In Franz Knoblauchs Videothek in der Lehenstraße herrscht Abschiedsstimmung. Die Regale im „World of Video“ sind bereits nicht mehr prall gefüllt, viele Kunden kommen noch vorbei, um sich eine DVD oder Bluray einzupacken. Dieses Mal jedoch nicht, um sie auszuleihen, sie wird gekauft.
Das liegt daran, dass die letzte Donaueschinger Videothek nur noch den Juni über geöffnet hat – dann schließt sie für immer. Damit, sagt Inhaber Franz Knoblauch, endet auch eine Ära.
Jene Zeit, als Video-Kassetten und DVDs den Markt beherrschten. Wer vor Netflix, Disney Plus und Co. einen Film schauen wollte, der wartete auf das Angebot im Fernsehen, ging ins Kino – oder eben in die Videothek. Mit den Streaming-Diensten kam jedoch deren Niedergang.
Knoblauch konnte sich länger halten. Er führte seinem Geschäft auf mehreren Standbeinen. Neben der Ausleihe von Filmen und Videospielen konnten Kunden dort Pakete aufgeben, Schüler der nahen Realschule sich mit einer Pausen-Nascherei eindecken und Raucher konnten sich mit allerhand Bedarf, etwa für die Wasserpfeife versorgen.
Mittlerweile sind jedoch etliche Kosten gestiegen, „Strom, Wasser. Ich muss Gema-Gebühren entrichten. Ich konnte mich lange über Wasser halten. Bevor ich in die roten Zahlen komme, höre ich auf“, erklärt Knoblauch. Auch mit der Aussicht, dass die Realschule früher oder später auch ihren Standort wechseln wird.
Nur eine andere Videothek im Kreis
Im Schwarzwald-Baar-Kreis dürfte nun die Video Corner in der Villinger Saarlandstraße die letzte verbliebene Videothek sein. Inhaber Rainer Kammerer hat sein Geschäft allerdings auch auf mehreren Standbeinen aufgebaut: „Es gibt einen DHL-Paketshop und eine kleine Gaststätte.“ Und dann kommen eben auch noch Besucher, die Filme ausleihen. Kontakt zu anderen Videotheken habe er keinen.
Knoblauch weiß noch von einer Videothek in Konstanz, die auch über die Pakete am Leben gehalten werde. Am 16. Juni will Knoblauch einen Container kommen lassen. Was bis dahin nicht verkauft wurde, kommt dort rein. Vitrinen und die Regale, auf denen die neuesten Blockbuster präsentiert wurden.
Was an Filmen im Abverkauf nicht wegkommt, das nimmt er dann selbst mit. „Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt der Videotheken-Inhaber. Hätte er noch bis Dezember geöffnet, würde er die 25 Jahre voll machen.
Für Franz Knoblauch geht‘s im Autohaus weiter
Stattdessen hat er ab dem 1. Juli eine Festanstellung als Disponent in einem Autohaus. Bei allem Wehmut über das Ende der Videothek auch eine positive Veränderung in Knoblauchs Leben: „Nach so langer Zeit komme ich mal in den Genuss eines Wochenendes. Ich habe 30 Tage Urlaub und ein anderes Maß an Verantwortung wie in der Selbstständigkeit.“
Seine Kunden sind traurig über das Ende der Videothek: „Sie fragen mich, ob das ein schlechter Witz ist.“ Viele sind nicht nur gekommen, um sich einen Film zu leihen, sondern auch um einen Plausch zu halten, sich über die neuesten Erscheinungen auszutauschen.
Und schließlich hat das Schauen einer Video-Kassette oder DVD auch etwas an Entschleunigung. Wenn das Streaming-Angebot nicht gefällt, dann ist es mit einem Knopfdruck weg. Wer einen Film geliehen und dafür bezahlt hat, der schaut ihn auch.
Seit 20 Jahren in der Videothek
Das sieht auch Daniel Zastrow so. Er ist schon seit rund 20 Jahren Kunde in Knoblauchs Videothek. Damals gehörte noch ein weiteres Stockwerk dazu, überall standen noch Video-Kassetten. Im oberen Stock befinden sich inzwischen Wohnungen, die Videos sind verschwunden.
„Das hier hat den Charakter einer Sehenswürdigkeit“, sagt Zastrow. „Etliche Generationen wurden hier glücklich gemacht.“ Mit der Schließung laufe auch ein Generationenwechsel ab: „Die Jugend will alles komprimiert haben“, erklärt Zastrow. In die Schnelllebigkeit passe es nicht mehr, sich für einen guten Film Zeit zu nehmen: „Sehr schade.“
Dass es schade sei, das hört Knoblauch auch von vielen anderen, die jetzt – zum Schluss – noch mal vorbeikommen. „Ich muss dann auch sagen: ‚Wärst du immer gekommen, dann müsste ich nicht schließen‘.“ Was Knoblauch fehlen wird, das sei der Kontakt zu den Stammkunden, auch zu sehen, wie seine Kundschaft von Schulkindern zu Erwachsenen herangewachsen ist.
Die Leidenschaft für Filme wird ihm bleiben. Nur die Video-Kassette des „World of Video“ ist an ihrem Ende angekommen. Zurückspulen wird sie allerdings niemand mehr. Leider.