Er war etwa 30 bis 40 Jahre alt, mit 175 Zentimetern größer als die meisten seiner Zeitgenossen, er hatte schlechte Zähne und von diesen nicht mehr viele. Über den Fürsten, der um das Jahr 600 vor Christus im Grabhügel Magdalenenberg mit zahlreichen Grabbeigaben bestattet wurde, ist schon jetzt einiges bekannt und im Franziskanermuseum zu sehen – aber es gibt noch mehr.

Land fördert Museen

Im kommenden Jahr erhalten die Museumsbesucher einen neuen, digitalen Zugang zum hallstattzeitlichen Fürstengrab. Mit Hilfe von Fördermitteln in Höhe von 40.000 Euro des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst werden Museumsleiterin Anita Auer und ihr Team das Projekt „GeheimnisGräberei“ verwirklichen:

Schätze der Grabkammer

Eine Applikation auf Leih-Tablets, die mit Hilfe der Augmented Reality (Erweiterte Realität) spielerisch und dreidimensional erleb- und sichtbar macht, was sich einst in der Grabkammer befand. Bis zum Keltentag 2021 des Franziskanermuseums soll die App fertig sein.

Ein Blick auf den ersten Prototypen Video: Nathalie Göbel

„Wir freuen uns sehr, dass wir ausgewählt wurden“, sagt Anita Auer. Mit dem Programm „Digitaler Wandel an nichtstaatlichen Museen im ländlichen Raum“ unterstützt das Land vier Museen in Baden-Württemberg dabei, digitale Medien in der Wissensvermittlung einzusetzen.

Virtuelle Ergänzung

„Wir machen daraus kein Disneyland und keine Show“, sagt Peter Graßmann, Kunsthistoriker und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Franziskanermuseums. Das Herzstück der Ausstellung, die Grabkammer aus Eichenholz, bleibt unangetastet, wird aber virtuell um das ergänzt, was Grabräuber schon wenige Jahrzehnte nach der Aufschüttung stahlen.

Zaumzeug und Knochen

Verhältnismäßig wenig wurde bei den Grabungen in den Jahren 1890 und 1970 bis 1973 gefunden, darunter Skelett-Teile des Fürsten und Überreste eines Schweins, Teile eines Wagens und Pferdezaumzeug. Goldschätze, wie im Keltengrab Hochdorf bei Ludwigsburg, wurden in Villingen nicht gefunden. Doch hier helfen wissenschaftliche Erkenntnisse weiter:

Keramik und Waffen

„In hallstattzeitliche Gräber wurden praktisch immer dieselben Beigaben gelegt“, sagt Peter Graßmann. Dicht gefüllt mit Gefäßen aus Bronze und Keramik, Waffen und Trinkhörnern seien die Kammern gewesen, während die Toten in Tücher gehüllt bestattet wurden. Anhand der Größe der Grabkammer lasse sich beispielsweise hochrechnen, mit wie vielen Bronzegefäßen der Fürst bestattet wurde.

Wo sind die Schätze?

Die „GeheimnisGräberei“ nimmt den Besucher künftig mit in die riesige Grabkammer. Der verstorbene Fürst findet darin keine Ruhe, weil er seiner Schätze beraubt wurde. Mit Hilfe der Augmented Reality können sich die Museumsbesucher nun auf die Suche nach den verschollenen Grabbeigaben des Toten machen. Dafür müssen sie nicht nur mit offenen Augen durch die Ausstellung gehen, sondern auch Fragen beantworten.

Anita Auer über Augmented Reality Video: Nathalie Göbel

Auf die „GeheimnisGräberei“ bereitet sich das Museumsteam schon längere Zeit vor. Im vergangenen Jahr fanden immer wieder Coachings statt, mit dem Ziel, ein nachhaltiges Digitalprojekt zu entwickeln. „Etwas nur digital zu vermitteln, damit es digital ist, obwohl man es auch klassisch erklären könnte, ergibt keinen Sinn“, sagt Anita Auer. Der Besucher solle einen Mehrwert gewinnen.

Exponate im Vordergrund

In Museen würden durchaus Grundsatzdiskussionen darüber geführt, inwieweit die Digitalisierung Einzug in die Ausstellungen halten soll. „Wir halten an unserem Leitbild fest, wonach unsere eigenen Exponate im Vordergrund stehen“, sagt Anita Auer. Die Objekte sollen keinesfalls ersetzt, sondern ergänzt werden. Genau damit hat sich das Museumsteam zuletzt intensiv befasst.

Prototypen aus Lego

Unter anderem wurde ein Workshop mit einer Spiele-Entwicklerin angeboten und die Mitarbeiter wurden von der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg darin geschult, wie sich digitale Medien am besten einsetzen lassen. Dabei kamen auch ungewöhnliche Methoden zum Einsatz: „Wir haben beispielsweise Prototypen aus Knete und Lego gefertigt“, sagt Peter Graßmann.

In der neuen App wird natürlich kein SUV durch die keltische Grabkammer fahren: Vielmehr werden die Besucher einen Eindruck davon ...
In der neuen App wird natürlich kein SUV durch die keltische Grabkammer fahren: Vielmehr werden die Besucher einen Eindruck davon bekommen, mit welchen Gaben der Fürst bestattet wurde. Die Visualisierung veranschaulicht aber, was mit Hilfe der Augmented Reality möglich ist. | Bild: Peter Graßmann

Die digitale Umsetzung der „GeheimnisGräberei“ wird nun die nächste Herausforderung sein – nicht nur für das Museumsteam, sondern auch für die Firma, die nach einer Ausschreibung zum Zug kommen wird. Dadurch, dass die Grabkammer von allen Seiten aus betrachtet werden kann, muss die App so programmiert werden, dass sie auch von jedem Standort im Raum aus funktioniert. „Schließlich soll der Fürst nicht irgendwo herumschweben“, sagt Peter Graßmann lachend.

Grabwagen wird rekonstruiert

Auch wissenschaftlich biete das Projekt eine spannende Perspektive, sagt Anita Auer. So werde eine der nächsten Aufgaben sein, den nur teilweise erhaltenen Grabwagen authentisch zu rekonstruieren. Von dem aus dem Projekt gewonnenen Daten könnten künftig auch andere Museen profitieren. Als Mitglied im Verein „Keltenwelten“, einem Zusammenschluss von Stätten mit keltischer Geschichte, ist das Franziskanermuseum mit zahlreichen anderen Einrichtungen vernetzt.