Es gibt Ereignisse, an die erinnert man sich gerne zurück. Und es gibt solche, an die erinnert man sich weniger gerne. Und dann gibt es Ereignisse, an die man am liebsten nie mehr erinnert werden möchte. So geschehen bei der Recherche zu unserer „Gedächtnis der Region“-Folge über die Firma Heinemann.

Viele Ex-Mitarbeiter winken ab

Mehrere als Zeitzeugen angefragte Heinemänner, wie sich die einst eng zu dem Unternehmen verbundenen Mitarbeiter selbst nannten, die Anfang der 1990er-Jahre das Ende des einstigen Maschinenbauunternehmens miterlebten, winkten auf eine Anfrage hin ab. Sie wollten mit dem Unternehmen, für das sie viele Jahre in Lohn und Brot standen, absolut nichts mehr zu tun haben. Zu tief ist offenbar bis heute die Wunde, die das Ende der Firma mit einstigem Weltruhm gerissen hat.

Für Alt-Bürgermeister ein dunkles Kapitel

Auch für St. Georgens ehemaligen Bürgermeister Wolfgang Schergel ist die Erinnerung an die Firma Heinemann ein eher dunkles Kapitel während seiner 16-jährigen Amtszeit.

Sinnbild eines Firmenniedergangs. Der verfallene Bau der Firma Heinemann, hier von der Ansicht Friedrichstraße in Richtung Schulstraße ...
Sinnbild eines Firmenniedergangs. Der verfallene Bau der Firma Heinemann, hier von der Ansicht Friedrichstraße in Richtung Schulstraße im Jahr 2005. | Bild: Sprich, Roland
Und so sieht der Straßenzug heute aus. Am linken Bildrand ist das Elisabethhaus zu erkennen. Daneben das untere Parkdeck des ...
Und so sieht der Straßenzug heute aus. Am linken Bildrand ist das Elisabethhaus zu erkennen. Daneben das untere Parkdeck des Einkaufsmarktes. | Bild: Sprich, Roland

„Während meiner Amtszeit haben wir viele Dinge auf den Weg gebracht, unter anderem die Marktpassage, den Flächennutzungsplan für das Gewerbegebiet Hagenmoos, die Erschließung neuer Wohngebiete oder die Generalsanierung der Wasserversorgung“, zählt Wolfgang Schergel auf.

Wolfgang Schergel war zwischen 1992 bis 2008 Bürgermeister der Stadt St. Georgen. Die Ära Heinemann beschäftigte ihn während seiner ...
Wolfgang Schergel war zwischen 1992 bis 2008 Bürgermeister der Stadt St. Georgen. Die Ära Heinemann beschäftigte ihn während seiner gesamten Amtszeit. | Bild: Sprich, Roland

Kein anderes Projekt forderte Schergel, der von 1992 bis 2008 Bürgermeister von St. Georgen war, jedoch über seine gesamte Amtszeit so sehr wie die Industriebrache auf dem Heinemann-Areal, das im damals als „Sanierungsgebiet 2“ ausgewiesenen Gebiet in der Stadtmitte lag.

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„Es waren sehr schwierige Verhandlungen“, fasst Schergel grob zusammen, was damals alles geschehen ist, bis die Stadt das Gelände endlich kaufen konnte. Und mit dem Kauf endeten die Probleme nicht. „Danach ging es an die Altlastensanierung.“ Die zog sich bis Anfang der 2000er Jahre.

Von der einstigen Pracht des Fabrikgebäudes ist nichts mehr zu sehen. Das Bild stammt von 2005.
Von der einstigen Pracht des Fabrikgebäudes ist nichts mehr zu sehen. Das Bild stammt von 2005. | Bild: Sprich, Roland
Heute steht an der Stelle das Altenheim Elisabethhaus der Evangelischen Altenhilfe.
Heute steht an der Stelle das Altenheim Elisabethhaus der Evangelischen Altenhilfe. | Bild: Sprich, Roland

Und um die Suche nach Investoren für das bereinigte Gelände. „Für mich war immer klar, dass ich keinen Discounter, sondern einen Vollsortimenter an der Stelle haben wollte.“ Mit der Ansiedlung des Edekamarktes habe sich der Wunsch erfüllt.

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Auch der Bau des Altenheims Elisabethhaus der Evangelischen Altenhilfe, wo Schergel von Amtes wegen im Aufsichtsrat war und deren Vorsitzender er seit knapp zwei Jahren ist, sei ein Glücksfall gewesen. „Das Thema Heinemann hat mich meine komplette 16-jährige Amtszeit beschäftigt. Und am Ende ist etwas Gutes dabei heraus gekommen“, fasst Wolfgang Schergel die schier unendliche Geschichte des Endes der Firma Heinemann zusammen.

Von dieser Seite aus fällt der Blick auf die ehemalige Maschinenhalle der Firma Heinemann. Das Bild stammt aus 2005.
Von dieser Seite aus fällt der Blick auf die ehemalige Maschinenhalle der Firma Heinemann. Das Bild stammt aus 2005. | Bild: Sprich, Roland
So präsentiert sich das Areal heute mit der Seitenansicht des Altenheims
So präsentiert sich das Areal heute mit der Seitenansicht des Altenheims | Bild: Sprich, Roland

Die Firma Heinemann gehörte einst zu den Vorzeigeunternehmen in der aufstrebenden Industriestadt St. Georgen. 1836 zunächst als Schmiede gegründet, erlangte das Unternehmen ab Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Produktion von Drehbänken und anspruchsvollen Werkzeugmaschinen Weltruf. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Firma Heinemann durch das Wirtschaftswunder einen Aufschwung, so dass der damalige Inhaber Hans Heinemann Arbeiter in Spanien anwarb.

Erster Konkurs 1979

In den 1970er Jahren wurde mit Lieferungen in die damalige Sowjetunion ein neuer Markt eröffnet. Nach dem ersten Konkurs der Firma 1979 kam mit Rainer Roland Lang neuer Wind in das Unternehmen. Zunächst als Konkursverwalter zur Liquidierung beauftragt, erkannte Lang das Potenzial, das in den hochwertigen, aber teuer produzierten Maschinen steckte.

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Er versuchte zunächst, das Traditionsunternehmen durch Zukauf günstigerer Einzelteile zu sanieren und neue Märkte zu erschließen, um das Unternehmen dann komplett zu verkaufen. Die Sanierung gelang, Verkaufsversuche scheiterten und so übernahm Lang die Firma Heinemann mit Hilfe von Kapitalgebern unter anderem aus den Reihen der Belegschaft 1982 selbst und führte fortan das alleinige Regiment. Lang baute die Geschäftsbeziehungen zu Russland weiter aus. Und setzte zusätzlich auf Geschäftsbeziehungen nach China.

1994 das endgültige Aus

Alle Bemühungen, Heinemann auf Kurs zu halten, scheiterten jedoch. 1994 musste Lang Konkurs anmelden und eine mehr als 150-jährige St. Georgener Industriegeschichte fand ihr Ende. Der Verfall der Firma, in der zuletzt nur noch 20 Mitarbeiter beschäftigt waren, wurde auch nach außen deutlich.

Das spöttisch als „vereinigte Hüttenwerke“ bezeichnete, immer wieder erweiterte und mit dem Umzug 1971 in den Neubau in der Industriestraße leer stehende Fabrikgebäude Werk 1 in der Schulstraße, verfiel zu einem Schandfleck in der Stadtmitte. Erst nach zähen Verhandlungen mit dem Eigentümer Lang gelang es der Stadt, das Areal zu kaufen. 2005 endete das Kapitel der Firma Heinemann endgültig mit dem Abriss.