Nach der Ankündigung der Geschäftsleitung, im Conti-Werk in Villingen 170 Mitarbeiter abzubauen, „ist die Unsicherheit in der Belegschaft riesig“, berichtet Robert Brucker, der Betriebsratsvorsitzende, auf SÜDKURIER-Anfrage. Am Donnerstagnachmittag organisierte die IG Metall vor dem Werkstor des Automobilzulieferbetriebs die erste Protestaktion gegen den Personalabbau und für den Standort Villingen mit seinen rund 1350 Mitarbeitern.
Der Zeitplan
Alles soll jetzt sehr schnell gehen, um das Werk neu aufzustellen. „Als nächstes werden alle Abläufe angeschaut, jeder Stein umgedreht und Benchmarks für alle Abteilungen gesetzt“, schildert der erfahrene Betriebsratsvorsitzende des weitere Verfahren. „Dann wird von der Geschäftsleitung entschieden, was gemacht.“ Er rechnet damit, dass bereits Ende September die Verhandlungen zwischen Geschäftsleitung und dem Betriebsrat eröffnet werden. Bereits bis Jahresende, so das Ziel der Geschäftsleitung, soll der Umfang des Personalabbaus definiert sein, der Sozialplan und ein Interessenausgleich für betroffenen Mitarbeiter stehen und über die technische und organisatorische Neuausrichtung des Standorts entschieden sein.
Brucker geht davon aus, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen ebenfalls sehr zügig in den nächsten ein bis zwei Jahren durchgezogen wird. Hintergrund dieser einschneidenden Maßnahme ist, wie berichtet, die am 1. September durchgesickerte Verschärfung des Sparkurses im Continental-Konzern. Weltweit sollen 30 000 Mitarbeiter abgebaut werden, in Deutschland 13 000. Für Brucker, der als Betriebsrat auch im Wirtschaftsrat des Gesamtkonzerns sowie im Aufsichtsrat der Continental AG sitzt, war diese Ankündigung ein „harter Schlag“, wie er ihn in 20 Jahren noch nicht erlebt hat. Die Geschäftsleitung habe die Mitarbeitervertretung dieses Mal außen vor gelassen „und uns das Sparprogramm vor den Latz geknallt“.

Aufklären kann der Betriebsratsvorsitzende auch, wie es zur Zahl von 170 Mitarbeitern kommt, die abgebaut werden sollen. Dies sei zunächst der rein rechnerisch für das Conti-Werk in Villingen heruntergebrochene Anteil des Einsparprogramms nach Köpfen. Ob es am Ende tatsächlich zu einem Stellenabbau in dieser Größe kommt, bleibt dem Ergebnis der vorgesehenen Neuaufstellung des Villinger Werks sowie der Verhandlungen mit dem Betriebsrat vorbehalten. Möglicherweise gebe es auch die Chance, so Brucker, durch anderweitige Einsparungen den Personalabbau zu mildern. Beispielsweise durch eine Absenkung der Arbeitszeit ohne vollen Lohnausgleich oder vergleichbare Maßnahmen wie Lohn- und Gehaltsverzicht. Eine solche Maßnahme sei aber nur zeitlich befristet machbar und setze voraus, dass sich die Belegschaft solidarisch zeige.
Betroffen: Das Produktionswerk
Außerdem stellte der Betriebsratsvorsitzende klar: Die 170 angekündigten Personaleinsparungen am Standort Villingen beziehen sich rechnerisch bisher ausschließlich auf das Produktionswerk für Nutzfahrzeuge in Villingen mit seinen rund 750 Mitarbeitern. Das wäre dann jeder fünfte Beschäftigte im Villinger Conti-Werk. Nicht betroffen ist theoretisch das ebenfalls in Villingen angesiedelte Hauptquartier für den Geschäftsbereich „Commerical vehicles und Services“ (Nutzfahrzeuge und Dienstleistungen) mit seinen rund 500 Mitarbeitern. Dazu muss man wissen: Neben der Produktionsstätte ist Villingen zugleich Sitz des Hauptquartiers für die gesamten Nutzfahrzeugsparte von Conti mit zahlreichen Niederlassungen und weltweit rund 7000 Mitarbeitern. Allerdings, so verdeutlicht Robert Brucker, ist auch das Hauptquartier nicht völlig sicher vor Personalabbau. Denn sollte es zu betriebsbedingten Kündigungen kommen, dann müsse mit der Ausarbeitung eines Sozialplans auch eine Sozialauswahl unter den Mitarbeitern getroffen werden, wer gehen muss und wer bleiben kann. Und in diese Sozialauswahl – hier geht es nach Alter, Familienstand und anderen Sozialkriterien – würden alle 1350 Mitarbeiter am Standort einbezogen.
Was die Zukunft des Villinger Werks und den Erhalt des gesamten Standorts angeht, ist Brucker zuversichtlich. Der neue Geschäftsführer der Nutzfahrzeugsparte, der Franzose Gilles Marbire, habe sich klar dazu bekannt, dass Villingen das Hauptquartier bleibt und auch das Produktionswerk eine Zukunft hat. Der Wert und das Potenzial der Nutzfahrzeugsparte in Villingen und der daran geknüpften Dienstleistungen wie neue Fahrtenschreiber-Technologien seien von der Geschäftsleitung erkannt worden, betont Brucker. Deshalb soll dieses Werk neu aufgestellt, modernisiert und mit neuen Projekten ausgestattet werden.
„Technologisch ausgehungert“
Diese Neuaufstellung ist auch für den Betriebsratsvorsitzenden unverzichtbar. Der Produktionsstandort Villingen ist nach Feststellung Bruckers in den vergangenen Jahren von der Konzernspitze „technologisch ausgehungert“ worden. Neue, zukunftsweisende Projekte seien vor allem in osteuropäische Werke gegangen, in Villingen sei nur sporadisch was gemacht worden, kritisiert er. Diese Politik habe sich nun zum Glück geändert. Ziel der neuen Geschäftsleitung sei es, das Werk in der Konkurrenz zu anderen europäischen Conti-Niederlassungen wettbewerbsfähig zu machen: Durch Kostensenkung und neue Produkte und Technologien. So läuft in Villingen bereits ein Projekt für autonomes Fahren mit Lkws. Hier scheinen also positive Perspektiven für die Zukunft auf. Doch diese Perspektive hat ihren Preis. Brucker: „Positiv ist: Der Standort Villingen wird neu ausgerichtet. Aber der Personalabbau wird kommen.“
Die Frage ist, wie weit dieser sozial abgefedert werden kann. Brucker verweist auf Möglichkeiten wie Vorruhestand, Altersteilzeit oder Aufhebungsverträge. All diese Optionen werden in den Verhandlungen zur Debatte stehen.