Eine Vielzahl an Verordnungen hat der Gastronomie während der Pandemie den Betriebsablauf nicht gerade einfach gemacht. Eine stach dann allerdings hervor: das 2G-Optionsmodell – als die Alarmstufe die Regelungen noch nicht mit sich brachte. Das war eine Möglichkeit, die für viele Menschen ein Schritt zurück in die Normalität gewesen wäre. Mittlerweile haben Gastwirte diese Wahl aber gar nicht mehr.
Am 26. Oktober kündigte das „Ott“ über soziale Netzwerke an, das 2G-Optionsmodell einzuführen. Zwei Tage später sollten nur noch geimpfte und genesene Gäste empfangen werden. Im Gegenzug würde für Gäste und Personal die Maskenpflicht im Restaurant entfallen. Es „wäre schön gewesen, diese Normalität“, sagt Geschäftsführer Benjamin Bossert.
Die Entscheidung sei leicht gefallen, da die überwältigende Mehrzahl der Gäste ohnehin geimpft oder genesen sei. „Vielleicht ein Prozent der Gäste war getestet“, sagt Inhaber Domenico Wittkopf. Die Vorteile hätten einfach überwogen. Mit negativem Feedback, gerade auf den sozialen Netzwerken, habe man da schon gerechnet. „Man kann es nicht allen recht machen“, meint Wittkopf.
Negative Bewertungen noch vor Öffnung
Innerhalb von 30 Minuten gingen über Google etwa ein Dutzend negative Bewertungen ein, erinnert sich Bossert. Das Restaurant „war da noch gar nicht geöffnet“, sagt er. Bewertungen im Allgemeinen seien erwünscht, „dafür sind die ja da“, so Wittkopf. Besonders für neue Gäste seien sie wichtig. Allerdings sollten sie sich dann doch mit dem Gasthaus befassen. Die abgegebenen Kommentare aber hätten „null mit dem Restaurant zu tun“, meint Bossert.
Für die Menschen, die die Rezensionen verfasst haben, wäre das ohnehin nicht wichtig gewesen. Im Mittelpunkt stand nur die angekündigte 2G-Regel. Vereinzelt sollte vermeintlich der Eindruck erweckt werden, man hätte sich tatsächlich im Gasthaus aufgehalten. Es wurde von „Ausgrenzung“, „Diskriminierung“ und sogar der „Spaltung der Gesellschaft“ geschrieben, die das Gasthaus angeblich betreiben würde.
Manche Kommentare sind besonders heftig
Dabei ist es aber nicht in allen Fällen geblieben. Zwei Nutzer vergleichen das 2G-Optionsmodell mit der Zeit des Nationalsozialismus – mit den Gastronomen als Verantwortlichen. Ein anderer schreibt, „vielleicht ist euch die Spritze zu Kopf gestiegen?“.

Die Kommentare kamen nicht zufällig zur gleichen Zeit
Über eine E-Mail wurde Wittkopf von einem Gast dann auf etwas aufmerksam gemacht, mit dem Wirt nicht gerechnet hatte. Eine Gruppe in der Messenger-App Telegram hat gezielt dazu aufgerufen, negative Rezensionen für das Villinger Restaurant abzugeben. Nachdem in der Gruppe geteilt wurde, dass das Ott die 2G-Option nutzen will, wurden die rund 180 Mitglieder dazu aufgefordert, die Bewertungen negativ zu beeinflussen.

Mit Nachrichten wie „Man braucht circa 600 Stimmen, um euch von 4,7 Sterne auf 2 Sterne zu reduzieren“ sollten die Chat-Teilnehmer dazu angestachelt werden, selbst aktiv zu werden. Schnell wurde auch nachgelegt, dass alle Chat-Teilnehmer eine Bewertung abgeben sollten.

Ein Blick in die Chat-Gruppe
Obwohl die Telegram-Gruppe laut ihrem Namen lokal verortet ist, geht es aber bei Weitem nicht nur um regionale Themen. Ohne erkennbaren Zusammenhang werden Bilder, Videos und Links zu Artikeln aller Art geteilt, häufig ohne Reaktion aus der Gruppe. Dominierendes Thema sind Corona-Impfstoffe und die Pandemie, die allerdings nicht in ihrer Ernsthaftigkeit anerkannt wird. Ein Teilnehmer teilt einen Link zum Kauf von Impfpässen, die er als „Freiheitspass“ bezeichnet.

Das Ott entscheidet sich doch gegen 2G – aber aus einem anderen Grund
Intern wurde die Entscheidung, auch nach Veröffentlichung weiterhin besprochen. Am Tag darauf wurde sie zurückgenommen. Grund dafür waren laut Inhaber aber nicht etwa die negativen Kommentare und Bewertungen. Tatsächlich sei es eine rein wirtschaftliche Entscheidung gewesen. Gruppen, bei denen häufig eine oder zwei Personen ungeimpft seien, würden komplett wegfallen. Gerade zum Winter hin, wo Weihnachtsfeiern stattfinden, sei das wichtig.

Auch auf die Ankündigung, dass man bei 3G bleiben wolle, gab es erneute Kommentare. Die „positive Seite hat es auch gegeben“, sagt Bossert. Durch die jetzt geltende Alarmstufe wurde den Gastronomen die Entscheidung allerdings aus der Hand genommen: Es gilt für alle generell 2G.
Wie geht es weiter?
Die negativen Bewertungen fallen ins Gewicht, auch wenn es nur wenige sind, die den über 1000 vorherigen gegenüberstehen. Besonders ärgert es den Inhaber, dass sie augenscheinlich von Menschen kommen, die selbst noch nie im Gasthaus waren. Das sei aus den Profilen der Kommentierenden ersichtlich. Und tatsächlich: Einige der Nutzer haben es sich wohl zur Aufgabe gemacht, möglichst viele Gaststätten wegen ihren 2G-Plänen negativ zu beurteilen. Die Leute „bewerten einen Laden schlecht, in den sie nicht gehen“, sagt Bossert. Auch deshalb habe man die betreffenden Rezensionen bereits bei Google gemeldet.
Das sagt die Polizei
Aus Sicht der Polizei ist es laut Pressesprecher Jörg Kluge vom Polizeipräsidium Konstanz schwierig, gegen diese Art von schlechten Bewertungen strafrechtlich vorzugehen. Es müsse ein konkreter Straftatbestand vorliegen, etwa eine Beleidigung oder eine „Behauptung wider besseren Wissens“, so Kluge. Man „kann sich nicht dagegen wehren“, wenn auf Grund der 2G-Ankündigung pauschal schlecht bewertet würde.
Das sagt der Anwalt
Auch Zivilrechtlich gibt es in solchen Fällen nur wenig Aussicht auf Erfolg. Tobias Wenning von der Anwaltskanzlei Blessing und Berweck in Villingen erklärt, dass es hierbei auf die Einzelfälle und Formulierung ankommt. Kritische Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt, solange sie faktisch korrekt und nicht beleidigend sind. Gerade bei Bewertungen ohne Text könne man „faktisch nichts unternehmen“, es gebe „keinen Anhaltspunkt, um sich dagegen zu wehren“, sagt Wenning.