Im Hess-Prozess liegt jetzt der Ball bei den beiden Angeklagten. Am Mittwoch legte die Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mannheim einen formellen Verständigungsvorschlag auf den Tisch: Wenn die Angeklagten Christoph Hess und Peter Ziegler zu einem Teilgeständnis bereit sind, würden beide mit einer geringen Freiheitsstrafe zur Bewährung davon kommen. Beim nächsten Verhandlungstag am 7. April müssen sich die Angeklagten erklären, ob sie darauf eingehen. Daran dürften kaum Zweifel bestehen.
Einige Monate auf Bewährung
Nachdem sich die Verteidiger und das Gericht an zwei Erörterungsterminen über ein mögliches Strafmaß verhandelt hatten, hat das Gericht am Mittwoch ein Angebot als formellen Beschluss gefasst: Würden sich die Angeklagten beim Tatbestand der „unrichtigen Darstellung“ von Buchungen schuldig bekennen, dann hätten sie mit folgenden Strafen zu rechnen: Für Christoph Hess, den ehemaligen Vorsitzenden der Geschäftsführung, gäbe es eine Freiheitsstrafe zwischen sieben und maximal elf Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt würde. Die lange Verfahrensdauer wird aber strafmildernd mit vier Monaten angerechnet, so dass seine Bewährungsstrafe auf drei bis acht Monate schrumpfen würde.
Bei Peter Ziegler läge das Strafmaß bei einer Freiheitsstrafe in einem Korridor von einem Jahr und drei Monaten bis einem Jahr und sieben Monate. Das höhere Strafmaß begründet sich darin, dass Ziegler als ehemaliger Finanzvorstand des Unternehmens eine höhere Verantwortung für die richtige Darstellung in der Bilanz übernehmen muss. Auch diese Strafe würde zur Bewährung ausgesetzt. Aufgrund der mehrjährigen Verfahrensdauer würden ihm aber ebenfalls vier Monate Freiheitsstrafe erlassen, so dass die absehbare Reststrafe zwischen elf und 15 Monaten zur Bewährung liegen würde.
Symoblischer Akt?
Beobachter sehen in diesem Angebot letztlich eine symbolische Bestrafung, die dazu dient, das seit 2015 währende Verfahren jetzt zügig zu Ende zu bringen. Wie berichtet, hat die Wirtschaftsstrafkamer des Mannheimer Landgerichts und inzwischen auch die Staatsanwaltschaft sämtliche schwerwiegende Vorwürfe, die 2015 in der Anklageschrift gegen Hess und Ziegler erhoben wurden, fallen gelassen. Die harten Vorwürfe von Betrug, Untreue, Marktmanipulation, Kredit- und Subventionsbetrug, Verstoß gegen das Wertpapiergesetzt und anderen Delikte sind vom Tisch. Offen bleibt einzig der minderschwere Vorwurf der „unrichtigen Darstellung“ in der Bilanz. Hier geht es um die Frage, ob die Verbuchungen der Entwicklungskosten über die Hess-Entwicklungsgesellschaft Evros rechtlich korrekt waren oder ob hier Fehler gemacht wurden.
„Wir als Verteidiger sind überzeugt, dass es sich lohnen würde, auch die noch verbliebenen Vorwürfe der unrichtigen Darstellung zu entkräften“, sagte gestern der Anwalt von Christoph Hess, der Münchner Strafverteidiger Hartmut Girshausen gegenüber dem SÜDKURIER. „Wir stünden dann aber vor dem Problem einer umfangreichen Beweisaufnahme durch das Gericht“, fügte er hinzu. Dies bedeute die Verlängerung des Verfahrens um viele weiterer Prozesstage. Dies sei angesichts des gesundheitlichen Zustands seines Mandaten kaum vertretbar. Girshausen ließ durchblicken, dass die Angeklagten daher die angebotene gerichtliche Verständigung wohl akzeptieren werden.
Damit ist der Prozess allerdings noch nicht beendet. Das Gericht ist auch bei einer Verständigung verpflichtet, in die Beweisaufnahme einzutreten. Es soll daher noch zwei, drei Verhandlungstage geben, bei der Zeugen angehört werden. Am nächsten Mittwoch, 7. April, soll ein ehemaliger Mitarbeiter der Hess AG, der im Controlling beschäftigt war, vernommen werden.
Gericht will noch Zeugen hören
Externe Berater des Unternehmens solle ebenfalls noch gehört werden. Auf die Aussage des ehemaligen „Whistle-Blowers“, der die Vorwürfe gegen Hess und Ziegler ins Rollen brachte, wird das Gericht dem Vernehmen nach verzichten. Mit dieser „abgespeckten“ Beweisaufnahme will sie Kammer ihren bisherigen Eindruck abrunden. Ende April oder Anfang Mai könnte es nach Einschätzung von Hess-Verteidiger Girshausen dann zum Urteilsspruch kommen.