Wo einst die weltbesten Radios und Fernseher entwickelt und produziert wurden, soll bald ein neuer Gewerbepark entstehen. Die Rede ist von den alten Firmengebäuden der ehemaligen Villinger Traditionsfirma SABA. Zuvor aber wird es ein Paradies für Künstler, konkret, für Graffiti-Künstler.

Die Investoren und Grundstücksbesitzer, die Immobiliengruppe Richter (Mainz) und der Baukonzern Ten Brinke (Niederlande), wollen auf dem Firmenareal in den kommenden Jahren einen neuen Gewerbepark entwickeln. Der Abbruch der alten Saba-Gebäude ist nach dem Winter geplant, voraussichtlich ab Februar.
Das war Anlass genug für den Brigachtaler Graffiti-Künstler Jonas Fehlinger, bei Kai Engesser, dem Verantwortlichen Projektleiter der Ten-Brinke-Niederlassung in Stuttgart, seinen Wunsch vorzutragen: Zusammen mit seinem Freund Steffen Schulz hatte er die Idee entwickelt, die alten Gebäude vor ihrem Abriss noch einmal zu einem großen Graffiti-Kunstobjekt zu machen.
Kai Engesser war sofort begeistert und unterstützt das Team auch mit ein paar extra Spraydosen für ihre Arbeit. „Wir finden das eine tolle Idee, vor allem in Coronazeiten, wo alles so trübsinnig ist“, berichtet Engesser dem SÜDKURIER. Gesagt, getan: Am vergangenen Samstag ging es gleich los. Schnee, Regen, Wind und Kälte, egal, „das ist eine einmalige Gelegenheit, unserer Kreativität freien Lauf zu lassen“, freut sich Jonas Fehlinger.
Der Kunststudent hatte sich ja bereits seit langem in seiner Heimatgemeinde Brigachtal einen Namen gemacht, zuletzt durch die Neugestaltung einer grauen Trafostation bei der E-Auto-Ladestation am dortigen Rathaus. Auch in Villingen kennen ihn und Steffen Schulz inzwischen viele. Dort durften sie ein wunderbares Fasnet-Graffiti auf eine Mauer im Gerber-Eck sprühen.
Graffiti-Flächen ohne Ende
Ihr neustes Projekt sprengt aber alle Dimensionen. „Es war schon immer mein Traum, einmal so ein großes Gebäude komplett besprühen zu können“, freut sich Steffen Schulz. Dabei hofft er, dass noch jemand einen großen Hubsteiger zur Verfügung stellt, damit sie auch die oberen Stockwerke bearbeiten können. Auch alte Farbe und Spraydosen nehmen sie gerne als Spende an, die riesigen Flächen schaffen sie sonst nicht rechtzeitig vor dem Abriss.
Ein spezielles Motiv oder gar Vorgaben haben die beiden nicht. Sie nutzen die Gelegenheit, sich hier erneut auszuprobieren, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen und den kunstinteressierten Besuchern die ganze Bandbreite moderner Graffiti-Kunst zu zeigen. Das Thema SABA wollen sie aber auf jeden Fall mit einbauen, oder besser gesagt, einsprühen.
Dass ihr Kunstwerk nur von kurzer Dauer sein wird ist beiden bewusst. „Das ist ja gerade der besondere Reiz, ganz bewusst etwas Vergängliches zu schaffen und dennoch für die Nachwelt zu erhalten“, erklären die beiden Künstler. So planen Fehlinger und Schulz, ihre Arbeit mit vielen Fotos und Videos für die Zeit nach dem Abbruch zu dokumentieren. „Mal sehen, vielleicht können wir anschließend einen Bildband und einen kleinen Dokumentarfilm über unser Projekt erstellen und später in einer Ausstellung präsentieren.“

Bis dahin ist es nur noch ein kurzer Weg aber noch ganz viel harte Arbeit. So müssen die Spraydosen in dieser kalten Jahreszeit vor dem Sprühen aufgewärmt werden, die Künstler sowieso. Während ihrer Arbeit werden sie auch immer mal wieder von kritischen Zeitgenossen angesprochen, die sich wundern und das nur für illegale Verschandelung halten. „Daran haben wir uns gewöhnt, das muss man ertragen können, wenn man mit einer Spraydose arbeitet“, erklärt Steffen Schulz.

Inzwischen bekommen die beiden Hilfe von Jugendlichen, die mitarbeiten wollen. Fehlinger gibt gerne sein Wissen weiter und hat so die Chance, noch rechtzeitig vor dem Abriss fertig werden zu können. Und wer weiß, am Ende wird dann Fehlingers ganz großer Traum auch noch wahr, Villingen-Schwenningen in der Kunstszene zu einem Namen zu verhelfen, den Städte wie Mannheim, Basel oder San Franzisco im Bereich der Graffiti-Kunst schon lange haben und für ihre touristische Vermarktung aktiv nutzen.