Ohne eine Portion Glück wäre es wohl nicht gegangen, sagt Oliver Butsch. „Kinderärzte und auch Hausärzte zu bekommen und auszubilden – das ist ein sehr, sehr schwieriges Unterfangen.“ Der Personaldirektor des Klinikums Tuttlingen kennt das Problem.

Im Kreis Tuttlingen hat man aber eine Lösung gefunden: Im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in Spaichingen, einer Tochtergesellschaft des Tuttlinger Klinikums, arbeiten seit Kurzem nicht nur eine, sondern gleich zwei Kinderärztinnen.

Zu Abreika Burwak, die seit November 2020 die Kinderarztpraxis am MVZ betreibt, gesellt sich nun Lama Khamis. Sie hat im April ihre Facharztprüfung bestanden und ergänzt das Behandlungsangebot auch durch ihre Expertise im Ultraschall von Hüfte, Unterleib und Gehirn.

Kinderärztin Lama Khamis verstärkt seit Kurzem die Praxis am MVZ Spaichingen. Damit sind die zwei vakanten Kinderarztsitze im Landkreis ...
Kinderärztin Lama Khamis verstärkt seit Kurzem die Praxis am MVZ Spaichingen. Damit sind die zwei vakanten Kinderarztsitze im Landkreis Tuttlingen besetzt. | Bild: Lukas Treu

Bis vor zwei Jahren war die Situation eine andere, blickt Oliver Butsch zurück. Im Landkreis Tuttlingen waren zwei Kinderarzt-Stellen unbesetzt und Familien standen vor demselben Problem wie es aktuell im Schwarzwald-Baar-Kreis der Fall ist.

Abreika Burwak ist seit November 2020 als Kinderärztin am MVZ Spaichingen tätig. Viele Familien aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis weichen ...
Abreika Burwak ist seit November 2020 als Kinderärztin am MVZ Spaichingen tätig. Viele Familien aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis weichen mittlerweile in den Nachbarlandkreis Tuttlingen aus. | Bild: Aline Riedmüller

„Durch den Tipp einer Hausärztin haben wir erfahren, dass Frau Burwak damals in Lybien lebte und gerne wieder hier arbeiten würde“, schildert Oliver Butsch. Die Medizinerin hatte bereits Anfang der 2000er Jahre an der Uniklinik in Tübingen ihre Facharztprüfung abgelegt, lebte aber zwischenzeitlich wieder in ihrer Heimat. Das Problem: Ihr fehlte die Approbation, um in Deutschland erneut tätig sein zu dürfen.

Landkreis als Träger der Einrichtung

Hier sei nun das MVZ aktiv geworden, sagt Oliver Butsch. Träger der im Jahr 2013 gegründeten Einrichtung ist zu 100 Prozent der Landkreis. „Der Auftrag des Kreistags lautete: Das MVZ tritt nur dann auf, wenn die niedergelassenen Ärzte Stellen nicht besetzen können“, erläutert er.

Oliver Butsch, Persinaldirektor am Klinikum Tuttlingen, ist froh, dass das MVZ nun sogar zwei Kinderärztinnen beschäftigen kann.
Oliver Butsch, Persinaldirektor am Klinikum Tuttlingen, ist froh, dass das MVZ nun sogar zwei Kinderärztinnen beschäftigen kann. | Bild: Foto Hamma/Sabine Hamma

Als die Verantwortlichen von Abreika Burwak hörten, sei schnell klar gewesen: Neben den beiden Gynäkologen, einem Orthopäden und einem Chirurgen würde eine Kinderärztin gut ins Portfolio des MVZ passen. Bis die Ärztin ihre Praxisräume beziehen konnte, sei es jedoch ein langer und mitunter auch steiniger Weg gewesen, sagt Oliver Butsch. Hinzu kam noch Corona.

Erfahrenes Team in der Praxis

Letztlich habe es bis zur Erteilung der neuen Approbation rund eineinhalb Jahre gedauert. Da Abreika Burwak bisher nicht in Praxen, sondern ausschließlich in Kliniken gearbeitet hatte, sei es zudem wichtig gewesen, ein erfahrenes Team zusammenzustellen, das sich im Metier Praxisorganisation auskenne.

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Die Behandlung sei das eine, sagt Butsch, doch die Organisation einer Praxis mit Abrechnungen, Terminmanagement und allem, was sonst noch dazu gehört, sei der andere wichtige Teil. Umso mehr freue man sich, dass erfahrene Mitarbeiterinnen die jetzt zwei Ärztinnen unterstütze.

„Wir haben die Gunst der Stunde genutzt.“
Oliver Butsch, Personaldirektor am Klinikum Tuttlingen

Eine Portion Glück sei auch bei der Besetzung der zweiten Kinderarztstelle im Spiel gewesen: Als die Chefarztstelle für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Tuttlinger Klinikum neu besetzt wurde, habe sich gezeigt, dass die Ehefrau des neuen Chefarztes – Lama Khamis – angehende Kinderärztin sei, sagt Oliver Butsch. „Da haben wir die Gunst der Stunde genutzt.“

Das nun vergrößerte Team der Kinderarztpraxis: Die Medizinische Fachangestellte (MFA) Rina Paola Schaz, Gesundheits- und ...
Das nun vergrößerte Team der Kinderarztpraxis: Die Medizinische Fachangestellte (MFA) Rina Paola Schaz, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin Jennifer Sauter, die Kinderärztinnen Lama Khamis und Abreika Burwak, Praxismanagerin Vera Vukovic sowie MFA Damla Bayrak. | Bild: Aline Riedmüller

Man habe die Medizinerin daraufhin sowohl bei ihrer Weiterbildung als auch beim Antragsverfahren unterstützt, so dass auch ihre Auslandserfahrung anerkannt wurde. Mit Hilfe der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) sei es dann schließlich möglich gewesen, eine weitere Kinderärztin zu beschäftigen.

Oliver Butsch und seine Kollegen aus der Führungsriege denken schon jetzt weiter. „Wir arbeiten daran, weitere Kinderärzte auszubilden und zu befähigen, eine Praxis zu führen.“ Mit Abreika Burwak und Lama Khamis habe man die zwei Arztsitze mit tollen Ärztinnen besetzt – ein echter Glücksfall.

Junge Ärzte möchten angestellt sein

Dass der ländliche Raum junge Mediziner abschreckt, will Butsch so nicht sagen. „Wir haben uns hier sicher größeren Herausforderungen zu stellen als es in Ballungsräumen der Fall ist.“ Und doch gelinge es immer wieder, Kandidaten von den Vorteilen des Lebens im ländlich geprägten Raum zu überzeugen.

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Einen anderen Trend kann Oliver Butsch jedoch bestätigen: Nämlich, dass viele junge Mediziner lieber als Angestellte arbeiten und sich nicht als Einzelkämpfer in eigener Praxis von A bis Z um alles selbst kümmern wollen. „Man kann sich gegenseitig unterstützen, um Rat fragen, und auch in Urlaubs- oder Krankheitszeiten ist die Praxis nie unbesetzt.“