Es ist das größte Wasserschadensereignis in der Region seit vielen Jahrzehnten: Am Wochenende war halb Schwenningen, rund 20.000 Menschen, nach einem Rohrbruch vom öffentlichen Wasserleitungsnetz getrennt. „Keiner kann sich bei den Stadtwerken erinnern, so was schon mal erlebt zu haben“, berichtet am Sonntagmittag Stadtwerke-Geschäftsführer Gregor Gülpen.

Hilfsorganisationen, Behörden, Versorger und Institutionen sahen sich mit einem Katastrophen-Szenario konfrontiert – und haben die Herausforderung gemeistert.

Doch wie konnte es zu dieser Situation kommen? Benjamin Breuer, der Betriebsleiter der Stadtwerke und Leiter des Krisenstabes, schilderte den Ausgangssituation wie folgt: An der Salinenstraße in Schwenningen, bei der Einfahrt zum Lebensmittelgroßmarkt Prohoga, soll eine alte Wasserleitung durch eine neue, größere Rohrleitung ersetzt werden. Am Montag, 3. April, sollte umgestellt werden.

Ein erstes Leck an einer Leitungsbaustelle

Doch zuvor kam es zum Desaster. An der Baustelle, an der auch ein Bagger im Einsatz war, ereignete sich am Freitagfrüh ein Wasserrohrbruch. Ein fahrlässiger Bauunfall mit dem Bagger? Die Frage bleibt unbeantwortet. Die genauen Umstände sind nach Aussage der Stadtwerke noch nicht geklärt. Auf jeden Fall: Die Schadensstelle wurde von den Verantwortlichen der Stadtwerke durch Absperrmaßnahmen über Schieber oder Klappen außer Betrieb genommen.

Fataler Druckstoß auf die Hauptleitung

Die Leitungsabsperrung der Leckstelle hatte aber ungeahnte Folgen. „Dadurch entstand ein Druckstoß im Leitungsnetz“, erläutert Breuer. „Der Druckstoß hat ausgereicht, um einen Folgeschaden auf unserer Wasserhauptschlagader zu verursachen“, schildert der Betriebsleiter. 300 Meter weiter, am Kreisverkehr von Salinenstraße und Neckarstraße barst daraufhin eine Wasserleitung. „In der ersten Stunde liefern dort 1000 Kubikmeter Wasser davon“, skizziert er das Ausmaß.

An diesem Kreisverkehr an der Salinenstraße, Einmündung Neckarstraße, war die große Bruchstelle an einer Hauptleitung des Schwenninger ...
An diesem Kreisverkehr an der Salinenstraße, Einmündung Neckarstraße, war die große Bruchstelle an einer Hauptleitung des Schwenninger Wassernetzes. Hier wurde in der Nacht auf Samstag stundenlang gearbeitet. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Das fatale war, dass dieser Schaden auf der Hauptversorgungsleitung der Schwenninger Wasserversorgung eintrat: Diese Leitung führt vom Südosten vom Hochbehälter Türnleberg in Richtung Eisstadtion und von dort ins Stadtgebiet hinein. Mit dem großen Leck auf der Hauptzuleitung war auf einen Schlag die Wasserversorgung von halb Schwenningen außer Betrieb.

Wassernetz in zwei Sektoren aufgeteilt

Was viele nicht wissen: Das Frischwassernetz in Schwenningen ist schon immer in zwei Bereiche aufgeteilt. In eine „Hochzone“ in den meist höher gelegenen westlichen Stadtbereichen und in eine „Niedrigzone“ im östlichen Bereich. „Die Trennungslinie läuft ungefähr vom Eisstadtion im Süden bis zum alten Schwenninger Klinikgelände im Norden“, beschreibt Stadtwerke-Chef Gülpen die Teilung des Wassernetzes.

In der Hochzone beträgt der Wasserdruck zwischen drei und sechs Bar Wasserdruck, in der Niedrigzone nur zwei bis vier Bar. Die Unterscheidung in die beiden Druckzonen ist notwendig, damit alle Bereiche des Wassernetzes „ausreichend Wasserdruck haben, aber keinen Überdruck“, erläutert Betriebsleiter Breuer.

Halb Schwenningen ohne Wasser

Durch den Leitungsschaden lief das gesamte Wasserleitungsnetz in der westlich gelegenen Hochzone leer, halb Schwenningen hatte auf einmal kein Wasser mehr. „Die Leitungen waren trocken, da war nur noch Luft drin“, schildert Breuer das Ausmaß des Abflusses.

„Netz in sehr, sehr gutem Zustand“

Zugleich betont er: Dieser Unfall sei durch den starken Schlag auf die Hauptleitung verursacht worden und keinesfalls Beleg für ein marodes Wasserleitungsnetz in Schwenningen. „Unser Netz ist in einem sehr, sehr guten Zustand“, betont Breuer. Wenn irgendwo kleinere Schäden sichtbar würden, werde stets der ganze Leitungsabschnitte erneuert.

Am Samstagmorgen um 5 Uhr hatten die Männer der Stadtwerke das große Leck bereits wieder repariert. Und die Stadtwerke begannen die Leitungen wieder mit Wasser zu füllen.

Bis am Samstagmorgen war das Leck in der Wasserleitung nach stundenlangen Arbeiten repariert.
Bis am Samstagmorgen war das Leck in der Wasserleitung nach stundenlangen Arbeiten repariert. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Allerdings hat das Krisenteam diese Befüllung sehr langsam und vorsichtig umgesetzt, um Folgeschäden zu vermeiden. Ziel ist es, die Luft langsam und stetig aus den Leitungen zu drücken, um eine Überlastung der Rohre zu vermeiden.

So kommt es, dass der Prozess der Befüllung längere Zeit dauert. Einige Haushalte hatten bereits am Sonntagvormittag schon wieder Wasser in ihren Leitungen, andere, höher gelegene Bereiche müssen länger warten. Um 18.57 Uhr am Sonntagabend kam die gute Nachricht. Alle Schwenninger Haushalte sind wieder mit Wasser versorgt. Nach wie vor wird das Wassernetz in Schwenningen auf Betriebsdruck gebracht, dieser wird weiter sukzessive erhöht. Wer noch kein Wasser hat, sollte sich an die Hotline unter 07721 827004 wenden.

Alle wussten, was zu tun ist

Betriebsleiter Benjamin Breuer äußerte sich am Sonntagmittag insgesamt hoch zufrieden über den Ablauf des Krisenmanagements und das Zusammenspiel der beteiligten Akteuer. „Selbst beim größten Wasserschadensereignis der Region wussten alle, was zu tun war und haben die Aufgabenstellung hervorragend abgearbeitet“, freute er sich.

„Die Menschen können sich auf ihre Institutionen verlassen“, befand auch Stadtwerke-Geschäftsführer Gregor Gülpen. Sein herzlicher Dank galt allen Beteiligten, der Feuerwehr, dem Roten Kreuz, das für die Notversorgung mit Trinkwasser Verstärkung aus ganz Südbaden bekam, dem Technischen Hilfswerk, der Stadtverwaltung sowie den 35 Mitarbeitern der Stadtwerke, die am Wochenende im Einsatz waren.

Wasser muss weiterhin abgekocht werden

Wie geht es nun weiter? Wenn der Normalzustand des Wassernetzes wieder hergestellt ist, was noch abzuwarten bleibt, wird das Gesundheitsamt das Wasser durch externe Labors beproben und untersuchen lassen.

Tatjana Ritter, die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes, äußerte sich mit dem Krisenmanagement sehr zufrieden. Im Bereich des ...
Tatjana Ritter, die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes, äußerte sich mit dem Krisenmanagement sehr zufrieden. Im Bereich des betroffenenen Schwenninger Wasserleitungsnetz gilt bis auf weiteres die Pflicht für die Bürger, das Leitungswasser abzukochen. | Bild: Stadler, Eberhard

Am Samstag hatte das Gesundheitsamt verfügt, dass alle betroffenen Haushalte in Schwenningen bis auf weiteres das Wasser aus ihren Hähnen abkochen müssen. Denn die Wasserhygiene ist im Schwenninger Netz nicht mehr gewährleistet. Die Leitungen werden daher derzeit verstärkt gechlort. „Das Abkochgebot gilt so lange, bis mehrere Wasserproben im betroffenen Netz biologisch in Ordnung sind“, verdeutlicht Ärztin Tatjana Ritter, die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes.

Klinik war nicht betroffen

Das Schwarzwald-Baar-Klinikum sei von dem Rohrbruch nicht betroffen gewesen und hatte immer Wasser, berichtete sie. Betroffene Altenheime in Schwenningen seien durch das DRK umfassend versorgt worden. Die Zusammenarbeit der Hilfsorganisationen und beteiligten Institutionen sei „hervorragend gewesen“, lobte auch sie das Krisenmanagement.

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