In der Region um Villingen-Schwenningen grassiert der Impf-Tourismus. Hintergrund ist: Alle Landkreise werden mit gleich großen Mengen von Impfstoff beliefert. Das heißt in der Konsequenz: In größeren Landkreisen wie Schwarzwald-Baar mit 212.000 Einwohnern ist der Impfstoff deutlich knapper als im Nachbarlandkreis Rottweil mit 138.000 Einwohnern oder wie im Landkreis Tuttlingen mit ebenfalls 138.000 Einwohnern.

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Einer, der das Problem offen anspricht, ist Niko Reith. Der FDP-Kreisrat aus Donaueschingen konfrontierte am Montag Landrat Sven Hinterseh und seine Verwaltung mit der Frage, ob es zutreffe, dass alle Landkreise gleiche Mengen an Impfstoff erhielten. Landrat Hinterseh bestätigte die Lieferungsumfänge. Alle Landkreise erhielten gleiche Mengen. Auch Hinterseh zeigte sich unglücklich über diese Umstände. Eine andere Bemessung des Lieferungsumfangs wäre begrüßenswert. Er forderte, die großen Impfzentren (Freiburg, Offenburg etc) aufzulösen und nur noch Kreisimpfzentren wie in VS zu beliefern.

Aus eigenem Erleben

Niko Reith erlebt im eigenen Familien- und Bekanntenkreis diese Entwicklungen, wie er im Gespräch mit dem SÜDKURIER darlegte. Alle, so Reith einleitend, hielten sich „vorbildlich an die Impfreihenfolge“. Und alle, die an der Reihe seien, würden sich über die Rufnummer 116117 für einen Impftermin anzumelden versuchen. Im Schwarzwald-Baar-Kreis gelänge dies wesentlich seltener. Meist, so Reith, „könnten stattdessen Termine in den Landkreisen Rottweil und Tuttlingen ergattert werden“. Und natürlich würden dann alle, die eine solche Offerte erreichen konnten, erfreut in die Nachbarschaft fahren, schildert Reith weiter.

In der Schwenninger Tennishalle steht alles parat – bis auf genügend Impfstoff.
In der Schwenninger Tennishalle steht alles parat – bis auf genügend Impfstoff. | Bild: Matthias Jundt

Nur: Diese Impf-Reisen sind politisch nicht gewünscht. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha hat sich zuletzt dergestalt erklärt, es gehe darum, solche Tendenzen zu verhindern. Allgemein wird kritisiert, dass es vor allem hochbetagten Senioren erspart bleiben müsse, Fahrten von 50 Kilometern und mehr für eine Impfspritze in Angriff zu nehmen. Wie verzweifelt manche Senioren versuchen, sich impfen zu lassen, wurde zuletzt zum Start des Kreisimpfzentrums Villingen-Schwenningen offenbar, als eine ältere Dame in ihrem Auto allein angefahren kam und auf gut Glück versuchte, eingelassen und geimpft zu werden. Die Impfzentren müssen solche Versuche abweisen. Wird aus der Impfrreihenfolge ausgeschert, gilt dies strafrechtlich als Unterschlagung von Impfstoffen.

„Unfair für das Impfteam“

Niko Reith sagt, diese Impfreisen seien „auch unfair für die tolle ehrenamtliche Arbeit in unserem Kreisimpfzentrum in Schwenningen“. Dort sei man schon nach Weihnachten startklar gewesen, bis dann der allgemein grassierende Impfstoffmangel offenkundig geworden sei. Das Kreisimpfzentrum VS startete deshalb erst Wochen später.

Das Kreisimpfzentrum in Schwenningen am 22.01.2021.
Das Kreisimpfzentrum in Schwenningen am 22.01.2021. | Bild: Matthias Jundt

Politische Anläufe, Villingen-Schwenningen mit einem großen größeren Impfzentrum ausstatten zu lassen, zerschellten bei der Landesregierung. Vor allem der CDU-Landtagsabgeordnete Karl Rombach hatte sich um den Jahreswechsel explizit dafür eingesetzt.

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