Von seinen 77 Lebensjahren hat Gregor Gysi mehr als 30 im Bundestag verbracht, also sein halbes Erwachsenenleben. Das bringt dem Juristen nicht nur eine Menge politische Erfahrung ein, sondern ihm wird dadurch in der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags eine besondere Ehre zuteil: Er wird diese Sitzung als Alterspräsident eröffnen.

Gysi holte bei der Wahl am 23. Februar ein Direktmandat und Die Linke wurde in Berlin sogar stärkste Kraft. Und das, nachdem die Partei wenige Monate zuvor noch vor einem Scherbenhaufen stand. Nun: 8,8 Prozent, großer Jubel, viel Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Besondere Ehre als Alterspräsident

Wenige Tage nach der Rede als Alterspräsident wird Gregor Gysi dann in den Schwarzwald fahren. Am 31. März ist der Politiker beim VS-Forum in der Neuen Tonhalle zu Gast. SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz wird Gysi ganz bestimmt fragen, wie sich das anfühlte, vor dem neu zusammengesetzten Bundestag zu sprechen.

Diese Ehre wird laut Geschäftsordnung nicht dem ältesten Mitglied des Bundestags, sondern dem dienstältesten Mitglied zuteil – also dem Abgeordneten mit der längsten Zugehörigkeit. Gysi wird also diese Sitzung bis zur Wahl des Bundestagspräsidenten oder der Bundestagspräsidentin leiten. Das hat einen eingebauten Clou: Für diese Rede gibt es kein Zeitlimit. Für die Linke und für Gysi selbst wird das sicherlich ein symbolträchtiger Moment. Zum großen Aufschwung der Linken passt es hervorragend.

Der SÜDKURIER lädt in der Reihe VS-Forum regelmäßig spannende Persönlichkeiten in die Neue Tonhalle ein.
Der SÜDKURIER lädt in der Reihe VS-Forum regelmäßig spannende Persönlichkeiten in die Neue Tonhalle ein. | Bild: Hans-Jürgen Götz I SK-Archiv

„Mission Silberlocke“ und Auftrieb für Linke

Vor einigen Monaten glaubten selbst viele Linke nicht mehr daran, dass sie es überhaupt noch in den Bundestag schaffen würden. Vorangegangen war ein Jahr voller Wendepunkte für die Partei. Ende 2023 trennte sich, was lange nicht mehr zusammengepasst hatte: Die Linken-Bundestagsabgeordnete und Publizistin Sahra Wagenknecht gründete ihre eigene Partei, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Zuvor tobte über Jahre ein Streit über die Ausrichtung der Partei. Das BSW im Aufwind, die Linke auf Talfahrt – noch Mitte Januar lag die Linke in Umfragen bei vier Prozent.

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Eine wesentliche Rolle spielte beim großen Aufschwung Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek, die inzwischen ein TikTok-Star ist. Doch auch Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch sprachen Wählerinnen und Wähler an. Die „Mission Silberlocke“ startete im Herbst 2024 mit dem Ziel, drei Direktmandate für die Linke zu holen. Auch das hätte den Einzug in den Bundestag gesichert.

Von der PDS bis zur Linken

1990 wurde Gysi mit der Wiedervereinigung Deutschlands von der DDR-Volkskammer als einer von 144 Volkskammerabgeordneten in den bereits seit 1987 tagenden Bundestag entsandt. Er war zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). 2007 fusionierte die PDS mit der westdeutschen Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) zur Partei Die Linke. Gysi übernahm damals gemeinsam mit Oskar Lafontaine die Fraktionsführung. Seit der ersten gesamtdeutschen Wahl im Dezember 1990 wurde er, bis auf 2002, immer wieder gewählt und bringt es auf bisher neun Wahlperioden.

SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz wird das VS-Forum moderieren.
SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz wird das VS-Forum moderieren. | Bild: Jörg-Peter Rau I SK-Archiv

Wie steht es um unsere Demokratie? Darüber wird Stefan Lutz mit Gregor Gysi in Villingen diskutieren. Ein Abend mit Gysi wird eines in jedem Fall nicht: langweilig. Der 77-Jährige ist bekannt für seinen Humor, seine klaren Positionen und seine Schlagfertigkeit.

Im November 2024 hatte ein anderer äußerst schlagfertiger Politiker in Villingen für eine volle Tonhalle gesorgt. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer sagte im November 2024 beim VS-Forum unter anderem, die CDU sollte bei Regierungsbildungen auf Landesebene darüber nachdenken, mit der AfD zu koalieren. Was Gregor Gysi darauf wohl geantwortet hätte? Und wie der Linke dazu steht, oft in einem Atemzug mit der AfD genannt zu werden? Ach, und die Weltlage, die Sicherheit Europas? Die Fragen werden im Gespräch mit dem Politiker nicht ausgehen.

Livestream am 31. März aus der Tonhalle

Die Veranstaltung findet statt am Montag, 31. März, in der Neuen Tonhalle, Bertholdstraße 7, 78050 Villingen-Schwenningen. Ab 18 Uhr ist das Foyer geöffnet, ab 18.30 Uhr der Saal. Um 19 Uhr beginnt das VS-Forum.

Die Veranstaltung war bereits nach wenigen Tagen ausgebucht, wir übertragen am Abend im Livestream.