30.000 Kriegsgefangene aus aller Herren Länder waren von 1939 bis 1945 in Villingen interniert. Dazu diente im Zweiten Weltkrieg das Kriegsgefangenenlager mit der Bezeichnung Stalag 5b (Stammlager b im Wehrbereichskommando 5).
Derzeit sind die Archäologen auf dem Gelände und dokumentieren die baulichen Überreste und Fundstücke auf dem Gelände. Bei einem Presserundgang gaben sie einen Einblick, wie sie arbeiten und was sie gefunden haben.

Zu diesem Termin waren hochrangige Vertreter des Stuttgarter Landesdenkmalamtes nach Villingen gereist: Bertram Jenisch, der stellvertretender Fachbereichsleiter Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, der viele mittelalterliche Ausgrabungen in der Villinger Innenstadt vorgenommen hat, sowie Landeskonservator Jörg Bofinger, der Leiter des Referats Archäologische Denkmalpflege.

Sinn und Zweck der laufenden Rettungsgrabungen ist es, die baulichen Überreste eines Teils des Lagers archäologisch und fotografisch für die Nachwelt zu dokumentieren, damit die wissenschaftliche Forschung auf dieser Basis weitergeführt werden kann.
Die Überreste der Vergangenheit werden nämlich bald verschwinden. Das alte Kasernengelände, auf dem sich einst auch das Gefangenenlager befand, wird dem neuen Stadtquartier Oberer Brühl weichen. Im November sollen die Bagger auffahren und das Gelände frei machen für Neubauten und neue Straßen.
Alles war genormt
Bei der ersten Rettungsgrabung, die vom 30. Mai bis 15. Juli stattgefunden hat, haben die Archäologen die Grundmauern von vier Baracken und einen Latrinengebäude untersucht. Darunter befand sich auch das Vorlager, in dem die neuen Gefangenen eingewiesen wurden sowie der Arrestbereich.

Festgestellt wurde, so berichtete Betram Jenisch, dass die Holzbaracken in denen die Gefangenen untergebracht waren, alle acht Meter breit und 40 Meter lang waren. Dafür gab es im Dritten Reich eine genormte Produktion von Fertigteilen.
Im Lager befanden sich zeitgleich zwischen 2000 und maximal 4000 Gefangene. Die Ver- und Entsorgungsleitungen des Sanitärbereichs wurde nach dem Krieg vom neuen Nutzer, der französischen Armee, übernommen.

Der zweite Abschnitt wurde nach dem Abbruch einer Fahrzeughalle am 22. August begonnen. Untersucht wird aktuell der ehemalige Küchentrakt. Die Grabungen hat das Landesdenkmalamt der Firma Archäologische Ausgrabungen und Bauprojektbetreuung in Berlin (AAB) beauftragt.
Warum sich die Ausgrabung gelohnt hat
Diese Untersuchungen im zweiten Abschnitt sollen bis Ende September abgeschlossen werden. Dann werden Ausgrabungen aufgearbeitet und dokumentiert, die Fundstücke vom Landesdenkmalamt inventarisiert und konserviert. Sie werden schließlich im Zentraldepot in Rastatt aufbewahrt und können, beispielsweise für Ausstellungen, von dort ausgeliehen werden.

Relevante Einzelfunde waren unter anderem Absätze von Militärstiefeln, Essgeschirr und Zahnbürsten, Stacheldraht, Handwerkszeug, Uniformknöpfe und manche andere kleine Dinge. „Wir haben erstaunlich wenig gefunden“, berichtet Bertram Jenisch vom Landesdenkmalamt. „Das Lager wurde besenrein hinterlassen.“
Gleichwohl, so betonte er, hätten sich die Ausgrabungen gelohnt. Dinge wie Essgeschirr oder improvisierte Getränkebecher eröffneten „den unmittelbaren Blick“ in den Alltag der Gefangen und somit darauf, wie sie gelebt haben oder wie sie ernährt wurden. „Das war hier kein Sanatorium“, so sein Fazit. „Die Gefangenen wurden gerade so versorgt, dass sie arbeiten konnten.“
Dass der Arrestbereich mit einem dreifachen Stacheldrahtverhau umgeben war, sei aus den Plänen ebenfalls nicht ersichtlich gewesen. Aufgrund der Größe der archäologischen Grabungsfläche habe man die vorhandenen Lagerpläne „erst jetzt richtig lesen können“, unterstreicht Konservator Jörg Bofinger.
Zurecht ein wichtiger Erinnerungsort
Ungewöhnlich ist für die Archäologen, dass die Fundstücke aus der Eltern- und Großelternzeit und nicht etwa aus dem fernen Mittelalter stammen. „Hier ist Betroffenheit latent immer da“, unterstreicht der Archäologe.

Das ehemalige Gefangenenlager sei „zurecht ein Erinnerungsort“, der unter Denkmalschutz gestellt wurde. „Dies ist so wichtig wie die Urkunde von 999 zum Villinger Marktrecht.“ Auch die dunklen Seiten der Geschichte gehörten dazu.
Tag der offenen Tür für die Bürger
Mit einem Tag der offenen Tür für die Bürger wollen die Stadt und das Landesdenkmalamt das Ausgrabungsgelände nach Abschluss der Grabungsarbeiten der Öffentlichkeit zugänglich machen, kündigte Silvie Lamla an, die neue Leiterin des Grünflächen- und Tiefbauamtes.
Im neuen Stadtquartier soll eine Stele an die wechselvolle Geschichte dieses Geländes erinnern. Ende der 1920er-Jahre befand sich an dieser Stelle noch der Villinger Fest- und Messeplatz. Dann kamen das Militär und das Gefangenlager.