Leise verabschiedet sich die Stadt aus der Wohnraumstrategie, die ursprünglich zum Ziel hatte, günstigen Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung zu schaffen. Der Technische Ausschuss soll nächste Woche einen Absatz eines Gemeinderats-Beschlusses vom Oktober 2018 aufheben. Dabei geht es um die Unterstützung und Entlastung von Bauträgern, die öffentlich geförderte Mietwohnungen errichten. Hier hätte die Stadt beispielsweise Grundstücke günstiger abgeben können, die Stellplatzverpflichtung oder Gebühren reduzieren.

Bei der Sitzung im vergangenen Oktober hatte eine Mehrheit des Rates es bereits abgelehnt, die Sozialquote für private Investoren, die neue Wohnungen bauen, einzuführen. Damit war bereits ein wichtiges Element der städtischen Wohnraumstrategie, bis 2020 rund 1000 neue Wohnungen allein im sozialen Wohnungsbau zu schaffen, weggebrochen. Die Quote gilt lediglich für Wohnungsbau auf städtischen Grundstücken, hier müssen 30 Prozent Sozialwohnungen entstehen.

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Als Gründe für die Aufhebung des Beschlusses nennt die Verwaltung die vielen öffentlich geförderten Mietwohnungen, die gerade überall in der Stadt erstellt werden, beispielsweise auf dem Gelände Alte Ziegelei in Schwenningen (103), Lyautey (20), Eschelen (63), Sperberfair (18), Mangin (210) und Lämmlisgrund (390). Allerdings sind viele diese Bauvorhaben noch reine Zukunftsmusik und es ist völlig offen, wann beispielsweise erste Wohnungen auf dem Mangingelände bezogen werden können. Das Bauprojekt im Lämmlisgrund ist angedacht, auch hier wird noch viel Zeit ins Land gehen, bevor Wohnungen entstehen.

Für die Caritas und die Diakonie, die viele Menschen in der Stadt betreuen, die verzweifelt eine Wohnung suchen, ist die Entscheidung der Verwaltung, den Beschluss aufheben zu wollen, nicht nachvollziehbar. Am Mittwoch war die Wohnraumstrategie, oder das, was von ihr noch übrig ist, auch Thema in der Sitzung der Liga der freien Wohlfahrtspflege.

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„Wir sind doch ziemlich irritiert, dass der Gemeinderat die Wohnraumstrategie in Teilen über Bord werfen möchte“, erklärt Anita Neidhardt-März, Geschäftsführerin der Diakonie. „Wir können auch nicht nachvollziehen, auf welchem Erfahrungshintergrund die Einschätzung beruht, dass es ausreichend bezahlbaren Wohnraum gibt, bzw. in Aussicht gestellt ist.“

Die Wartelisten der Baugenossenschaften würden deutlich zeigen, dass der Bedarf noch lange nicht gedeckt ist. „Diese Entscheidung, verbunden mit der Aussage, dass der günstige Wohnraum ausreicht, ist für all die betroffenen Menschen, die darauf angewiesen sind Wohnraum zu finden, der für sie bezahlbar ist, ein Schlag ins Gesicht“, urteilt Neidhardt-März.

Für Michael Stöffelmaier, Geschäftsführer der Caritas, ist der Vorschlag der Verwaltung ein „peinlicher Rückzieher“. „Es mag ja sein, dass die in Bau befindlichen Projekte eine gewisse Entspannung am Wohnungsmarkt schaffen. Es wird aber kaum verwundern, wenn wir aus unserer Beratungspraxis für Menschen mit Einschränkungen unterschiedlichster Art diese Entspannung noch nicht wirklich wahrnehmen“, betont Stöffelmaier.

Der Caritas-Verband bittet den Gemeinderat und Technischen Ausschuss den unter Ziffer 6 am 24. Oktober 2018 gefassten Beschluss nicht aufzuheben, sondern der Verwaltung für die Umsetzung einen längeren Zeitraum einzuräumen. „Mit dem Katalog könnte der Gemeinderat dann auch gezielter sozialen Wohnungsbau in bestimmten Quartieren fördern.“

Für Edgar Schurr von der SPD ist klar, dass es nicht ausreichend Sozialwohnungen gibt. Er betont, dass ja nicht nur Sozialwohnungen gebraucht werden, sondern es auch eine hohe Nachfrage nach günstigen Wohnungen gibt. Für die Zukunft sei die Stadt gut aufgestellt mit all den geplanten Projekten. „Es klemmt aktuell natürlich schon“, räumt der SPD-Fraktionschef ein. Seiner Meinung nach gehe es auch ohne die Maßnahmen zur Unterstützung privater Investoren, könne dieser Passus also aufgehoben werden.

Die Entscheidung darüber trifft der Gemeinderat am 16. Oktober, der Technische Ausschuss debattiert darüber am 8. Oktober ab 17 Uhr im Rathaus Schwenningen.