Wie kleine blutrünstige Pokémon liegen sie im Gras versteckt. Doch anders als bei den japanischen Sammel-Kreaturen will man Zecken meist nicht zu nahe kommen. Sie beißen sich in die Haut, saugen Blut wie ein Vampir.

Vor allem aber: Zecken profitieren von der allgemeinen Klimaerwärmung und erobern Regionen, die ihn bisher verschlossen waren. Und obendrein vergrößert sich Zeitraum, in dem sie aktiv sein können.

Ausgelöst wurde dieser Eroberungsfeldzug durch mildere Winter und höhere Sommertemperaturen, fasst Christiane Wagner-Wiening, Fachvirologin des Landesgesundheitsamtes, die veränderten ökologischen Bedingungen auch für den Schwarzwald zusammen.

Je wärmer, umso mehr Zeit haben Zecken

Zudem steige durch den Klimawandel auch die Durchschnittstemperatur in Höhenlagen, ergänzt Andrea Lehning. Sie ist Referentin für Wildkatzenschutz und Wald beim Bund Umwelt und Naturschutz (BUND). Dadurch dringen verschiedene Arten dieser Spinnentiere in Terrain vor, das zuvor zu kalt oder zu trocken war.

Andrea Lehning ist Referentin für Wildkatzenschutz und Wald beim BUND Baden-Württemberg.
Andrea Lehning ist Referentin für Wildkatzenschutz und Wald beim BUND Baden-Württemberg. | Bild: Dominic & Marilena Hahn

Neue Arten auch im Schwarzwald

Aus dem Mittelmeerraum seien etwa die Hyalomma und die Auwaldzecke nach Deutschland eingewandert. Die Hyalomma hat anders als ihre Artgenossen Augen. Das befähigt sie dazu, ihrer Beute aufzulauern und über viele hundert Meter zu verfolgen, schildert Andrea Lehning. Zudem können sie das Krim-Kongo-Fieber und Fleckfieber übertragen.

Üblicherweise werden Zecken aktiv, „sobald die Temperaturen an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen bei über sieben Grad Celsius liegen“, erläutert die Expertin.

Die Auwaldzecke werde wiederum bereits ab vier Grad aktiv und überlebe den Winter mit Leichtigkeit. Das eingewanderte Tierchen gelte als Überträgerin von so genannten Mittelmeerkrankheiten wie Anaplamose Bebesiose, so Lehning. Beides sei hauptsächlich für Hunde gefährlich, könne aber auch Menschen betreffen.

Eine Zecke auf der Spitze eines Grashalmes.
Eine Zecke auf der Spitze eines Grashalmes. | Bild: Patrick Pleul

Krankheitserreger im Blick behalten

Registrierte Fälle dieser Mittelmeerkrankheiten gab es bisher keine, heißt es aus dem Landesgesundheitsministerium. Dennoch: „Durch die neu einwandernden Zeckenarten werden auch neue Krankheitserreger eingeschleppt, die man zukünftig im Blick behalten sollte“, erwidert Andrea Lehning.

Da die Tierchen unter den gegebenen Umständen früher und länger aktiv werden können, schlussfolgert die Biologin Andrea Lehning: „Verlängert sich die Zeit, in der Zecken auf Wirtssuche gehen können, verlängert sich auch die Zeit, in der sie Krankheiten übertragen können“.

20 bis 30 Fälle mit FSME und Borreliose

Medizinisch zeichnen sich die neuen Gefahren in der Region noch nicht ab. Bislang gebe es keine Hinweise darauf, „dass sich die Erreger der von Zecken übertragenen Krankheiten verändert haben“, erläutert Virologin Christiane Wagner-Wiening.

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„In den vergangenen zwei bis drei Jahren hatten wir relativ viele Fälle mit FSME und Neuroborreliosen. Es waren etwa 20 bis 30 Fälle mit FSME im Jahr, Borreliose liegt ähnlich hoch“, sagt Hubert Kimmig, Direktor der Klinik für Neurologie am Schwarzwald-Baar-Klinikum.

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„Es ist nicht so, dass die Zahlen deutlich steigen – aber man kann sagen, dass die Anzahl der Fälle tendenziell steigt“, schätzt der Neurologe die Lage mit Blick auf die Patientenzahlen bei ihm im Klinikum ein. Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist Risiko-Gebiet. Daher empfiehlt Kimmig jedem eine Impfung gegen FSME.

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Ob und wie viele eingewanderte Zeckenarten den Schwarzwald erreicht haben, ist nicht bekannt. Laut Gesundheitsamt mache der Holzbock nach wie vor über 95 Prozent aus. Andrea Lehning schätzt allerdings, da die Arten aus dem Mittelmeerraum stammen, bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie auch im Schwarzwald angekommen seien.