Vorbilder gibt es genug, doch Villingen-Schwenningen will sich widersetzen. Die Verpackungssteuer – in Städten wie Tübingen und Konstanz längst eingeführt – soll es nach dem Wunsch der Stadtverwaltung in der Doppelstadt nicht geben.

Diese Steuer, so das Urteil aus der Kämmerei, führe nur zu einer Zunahme bürokratischer Detailregelungen bei minimalem Wirkungsgrad. Daher rät die Verwaltung dringend davon ab, diese Einnahmequelle anzuzapfen.

Der Verwaltungs- und Kulturausschuss befasst sich mit dieser Frage am Mittwoch, 30. April, der Gemeinderat fasst acht Tage später den Beschluss. In Villingen-Schwenningen beteiligen sich Gastronomen bereits am System Recup, wie Jochen Schwarzwälder vom Zum Kuckuck. Er steht Mehrweg durchaus offen gegenüber, warnt aber vor einer Steuer. „Man darf die Menschen nicht so gängeln“, sagt der Gastronom.

Appell der Deutschen Umwelthilfe

Die Verwaltung hat es sich mit Frage zur Einführung einer Verpackungssteuer nicht einfach gemacht. Auf einer achtseitigen Vorlage legt sie die Gründe dar, warum sie dem Beispiel aus Tübingen nicht folgen will und dem Gemeinderat empfiehlt, einen entsprechenden Antrag der Deutschen Umwelthilfe abzulehnen.

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Am 26. Februar 2025 hatte Oberbürgermeister Jürgen Roth ein Schreiben aus Berlin erreicht, Villingen-Schwenningen möge doch eine örtliche Verbrauchssteuer auf die sogenannten Einweg-Takeaway-Verpackungen einführen und sich damit der Kampagne „Pflastikfreie Innenstädte“ anschließen. Bürgerinnen und Bürger aus Villingen-Schwenningen, schreibt der streitbare Verein aus der Bundeshauptstadt, hätten diese Bitte geäußert.

Verwaltung befürchtet Verteuerung der Speisen

Folgt der Gemeinderat der Expertise aus der Finanzverwaltung, wird es aber soweit nicht kommen. Nach der Auswertung von Daten und Studien gelangt das Rathaus zu dem Ergebnis, dass es mit der großen Innovation aus der Universitätsstadt mit ihrem rührigen Oberbürgermeister Boris Palmer nicht allzu weit her ist.

Boris Palmer, hier beim VS-Forum im vergangenen Jahr, hat als Oberbürgermeister der Stadt Tübingen dort eine Verpackungssteuer ...
Boris Palmer, hier beim VS-Forum im vergangenen Jahr, hat als Oberbürgermeister der Stadt Tübingen dort eine Verpackungssteuer eingeführt, die in den letzten Monaten auch von anderen Städten übernommen wurde. In Villingen-Schwenningen ist die Verwaltung allerdings skeptisch. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Im Ergebnis sorge die Steuer dafür, dass sich Speisen und Getränke verteuern. Damit nicht genug: Der Umstieg von Einwegverpackungen auf Mehrweg bleibe weitgehend aus.

Umwelthilfe widerspricht

Elena Schräg, stellvertretende Bereichsleiterin für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe, widerspricht energisch. „Verpackungssteuern lassen sich mit vertretbarem Aufwand einführen und verursachen keine unverhältnismäßige Bürokratie“, betont die Müllexpertin auf Anfrage des SÜDKURIER.

Zudem habe die Einführung zu einer „sichtbaren Reduktion der Vermüllung von Straßen, Parks und Plätzen durch Einwegverpackungen“ geführt, wie eine Umfrage der Stabsstelle Umwelt- und Klimaschutz der Stadt Tübingen ergeben habe.

50 Cent pro Einweggeschirr

Das Tübinger Modell sieht vor, dass Endverkäufer wie Supermärkte, Tankstellen, Bäckereien, Metzgereien, Kantinen, Gaststätten und Vereine 50 Cent pro ausgegebener Einwegverpackung an die Stadtkasse entrichten müssen. Dasselbe gilt für Plastikgeschirr und -besteck. Tübingen mit seinen 91.000 Einwohnern kommt dabei auf zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von einer Million Euro. Villingen-Schwenningen dürfte bei einer ähnlichen Einwohnerzahl auf einen vergleichbaren Wert kommen.

Stadt befürchtet hohen Bürokratieaufwand

Doch diese Million ist für die Stadt nicht reizvoll, steht ihr doch laut eigener Darstellung ein beträchtlicher Verwaltungsaufwand gegenüber. Die Kämmerei rechnet damit, zusätzliches Personal einstellen zu müssen, und neben anderen hinzukommenden Arbeiten seien Vor-Ort-Kontrollen notwendig, die zudem viel Aufwand nach sich zöge.

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Die Umwelthilfe hält diesem Argument entgegen, dass in Tübingen gerade einmal 1,5 Planstellen geschaffen worden seien. Das Forderungsmanagement werde durch die Stadtkasse übernommen – ohne zusätzlichen Personalbedarf.

Kleinteilige Vorschriften

In Villingen-Schwenningen stört man sich zudem an den kleinteiligen Vorschriften, die bisweilen seltsame Blüten treiben: Besteck wird erst ab einer Größe von zehn Zentimetern besteuert, kalte Speisen sind im Gegensatz zu warmen von der Steuer befreit. Warmer Zwiebelkuchen in der Einwegverpackung wird besteuert, kalter hingegen nicht. „Ein einsichtiges Steuersystem sieht anders aus“, urteilt die städtische Finanzverwaltung in Villingen-Schwenningen.

Inhaltliche Bedenken

Die Verwaltung begründet ihre Ablehnung aber nicht nur mit dem ausbleibenden Geldsegen, sondern führt auch inhaltliche Gründe dafür an, dem Tübinger Vorstoß nicht zu folgen. Das Tübinger Modell, so die Einschätzung in Villingen-Schwenningen, habe keine Lenkungswirkung. Die Endverbraucher zahlen recht bereitwillig jene 50 Cent, die viele Gastronomen direkt an die Kundschaft weitergeben, wird vermutet.

Zudem kommt die Stadtverwaltung in Villingen-Schwenningen zu dem Schluss: Die Gastronomen führen nicht deshalb Mehrweggeschirr ein, weil es die Verpackungssteuer gibt, sondern weil die Anschaffung von mehrfach verwendbarem Geschirr und Besteck ordentlich gefördert werde.

Auch andere Städte sind skeptisch

Anfang 2025 geriet Bewegung in die Sache und einige Kommunen kündigten an, dem Tübinger Beispiel zu folgen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Tübinger Verpackungssteuer als verfassungsgemäß qualifiziert hatte und damit die Verfassungsbeschwerde eines örtlichen Schnellrestaurants zurückgewiesen hatte.

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Doch nicht alle Kommunen sind begeistert: Bereits 23 Städte und Gemeinden haben sich nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe gegen eine Einführung entschieden – darunter Berlin, Dortmund, Cottbus, Rostock, Trier und Wuppertal.