Zwischen den Jahren“, sagen wir heute, wenn wir die Tage und Nächte um Weihnachten und Silvester meinen. Es ist eine besondere Zeit, auch Rauhnächte oder Raunächte genannt. Meist werden als Raunächte die zwölf Tage ab dem ersten Weihnachtsfeiertag gerechnet, also vom 25. Dezember bis zum 6. Januar. Andere Zählungen beginnen bereits am Tag der Wintersonnenwende, dem 21. Dezember, und enden mit dem 1. Januar.
Zeit des Zaubers und der Weissagungen
Die Besinnung, Magie, Rituale und Bräuche, welche sich um die zwölf Rauhnächte ranken, auch als eine Zeit des Zaubers und der Weissagungen genannt, sind zum Teil viele Jahrhunderte alt und stammen aus Epochen, in der die Menschen sich die Natur und das Leben auf andere Art erklärten als heute. Raunächte, das klingt nach Kälte, Dunkelheit, nach Schnee und eisigem Wind.
Früher dachte man, an solchen besonderen Tagen würden sich die Grenzen zwischen den Zeiten und Welten auftun, so ähnlich wie an Halloween. Die Menschen haben versucht, sich diese Zeit über mythologische Sagen so zu erklären, dass die Stürme mystische Gestalten herbeigebracht hätten.
Geister in der Menschenwelt
Geister hätten der Zeit Ausgang in die Menschenwelt, so der Glaube von einst. Dabei erlebten viele diese Tage als einen merkwürdigen Zustand zwischen Besinnung mit der Frage „Wie war das alte Jahr“ und der Erwartung „Was kommt wohl im nächsten Jahr?“
Einem Bedeutungswandel sieht die Raunächte Tanja Mink unterworfen. Die Immendingerin arbeitet als Systemischer Coach, Dozentin, Trainerin und Heilpraktikerin Physiotherapie. Über den Zauber der Raunächte hat sie schon Vorträge gehalten.

Nach ihrer Erfahrung hat sich der Zeitgeist der Rauhnächte sehr verändert. „Vor noch zwei Generationen waren die Rauhnächte insbesondere für die landwirtschaftlichen Betriebe von großer Bedeutung“, sagt sie.
Zeit um neue Kraft zu sammeln
Die Generation unserer Großmütter und Großväter erinnerten sich an die weitervererbten Regeln und Handlungen, wie sie während der Zeit der Dunkelheit mit Natur, Tiere und Menschen achtsam umgingen, um damit neue Kraft und fruchtbare Ernten zu schöpfen.
Tanja Mink ist überzeugt davon, dass die alten Bauernregeln eine Weisheit in sich tragen, die uns auch heute noch weiterhelfen können. Dabei geht es um eine Zeit der Stille, die Wertschätzung der Natur und die Aufmerksamkeit des Umfeldes. „Vielleicht ist es an der Zeit, die eine oder andere Regel auf unsere moderne Zeit anzupassen und die sinnbildliche Deutung dahinter zu übertragen“, regt Mink an.
Doch in der aktuellen Zeit sei leider zu beobachten, dass die Raunächte oft belächelt oder als esoterischer Quatsch gesehen werden.
Moderne Geräte hebeln alte Regeln aus
Aufgelöst seien starre Regeln und Vorgaben bei den Raunächen. Wo es früher hieß, alle Maschinen stehen still, damit die Hausfrauen keine kraftraubende Wäsche waschen oder die Bauern nicht mit Muskelkraft das Feld pflügen mussten, unterstützen heute moderne Geräte den Alltag. Auch ist durch die Zeitverschiebung und den Differenzen zwischen Sonnen- und Mondkalender die Festlegung eines präzisen Zeitraumes der Raunächte nicht mehr möglich.

Zwischen Magie und Psychologie
Geblieben sei die besondere Magie, die vom Übergang vom alten in das neue Jahr ausgehe. In dieser Zeit geht es vielmehr um die Ruhe und inneren Einkehr. Aus psychologischer Sichtweise braucht es unsere Seele, sich von dem jährlichen Alltagsstress auszuruhen, über das Erlebte und innere Sichtweise zu reflektieren und achtsam die Zeichen der Natur wahrzunehmen.
Gerade in der aktuellen Zeit der Unruhe und Aggression sei ein Gegenentwurf zur vielfach erlebten Furcht vor Umweltzerstörung, Ausweitung des Ukrainekrieges und Wohlstandsverlust.
Im Einklang mit der Natur
Es wäre für uns heilsam, den Fokus in der dunklen Zeit auf Hoffnung zu setzen und damit mehr Licht und Frieden zu stärken. Bei sich selbst ankommen im Einklang der Natur mit innerem Frieden: Das wussten schon die Alten und Weisen vor hunderten von Jahren.
Die ersten schriftlichen Belege zu Percht, Göttin der Raunächte, stammen aus dem 12. oder 13. Jahrhundert. Der Legende nach hat sie damals darüber gewacht, dass die Menschen in dieser Zeit der Dunkelheit zur Ruhe kommen. Dies war auch die Zeit, in der sich viele Geschichten über böse Geister erzählt wurden. Die galt es auch durch Rauch und Räuchern zu vertreiben und damit eine reinigende Atmosphäre zu schaffen.
Alle häusliche Arbeit musste ruhen
Die Vorfahren lebten der Überlieferung nach in den zwölf Nächten still und zurückgezogen. Alle häusliche Arbeit, die nicht unbedingt erforderlich war, ruhte. Spindeln und Webstühle standen still. Waschen, Backen sowie Reinigen mussten so weit als möglich unterbleiben. Auch auf den Äckern und Feldern durfte keinerlei Arbeit vorgenommen werden.
Darum durfte nichts „umgehen“, das heißt, sich durfte nichts drehen, vor allem kein Rad am Wagen noch das Spinnrad, denn das Rad war das Sinnbild der Sonne, des Feuerrades, die um diese Zeit auch ruhte.
Reichlich Literatur im Internet
Manches ist über die Raunächte bis heute präsent. So wird im Internet eine beachtliche Zahl von Literatur zu dem Thema und von Tipps zum Ausräuchern von Wohnungen angeboten. In der Braunwurzhütte in Emmingen-Liptingen beispielsweise in diesen Tagen Räucheraktionen angeboten. Den Menschen geht des dabei weniger um Aberglauben, sondern vielmehr um Entschleunigung und Selbstbesinnung.