Rolf Hohl

Geschichte, so sagt ein Sprichwort, wiederholt sich nur dann, wenn die Zuhörer beim ersten Mal nicht richtig hingehört haben. Die anstehende Innenstadtsanierung könnte dafür als Beispiel herhalten. Denn schon in den 1970er-Jahren hatte der St. Georgener Gemeinderat eine solche beschlossen, was zum heutigen Erscheinungsbild der Stadtmitte geführt hat. Es war ein Beschluss, mit dem auch der damalige Bürgermeister Günter Lauffer rückblickend haderte: „Aus heutiger Sicht darf ich feststellen, dass diese Mehrheitsentscheidung des damaligen Gemeinderates für das Aussehen unserer Innenstadt nicht glücklich war“, schrieb er in der 1991 erschienenen Festschrift zu 100 Jahren Stadterhebung St. Georgens.

Das neue Rathaus an selber Stelle heute: Einzig das Wohn- und Geschäftshaus am rechten Bildrand erinnert noch an die Zeit vor der Sanierung.
Das neue Rathaus an selber Stelle heute: Einzig das Wohn- und Geschäftshaus am rechten Bildrand erinnert noch an die Zeit vor der Sanierung. | Bild: Rolf Hohl

Gleichsam fanden an den Außenrändern des Planungsgebiets für die runderneuerte Kernstadt schon vorher beachtliche Veränderungen statt. Eine, die den Bürgern besonders nahe ging, war der Abbruch des alten Rathauses bereits im Jahr 1968. „Das war ein schöner alter Sandsteinbau, aber eben nur für manche“, erinnert sich Willi Meder. Er ist selbst Zeitzeuge und arbeitet die Stadtgeschichte bis heute im Verein für Heimatgeschichte auf. Allerdings sei der darauf folgende Rathaus-Neubau nicht nur dem Zeitgeist geschuldet, wie er betont. „Das alte Gebäude war in keinem guten Zustand mehr und konnte seiner Funktion kaum noch gerecht werden. Wenn man dort drin die Treppe hinaufgestiegen war, war es so eng, dass man kaum aneinander vorbeikam.“

Blick auf den Rathausplatz und das Café Schöner während der Schwarzwälder Heimatwoche 1964. Im Hintergrund ist auch die alte Post zu ...
Blick auf den Rathausplatz und das Café Schöner während der Schwarzwälder Heimatwoche 1964. Im Hintergrund ist auch die alte Post zu sehen, die der Stadtsanierung ebenfalls zum Opfer fiel. | Bild: Stadtarchiv

Die emotionale Debatte, die sich danach um die weitere Sanierung des Stadtkerns entfachte, sei bis in den Gemeinderat getragen worden, so Meder. Dort habe der Zusammenschluss „Junge Aktion“ die Umgestaltung des Zentrums mit Macht vorangetrieben – und sich letztlich durchgesetzt. „Besonders die Älteren im Gemeinderat standen dem kritisch gegenüber. Sie wollten zwar auch eine Sanierung, aber eben nicht so radikal“, schildert er. Mit den Folgen dieses Einschnitts, so sagt Meder, hat die Stadt bis heute zu tun. Auch beim Bildungszentrum auf dem Roßberg, das wenig später gebaut wurde, hat man den als modern geltenden Industrie-Baustil jener Zeit gleich beibehalten.

Bäume aus den Produktionshallen

Eine andere offensichtliche Veränderung ist die Stadtterrasse. Davon war Anfang der 1970er-Jahre noch nichts zu sehen, stattdessen stand dort der Industriebetrieb der Firma Heinemann, die sich zu dem Zeitpunkt bereits im Niedergang befand, wie sich Meder erinnert. „Teilweise wuchsen dort schon drei Meter hohe Bäume in den Produktionshallen, so heruntergekommen war das Gebäude.“ Noch lange Zeit habe die Stadt nach einem neuen Käufer für die riesigen Betriebsanlagen gesucht, bis viel später die Lösung mit dem Edeka und der Stadtterrasse geboren war.

Vorausblickend Tiefgarage gebaut

Der Innenstadtsanierung von damals kann Lokalhistoriker Meder im Rückblick dann aber auch etwas Gutes abgewinnen. Obwohl zu der Zeit noch wesentlich weniger Autos in der Stadt unterwegs gewesen waren, seien diese schon weitsichtig mit bedacht worden. „Eine Tiefgarage zu bauen“, so sieht er es heute ganz klar, „das war eine gute Idee.“