Wer in Villingen derzeit entlang einer Baumallee, der Ringanlage oder der Brigach schlendert, wird mit großer Wahrscheinlichkeit Bäume entdecken, deren Blätterdach nicht mehr gesund aussehen. Teilweise sind große Bereiche der Baumkronen braun gefärbt.
Bei näherem Hinschauen wird klar: Es handelt sich um Kastanienbäume, genauer gesagt Rosskastanienbäume. Was ist los mit ihnen? Sterben die Bäume jetzt ab? Wird es im Herbst 2022 kein Bastelmaterial für Kinder geben? Der SÜDKURIER hat nachgefragt.
Schädling frisst sich durch Blätter
„Nach Einschätzung unseres Baumkontrolleurs handelt es sich bei dem Schadbild um die Kastanienminiermotte“, teilt Verwaltungssprecherin Oxana Zapf mit und ergänzt: „Der Schädling kommt europaweit regelmäßig an Rosskastanien vor.“
Es gebe bislang aber keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse, inwiefern ein Befall mit Kastanienminiermotten zu einem Absterben einzelner Bäume führe. „Dazu fehlen Langzeituntersuchungen“, so Zapf. In VS seien solche Fälle bislang nicht bekannt.
Allerdings: Ein wiederholter Befall könne zu einer Schwächung der Bäume führen, da durch die Beschädigung der Blätter die Photosynthese-Leistung reduziert werde. Die aktuelle Klimaentwicklung begünstige das Überleben und die Verbreitung vieler Schädlinge.
Im VS-Wald kein Problem
Das sieht auch der stellvertretende Forstamtsleiter Roland Brauner so. Für den Stadtwald kann er jedoch eine vorsichtige Entwarnung geben, dass die Rosskastanie nur einen minimalen Anteil im Bestand ausmache und der Schädling nicht auf andere Baumarten überspringe.
Aber auch im Wald habe man immer wieder mit neuen Schädlingen und Krankheiten zu tun, begünstigt durch Klimawandel. Roland Brauner denkt dabei etwa an das Eschentriebsterben, das durch einen eingeschleppten Pilz verursacht wird.
Oder das Ulmensterben, verursacht durch den Ulmensplintkäfer, einer heimischen Unterart der Borkenkäfer, die jedoch seit einigen Jahren auch einen aus Nordamerika eingeschleppten Pilz übertragen, der die Bäume meist absterben lässt.
Mögliche Gegenmaßnahmen
Welche Möglichkeiten gibt es also, den Schädling zu bekämpfen oder zumindest an der weiteren Ausbreitung zu hindern? Dazu sagt Oxana Zapf: „Das wirksamste Mittel gegen die Vermehrung der Miniermotte ist die Beseitigung des Herbstlaubes.“ Dies erfolge in der Stadt regelmäßig und fachgerecht. Die Puppen der Motten überwintern nämlich im Laub.
Es existieren auch chemische Mittel, Klebefallen für die Stämme oder Duftfallen. Die größte Hoffnung liegt aber in der Natur selbst. Fressfeinde und Parasiten könnten den Motten folgen und so den Schädlingsbestand natürlich wieder ins Gleichgewicht bringen.
Bastelmaterial fällt kleiner aus
Bis es allerdings soweit ist, müssen Villinger wohl mit dem Anblick der braunen Kastanienblätter im Sommer leben und hoffen, dass die Bäume den Befall ohne Langzeitfolgen wegstecken.
Und es könnte noch eine weitere Einschränkung geben. Weil die Bäume geschwächt sind, vor allem bei einem starken Befall mit Kastanienminiermotten, könnte es im Herbst etwas weniger und vor allem kleinere Früchte geben als sonst üblich. Das beliebte, natürliche Bastelmaterial könnte daher weniger üppig vorhanden sein.