommt – da weder der Aufzug, die Klingel noch die elektrische Schließanlage funktionieren.“

Das Ehepaar sagt, es habe 2024 eine Klage gegen den Bauherrn geführt und einen positiven Vergleich erhalten.

Psychologische Behandlung

Eine andere Bewohnerin, die anonym bleiben möchte – da sie vonseiten der Bauträgerschaft Repressalien befürchtet – berichtet, dass auch sie trotz vereinbartem Einzugstermin ein Jahr mit ihrem Kind in einem beengten Hotelzimmer habe leben müssen.

Die Alleinerziehende hat nach eigenen Angaben für die Wohnung eine mittlere sechsstellige Summe bezahlt. Nun wohne sie in einem nicht fertig gestellten Haus – und aufgrund dieser Lebensumstände sei sie in psychologischer Behandlung. „Das alles ist so zermürbend. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll“, sagt sie.

Gutachten: „Gefahr für Leib und Leben“

Im Sommer 2024 hat die etwa 70-köpfige Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) den Architekten und Gutachter Thomas Broghammer beauftragt, sich ein Bild der Lage des fünf Häuser umfassenden Wohnparks zu machen.

Das Gutachten, das auf 147 Seiten die Baumängel des Wohnparks aufführt, fällt verheerend aus. „Zum Zeitpunkt der Begehung liegen Stromkabel und Baumaterialien der Handwerker im Gehbereich, sodass eine Nutzung des Treppenhauses eine Gefahr für Leib und Leben darstellt.“

Auch die Außenanlage ist nicht fertig: Bitumenteppiche sind ausgerollt, Baumaterial liegt vor den Gebäuden.
Auch die Außenanlage ist nicht fertig: Bitumenteppiche sind ausgerollt, Baumaterial liegt vor den Gebäuden. | Bild: Denise Kley

Laut Gutachten seien durch die Bauweise bereits Folgeschäden entstanden – und es sei mit weiteren Schäden zu rechnen. Aufgrund fehlender, wesentlicher Bauleistungen sei, so heißt es im Gutachten weiter, die Bezugsfertigkeit und Benutzbarkeit des Gebäudes nicht gegeben.

Einige Eigentümer haben bereits im Vorfeld den gesamten Kaufpreis bezahlt – doch können ihre Wohnung nicht beziehen, da sie sich noch im Rohbau befinden, wie die WEG berichtet.

Wie kann das sein?

Doch wie kann es sein, dass einige Bewohner seit Jahren in einer Bauruine leben, die gefährlich ist? Weshalb stellt der Bauträger die Mehrfamilienhäuser nicht fertig?

Mehrmals hat die WEG versucht, die Bauträger und die damalige Hausverwaltung zum Handeln zu bewegen und hat die Involvierten zu Krisensitzungen einberufen, um das Projekt zu retten. Die Gesprächsprotokolle und schriftlichen Dokumentationen dieser Gespräche und Sitzungen liegen der Redaktion vor.

WEG lässt nichts unversucht

Die WEG verfasste unter anderem eine schriftliche Mängelrüge, setzte Fristen zur Behebung der Baumängel und Fertigstellung, forderte die damalige Hausverwaltung zum Handeln auf und wollte, dass der Bauträger Geschäftsunterlagen der WEG offenlegt – doch ohne Erfolg. Auf Anfragen und Mahnungen würden die Bauträger nicht reagieren und tauchten unter, wie Eigentümer berichten.

Das sagt Andreas Binefeld

Der Anwalt von Andreas Binefeld, Jan von Wallfeld, antwortet auf Anfrage des SÜDKURIER, dass die allgemeine wirtschaftliche Gesamtlage für die Ausgangslage verantwortlich sei. „Die Corona-Pandemie und der Ukrainekrieg nahmen Einfluss auf die Wirtschaft im Allgemeinen und auf die Bauwirtschaft im Besonderen. Energiepreiserhöhungen, Lieferschwierigkeiten, Ausschreibungen zu überteuerten oder zu fehlenden Angeboten mussten wiederholt oder angepasst werden.“

Insbesonders der geplante Doppelparker in der Tiefgarage habe sich seitdem preislich verdoppelt. „Diese für alle unvorhersehbaren Umstände, die weitläufig auch als höhere Gewalt bezeichnet werden, verursachten Probleme bei der Ausführung und den kalkulierten Kosten“, so der Anwalt.

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Gemäß einem Protokoll von November 2023 bittet der Bauträger die Eigentümer, weitere Finanzmittel zur Fertigstellung des Baus – insbesondere der Tiefgarage – zur Verfügung zu stellen, wobei es sich damals um einen mittleren sechsstelligen Betrag handelte.

Doch obwohl auf einem Treuhandkonto der WEG weitere Finanzmittel für die Fertigstellung des Baus von den Eigentümern eingezahlt wurden, hat sich seither wenig auf der Baustelle und in der Tiefgarage getan, wie auch ein Blick des SÜDKURIER vor Ort zeigt.

„Versuchen, das Projekt zu vollenden“

Der Anwalt von Andreas Binefeld äußert gegenüber dem SÜDKURIER, dass man versuche, das Projekt zu vollenden. „Es ist richtig, dass noch nicht alle Bauleistungen zur Zufriedenheit der Kunden unseres Mandanten abgearbeitet sind. Trotz aller Schwierigkeiten hat mein Mandant sein Bestes gegeben, um das Projekt fortzuführen.“ Nach dessen Abschluss werde Andreas Binefeld seine Bauträgertätigkeit einstellen, so der Anwalt.

Einzig ein paar Bauutensilien im Fahrradkeller lassen darauf schließen, dass hier mal Bauarbeiten stattgefunden haben.
Einzig ein paar Bauutensilien im Fahrradkeller lassen darauf schließen, dass hier mal Bauarbeiten stattgefunden haben. | Bild: Denise Kley

Doch die familiären Verflechtungen der Familie Binefeld ist vielschichtig, die Unternehmensstruktur ist undurchsichtig: Den Inhaber von Andreas Binefeld Wohnbau Studio haben jene Käufer, mit denen der SÜDKURIER sprach, noch nie zu Gesicht bekommen. Stattdessen hatten sie Kontakt mit dessen Bruder, Alexander Binefeld, sagen sie. Dieser taucht sowohl in Gesprächsprotokollen als auch in Chatverläufen mit Eigentümern, welche dem SÜDKURIER vorliegen, namentlich auf.

Die familiären Verflechtungen

Alexander Binefeld sagt auf Nachfrage des SÜDKURIER, dass er seinerzeit mit der Vermarktung der dortigen Wohnungen beauftragt war. „Außerhalb der Vermarktung stand ich Andreas Binefeld unterstützend und beratend in mancher Angelegenheit zur Verfügung“, so Alexander Binefeld.

Das Projekt seines Bruders sei nach Beginn der Corona-Krise, der anschließenden Energiekrise in Verbindung mit dem Ukraine-Krieg und der folgenden Kostenexplosion im Bausektor ins Stocken geraten. „Wie hier der aktuelle Stand der Dinge ist und wann am Projekt weitergearbeitet wird, entzieht sich meiner Kenntnis“, so Alexander Binefeld.

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So reagiert Alexander Binefeld

Alexander Binefeld ist als Geschäftsführer der Binefeld Immo-Bau GmbH mit Sitz in Donaueschingen aufgeführt. Das ist jener Bauträger, welcher das Donaueschinger Fischbachareal mit einem Wohnpark bebauen möchte.

Doch Alexander Binefeld möchte nicht mit seinem Bruder in Verbindung gebracht werden. „Ich möchte klar zum Ausdruck bringen, dass wir mit diesem Projekt von meinem Bruder (jenes in Schwenningen, Anm. der Redaktion) nichts zu tun haben.“

Im März haben bereits die Erdarbeiten an der Neuen Wolterdinger Straße begonnen. Vonseiten der Stadt wurde die Baugenehmigung zwar bereits erteilt, doch bei der Gemeinderatssitzung am 29. April wurde der neue Bebauungsplan für das Fischbachareal überraschend vom Gemeinderat abgeschmettert, da aus Sicht der CDU keine aktuellen Baupläne vorlagen.

OB fürchtet Imageschaden bei Absage

Oberbürgermeister Erik Pauly hat daraufhin Widerspruch gegen diesen Gemeinderatsbeschluss eingelegt, da er einen Imageschaden und Schadensersatzforderungen an die Stadt befürchte, wenn der Investor nun aufgrund des abgelehnten Bebauungsplans doch nicht bauen könne.

Nun wird der Gemeinderat in einer außerplanmäßigen Sitzung am Dienstag, 20. Mai, nochmals über den Bebauungsplan befinden. Wenn diesem zugestimmt wird, wird der Bauträger den Bau auf dem Fischbachareal fortsetzen können.

Ausdrückliche Warnung

Dass der Bebauungsplan in Donaueschingen nochmals in Diskussion steht, haben in der Zwischenzeit auch einige Käufer aus Schwenningen erfahren.

Das Ehepaar Ströbele hat den Donaueschinger Oberbürgermeister und die Gemeinderäte Anfang der zweiten Maiwoche per Mail über die Vorkommnisse in Schwenningen in Kenntnis gesetzt, ihre Erfahrungen mit dem Bauträger geschildert. „Uns geht es vor allem darum, andere potenzielle Käufer vor diesem Bauherrn zu warnen“, so Birgit Ströbele.

Die Bagger rollen bereits auf dem alten Fischbach-Areal.
Die Bagger rollen bereits auf dem alten Fischbach-Areal. | Bild: Denise Kley

Alexander Binefeld sieht diese Vorwürfe als diffamierend an. „Hier wird versucht, alles in einen Topf zu schmeißen. Die Käufer von Wohnbau Studio lassen hier in irgendeiner Form ihren Frust und Druck ab und möchten Schaden anrichten, ungeachtet dessen, dass es sich hier um ganz verschiedene Bauträgergesellschaften handelt.“

Verkauf läuft bereits

Gemäß eigener Aussage hat Alexander Binefeld bereits 13 Wohnungen auf dem Fischbachareal verkauft. Er ist guter Dinge hinsichtlich des weiteren Projektverlaufs. „Was unser Projekt in Donaueschingen angeht, so möchten wir sagen, dass wir seit über fünf Jahren in dieses Projekt sehr viel Fleiß und auch Geld investiert haben. Wir sind sehr froh, dass dieser Planungsprozess nun abgeschlossen ist und hoffen sehr, dass die kommende Abstimmung des Gemeinderates positiv verlaufen wird.“