„Als was gehst du dieses Jahr?“ Hundertfach stellen sich Fasnetfreunde spätestens zu Dreikönig diese Frage, um zur Ball-Saison trefflich ausgestattet zu sein. Doch die Bälle sind abgesagt und die Umzüge mittlerweile sogar von der Landespolitik verboten. Die entscheidende Frage sein: Drängen die Erznarren dennoch auf die Straßen und Gässle im Narrennest Villingen.
So sieht es am Fuchsschwanz-Markt aus
Rainer Böck hat an der Villinger Niederen Straße ein schönes Fasnet-Schaufenster gerichtet. Die pralle Präsentation konterkariert die Lage. Böck verkauft Fuchsschwänze und lacht: „Der Fuchsschwanz-Markt ist nicht zusammengebrochen“, sagt er leicht sarkastisch und erklärt: „Da die Fastnacht heuer nur in homöopathischen Dosen kommen soll, verläuft auch bei uns das Fuchsschwanz-Geschäft entsprechend.“
Rotfuchs aus Deutschland und Silberfuchs aus Zucht bietet er an und ist über jeden verkauften Waddel glücklich. Er weiß: Wer zuhause am 6. Januar die Scheme ins Wohnzimmer hängt, der wird auch schon einmal von einem zerbröselnden Anhängsel an der Scheme überrascht.“ Solche Kunden gebe es derzeit häufiger, ansonsten spricht Böck von sehr geringen Umsätzen.
Die Kragenmacherei ist in Betrieb- ein Zeichen?
In der Kragenmacherei Sutermeister im Kurgebiet laufen die Kragen-Maschinen. Katrin Sutermeister sagt, dass auch dieses Jahr bis Mittwoch vor dem Schmotzigen alle Kragen gerichtet und abholbereit parat seien. Aber es sei 2022 „absolut deutlich weniger wie sonst“. Stückzahlen könne sie keine nennen.

Villingens schönstes Fastnachts-Geschäft liegt an der Oberen Straße. Wer in der Stadt unter Eingeweihten nach einem Stachihemd fragt, einem Krättle oder einem Wiener Schal, der bekommt zur Antwort: „Do gehschd zur Yvonne Schaumann.“
Tatsächlich: Schon die Schaufenster an der Hafnergasse lassen das Narren-Herz höher schlagen. Zwei Seniorinnen stehen hier und fachsimpeln vernehmlich über Grüninger Rollen.
Der Zauber einer besonderen Adresse
Wer das Geschäft betritt, der sieht zunächst nur Büstenhalter und Männerhosen. Yvonne Schaumann führt das Wäschegeschäft jetzt in sechster Generation. Villinger wissen: Der Fasnetgaoscht ist hier einen Stock höher zuhause.

Es ist ein malerischer Verkaufsraum, in dem die wahren Schätze präsentiert werden: Rosenmasch‘, Foulards aller Art, Stachihemden in unterschiedlichen Stoffausführungen und vieles mehr lockt hier auf engstem Raum.
Sie agiert im Sinne ihres Vaters
Yvonne Schaumann sagt, sie versuche, die Fasnetsachen im Sinne ihres verstorbenen Vaters beim Einkauf auszuwählen und anzubieten. Benne Schaumann war in der Zunft und für die Fastnacht eine besondere Persönlichkeit. Mit Strählkursen kämpfte er darum, dass die Kunst des Foppens und Neckens von Zuschauern am Straßenrand durch Hästräger nicht verloren geht.

Und wie laufen die Geschäfte kurz vor der zweiten Corona-Fastnacht? Yvonne Schaumann rollt ein wenig die Augen und formuliert es so: „Es ist noch Nachfrage da.“ Sie kann es sogar in Zahlen ausdrücken, was vom ansonsten hier pulsierenden Geschäft mit dem Fasnet-Häs übrig geblieben ist: „70 bis 80 Prozent weniger“, fasst sie die Lage zusammen.
Lässt sich aus Umsatz eine Fasnet-Prognose treffen?
Die spannende Frage ist, ob sich eine solche Quote auf den zu erwartenden Betrieb an den Fastnachtstagen ummünzen lässt. Yvonne Schaumann glaubt das nicht. Sie stellt fest, dass dieses Jahr viele ihr Häs erneuern und Dinge ergänzen, die lange schon hätten gemacht werden müssen. Sie zeigt auf eine ganze Regalflucht voll mit unterschiedlichen Stoffen. Damit werden die Hauben der Morbile ausgekleidet, sagt sie. Wie bei vielem in Villingen gibt es auch dafür besondere Kreationen, die dann auch anmutig zu Wiederschall und Scheme passen.
Spezielle Lage auch bei Kinder-Häsern
Häser aller Art für Kinder werden dieses Jahr „so gut wie nicht gekauft würden“. Sie fügt hinzu: „Jeder nimmt da nochmal das vom vergangenen Jahr, andernfalls wachsen die Kleinen ja auch rasch wieder aus so etwas heraus.“
Mit wieviel Sinn für das besondere Metier hier agiert wird, wird an unscheinbaren Details offensichtlich. Für die Villinger Fastnacht können Kunden hier beispielsweise nur im Geschäft einkaufen. Seit dem ersten Corona-Jahr habe Wäsche-Schilling zwar auch einen kleinen Onlineshop, hier aber die Fasnet-Schätze anzubieten, das bringt Yvonne Schaumann einfach nicht übers Herz.
Während im Erdgeschoss schnell ein rotes Halstuch mit weißen Punkten über den Ladentisch geht, bestätigt sie, dass „eigentlich ausschließlich Villinger hier einkaufen“.
Yvonne Schaumann ist in dem Geschäft groß geworden – und damit auch mit der Fastnacht. Die Familie, die das Haus in den oberen Etagen selbst bewohnt, hofft jetzt auf 2023. Für die Fastnacht, für die Narren – und aus einem weiteren besonderen Grund. 175 Jahre alt wird diese Villinger Einzelhandels-Adresse dann sein. Alle, die in diesem Haus ein- und ausgehen hoffen, dass dann ausgelassen gefeiert werden darf.