Die Schreiben sehen täuschend echt aus: Der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) schuldet Berthold Graf aus Villingen angeblich 590,52 Euro für ein „Präventionsmodul, verpflichtend für alle Unternehmen“.

Vermeintliche Post vom Gerichtsvollzieher

Der Finanzdienstleister EOS bittet angeblich mit 74,20 Euro für einen Kauf bei Amazon zur Kasse. Außerdem hat der Mediziner ein Schreiben erhalten, das angeblich von Obergerichtsvollzieher Ludger Roth aus Frankfurt stammt. Auch hier liegt die Betonung auf: angeblich.

Der Arzt Berthold Graf aus Villingen hat zuletzt mehrere Fake-Schreiben bekommen. Angeblich solle er ein „Präventionsmodul verpflichtend ...
Der Arzt Berthold Graf aus Villingen hat zuletzt mehrere Fake-Schreiben bekommen. Angeblich solle er ein „Präventionsmodul verpflichtend für alle Unternehmen“ bezahlen – obwohl er seine Praxis bereits an eine Nachfolgerin abgegeben hat. | Bild: privat

Alle Briefe haben eines gemeinsam: Sie wurden nicht von den angeblichen Absendern verschickt. Ganz im Gegenteil: Sucht man den genannten Obergerichtsvollzieher bei Google, stellt sich heraus, dass bereits die auf dem Brief genannte Adresse nicht stimmt.

„Auch ich wurde instrumentalisiert“

Anruf auf der Handynummer von Ludger Roth. Sofort schaltet sich die Mailbox ein: „Obergerichtsvollzieher Ludger Roth. Sollten Sie eine E-Mail der DGUV oder von EOS erhalten haben, teile ich Ihnen mit, dass es sich um ein Fake handelt. Bitte nicht reagieren und keine Zahlung vornehmen. Auch ich wurde instrumentalisiert. Vielen Dank und auf Wiederhören.“

Dass es sich um einen Betrugsversuch handelt, war auch Berthold Graf schnell klar: Der 77-Jährige hat seine Praxis, an die das Schreiben adressiert war, bereits an eine Nachfolgerin abgegeben und ist dort nur noch stunden- und vertretungsweise als angestellter Arzt tätig.

Die verräterische IBAN

„Zufällig hatte ich an dem Tag, als der Brief kam, einen Termin bei meiner Steuerberaterin“, sagt er. Auch ihr sei die Masche schon bekannt gewesen, weil offenbar auch schon andere Klienten die gleiche Post bekommen hatten.

In einem anderen Schreiben fordern Betrüger von Berthold Graf Geld für ein „Präventionsmodul verpflichtend für alle Unternehmen“. Dieses ...
In einem anderen Schreiben fordern Betrüger von Berthold Graf Geld für ein „Präventionsmodul verpflichtend für alle Unternehmen“. Dieses Schreiben wird im Namen der DGUV versandt, die bereits rechtliche Schritte eingeleitet hat. | Bild: Göbel, Nathalie

Die Steuerberaterin habe ihn auch auf ein verräterisches Detail des gefälschten DGUV-Schreibens aufmerksam gemacht: Als Bankverbindung für die angeblich überfällige Zahlung wird eine spanische IBAN angegeben.

Fake-Schreiben ähneln sich

Dass der Spitzenverband einer deutschen Versicherungsgruppe ein Konto in Spanien hat, ist mehr als unwahrscheinlich – wird aber womöglich unter dem Eindruck einer angedrohten Zwangsvollstreckung übersehen.

Ebenfalls auffällig: Die Aufmachung des Briefes ähnelt sehr derjenigen, mit der erst vor Kurzem Fake-Schreiben mit Zwangsvollstreckung drohten – aufgrund angeblich nicht abgegebener Einkommenssteuererklärungen. Auch hier war obendrein eine spanische IBAN angegeben.

Das aktuelle Fake-Schreiben (rechts) ähnelt sehr dem, das vor einigen Wochen unterwegs war. Auffällig: In beiden wird als Bankverbindung ...
Das aktuelle Fake-Schreiben (rechts) ähnelt sehr dem, das vor einigen Wochen unterwegs war. Auffällig: In beiden wird als Bankverbindung eine spanische Bank angegeben. | Bild: Göbel, Nathalie

Wenige Tage später hat Berthold Graf das nächste Schreiben erhalten: diesmal vom Finanzdienstleister EOS für eine angebliche Bestellung bei Amazon. Dabei weiß der Villinger gar nicht mehr genau, wann er zuletzt etwas bei Amazon bestellt hat. „Das muss mindestens ein halbes Jahr her sein“, sagt er. Er mutmaßt, dass sich die Betrüger gezielt ältere Adressaten aussuchen.

„Letzte außergerichtliche Zahlungsaufforderung“

Auch dieser Brief liegt der Redaktion vor, wirkt täuschend echt – und macht mit drastischen Worten Druck: „Letzte außergerichtliche Zahlungsaufforderung – Vollstreckungstitel liegt vor“ steht schon in gefetteten Buchstaben im Betreff. Weiter unten heißt es: „Vermeiden Sie unverzüglich die rechtliche Vollstreckung durch fristgerechte Zahlung.“

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Sowohl bei der DGUV als auch beim Finanzdienstleister EOS sind die Betrugsmaschen bereits bekannt. Auf ihren Internetseiten warnen beide vor der Betrugsmasche, die schon seit einigen Monaten kursiert. EOS betont: „Amazon ist kein Kunde von uns.“

Erste Mails tauchen Ende März auf

„Die ersten Mails zum Betrugsversuch haben uns am 30. März 2025 erreicht. Wir wurden von Unternehmerinnen und Unternehmern sowie von unserem Mitglied, der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN), dessen Logo die Schreiben neben dem DGUV-Logo trugen, auf die Betrugsmasche aufmerksam gemacht“, sagt Susan Haustein, Pressereferentin bei der DGUV.

Betrüger passen Methoden an

Inzwischen haben die Versender ihre Methode offenbar mehrmals angepasst. Zuletzt hätten sie den Betrieben auch mit Vollstreckungsmaßnahmen und Meldung unter anderem an die Schufa gedroht – so wie es auch Berthold Graf passiert ist.

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Die DGUV habe in der Sache am 1. April bei der Polizei Anzeige erstattet. Das Ermittlungsverfahren dauere an.

„Die DGUV hat außerdem Kontakt zur Schufa aufgenommen, da wir davon ausgehen mussten, dass sich möglicherweise besorgte Unternehmen wegen der Erwähnung in den Betrugsmails auch bei dieser melden“, so die Pressereferentin.