Umsatzrückgänge und Corona-Frust. Das zurückliegende Weihnachtsgeschäft wird von Unternehmern im stationären Einzelhandel in Villingen-Schwenningen als wenig erfreulich eingestuft. Die Einführung der 2G-Regel im Einzelhandel stößt bei einigen Geschäftsleuten auf deutliche Kritik.
Nach Erfahrung von Tanja Broghammer, Inhaberin des gleichnamigen Damen-Modegeschäfts an der Villinger Rietstraße, sind durch die 2G-Auflagen viele Kunden erst gar nicht in die Stadt gekommen. „Wir hatten durchaus ein Weihnachtsgeschäft“, sagt sie, „aber es war nicht vergleichbar mit sonstigen Jahren.“
„Deutlich weniger Umsatz“
Die Textilbranche in Deutschland habe im Vorweihnachtsgeschäft ein Umsatzminus von rund 30 Prozent hinnehmen müssen. In ihrem Geschäft sei es dank einer Prospektaktion wahrscheinlich etwas besser gelaufen. Aber sie rechnet mit „deutlich weniger Umsatz“ als früher. Vor Weihnachten seien auch sichtbar weniger Menschen in der Fußgängerzone unterwegs gewesen.

Die Geschäftsfrau stellte generell den Sinn der 2G-Regel für den Einzelhandel in Frage. „Ich glaube nicht, dass der Einzelhandel ein Pandemietreiber ist“. Im Einzelhandel könne man super einkaufen ohne Ansteckungsgefahr, ist sie überzeugt.
2G-Regel tut dem Handel richtig weh
Hansjörg Stähle, der in Villingen, Schwenningen und Bad Dürrheim drei Sportgeschäfte (Intersport Stähle) betreibt, sagt es noch deutlicher. „Die 2G-Regeln tun uns richtig weh und blockieren uns“, stellt der Einzelhändler fest. Aus seiner Sicht völlig unberechtigt. Das Robert-Koch-Institut (RKI) als zuständige Bundesbehörde habe klar festgestellt, dass der Einzelhandel kein Treiber des Infektionsgeschehens sei.

Dennoch werde der Einzelhandel außerhalb des Lebensmittelbereichs von der Politik gezwungen, den Impfstatus der Kunden zu überprüfen. Das Ergebnis seien weniger Kunden, weniger Umsätze und ein höherer Personalaufwand für die Geschäfte. Seine Bilanz: „Wir liegen leicht unter dem Umsatz des Weihnachtsgeschäfts von 2019,“ sagt Stähle. Und das sei damals kein gutes Jahr gewesen.
Handel von der Politik „missbraucht“
Seine Kritik an der Landespolitik: „Wir werden für erzieherische Maßnahmen an der Bevölkerung missbraucht.“ In Schleswig-Holstein müssten die Einzelhändler ihre Kunden nur stichprobenartig kontrollieren und würden von Polizei und kommunalen Ordnungsdiensten unterstützt. In Baden-Württemberg indes werde der gesamte Kontrollaufwand dem Handel aufgebürdet.
„Ich gehe bei der Pandemiebekämpfung bei allem mit, was wissenschaftlich belegt und sinnvoll ist“, betont Stähle. Doch die Sinnhaftigkeit der 2G-Regel im Einzelhandel sei nicht belegt. Während im stark von Kunden frequentierten Lebensmittelbereich keine Kontrollen erfolgten, werden den anderen Händlern massive Auflagen gemacht. Hier finde eine klare Benachteiligung des stationären Nicht-Lebensmittel-Handels statt.
Genervte Kunden vor der Tür
„Allgemein weniger Weihnachtsgeschäft als sonst“, registrierte auch Maria Ibach, Verkäuferin im Schuhhaus Deichmann in Villingen. „Die Leute sind genervt, wenn sie vor der Tür stehen und nicht gleich ins Geschäft kommen dürfen.“ Ihr Eindruck: „Ein gutes Weihnachtsgeschäft war das nicht“.
Umsatzrückgänge konstatiert auch Thomas Herzog-Singer vom Fotogeschäft Singer in der Oberen Straße. Das Porträt-Geschäft zu Weihnachten sei spürbar zurückgegangen, berichtet er, vermutlich wegen der 2G-Anforderungen. Und sonst? Da er im Geschäft viele eigene Produkte mit originellen Villinger Fotomotiven anbieten kann, die bei den Kunden als Geschenkideen sehr gut ankommen, sei der Rückgang in diesem Segment relativ moderat ausgefallen, so der Inhaber.

„Das Weihnachtsgeschäft spiegelt die Gesamtsituation im Land wider“, sagt Stefan Kleyling vom Uhren- und Schmuckgeschäft Grießhaber in Villingen. Angesichts der Pandemie sei die Lust der Leute auf Weihnachtseinkäufe sehr gedämpft gewesen, die 2G-Regel habe außerdem die Ungeimpften ferngehalten. In der Stadt sind nach seinem Eindruck rund ein Drittel weniger Kunden unterwegs gewesen. Erst sehr spät, rund zwei Wochen vor Weihnachten, sei das Geschäft spürbar angezogen und habe sich in dieser Zeit „noch recht positiv entwickelt“.
Mehr als ein blaues Auge
Doch damit konnten die Einbußen der vorangegangenen Wochen nicht mehr aufgeholt werden. „Mit nur einem blauen Auge sind wir nicht davon gekommen“, stellt Kleyling klar. Die Umsatzrückgänge seien deutlich spürbar. „Hoffentlich wird es besser“, sagt der Geschäftsmann mit Blick aufs neue Jahr. „Wir müssen schauen, dass wir unsere Stammkundschaft halten.“

„Das Weihnachtsgeschäft war gekennzeichnet durch die 2G-Regel“, sagt auch Michael Röther, der Geschäftsführer des Modefilialisten Röther aus Michelfeld (Landkreis Schwäbisch Hall), der auch in Villingen einen großen Modepark betreibt. Röther geht davon aus, dass das Unternehmen im November und Dezember infolge der Coronaauflagen rund 20 Prozent des üblichen Umsatzes verloren hat.
Auf der anderen Seite seien die staatlichen Überbrückungshilfen nicht eingegangen, zumindest nicht bei seinem Unternehmen. „Das muss ein Betrieb erst einmal durchstehen können“, warnt Röther.
Röther zuversichtlich für 2022
Für den Modepark selbst sieht er indes keine existenziellen Probleme und schaut sogar mit gewissem Optimismus nach vorne. Er erwarte keinen weiteren Lockdown für den Einzelhandel, es sei bekannt, dass die Branche kein Pandemietreiber sei. In seinem Unternehmen habe es bisher keinen einzigen Fall gegeben, bei dem sich Mitarbeiter am Arbeitsplatz angesteckt hätten. „Ich glaube, dass wir 2022 nicht mehr schließen müssen und wieder durchstarten können“, bekundet Michael Röther.