Vordergründig ging es einfach nur um Bauvorschriften. Doch dahinter verbarg sich eine Richtungsentscheidung, die der Gemeinderat von Villingen-Schwenningen in seiner jüngsten Sitzung zu fällen hatte. Stein des Anstoßes: Ein Antrag der AfD-Fraktion, dass man künftig nicht mehr verpflichtend nach dem Energiesparstandard KfW 40 auf städtischen Grundstücken bauen muss. Diese Verpflichtung hatte der Gemeinderat 2021 beschlossen.
Teil des Pakets, um das nun im Gremium gerungen wurde, war die mögliche Unterstützung des Antrags durch die CDU-Fraktion – die es am Ende auch tatsächlich gab. Das ist ein Novum im VS-Gemeinderat und könnte zu einem politischen Erdbeben in der Doppelstadt führen.
Diese Unterstützung zeichnete sich in den Tagen vor der Ratssitzung bereits ab, zumal die CDU-Fraktion Ende April beantragt hatte, verschiedene verpflichtende Regelungen, die spezifisch für Villingen-Schwenningen sind, abzuschaffen. Der Vorgang hat für einige Aufregung im politischen VS gesorgt. Die CDU-Fraktion hat zuletzt einige öffentliche Kritik eingesteckt, zum Beispiel von Grünen und SPD.
Zum Thema KfW-40-Standard hat sich die CDU-Fraktion im vorberatenden Technischen Ausschuss des Gemeinderats Anfang April noch enthalten – mit Verwies darauf, dass man sich noch eingehender informieren wolle. Nun also die beinahe flächendeckende Zustimmung zu einem AfD-Antrag – einzig Maria Noce stimmte entgegen den anderen Mitgliedern ihrer Fraktion und Friedrich Bettecken war entschuldigt.
Auch Oberbürgermeister Jürgen Roth, selbst CDU-Mitglied, stimmte gegen den AfD-Antrag – ebenso wie praktisch alle anderen Fraktionen. Der Antrag erhielt damit keine Mehrheit, genau wie 2023, als die AfD-Fraktion laut der Sitzungsvorlage schon einmal die Abschaffung der KfW-40-Pflicht beantragt hatte und unter anderem an den Stimmen der CDU gescheitert ist.
Was war da geschehen? An eindringlichen Appellen, nicht mit der AfD zu stimmen, hat es nicht gefehlt. Der eindringlichste davon kam vielleicht von Frank Bonath (FDP). Die AfD sei mittlerweile gesichert rechtsextrem, sagte er – wobei sich Martin Rothweiler (AfD), der den Antrag seiner Fraktion zuvor begründet hatte, entnervt an die Stirn schlug.
Auch wenn die AfD-Fraktionsmitglieder im Gemeinderat wohl nicht selbst rechtsextrem seien, gehörten sie doch zu einer Partei, die gesichert rechtsextrem ist, fuhr Bonath fort: „Dass man da mitstimmt, geht nicht.“ Dabei sei die FDP-Fraktion schon bei der Einführung der Regelung gegen die KfW-40-Pflicht gewesen.

An dieser Stelle hakt CDU-Fraktionschef Dirk Sautter ein. Am Tag nach der Sitzung erklärt er auf Nachfrage, dass seine Fraktion schon länger einen Antrag vorbereitet habe, der darauf abzielte, VS-eigene Regularien zu entschlacken. Einer der vier Bestandteile davon sei die Abschaffung der KfW-40-Pflicht gewesen. „Es wussten alle, dass wir KfW 40 weghaben wollen“, so Sautter.
Sollte die CDU gegen die eigenen Absichten stimmen?
Die AfD sei mit ihrem Antrag dann gewissermaßen dazwischengekommen. Die Folge: Hätte man nun gegen den AfD-Antrag gestimmt, hätte man auch gegen einen Punkt im eigenen Antrag stimmen müssen. Sautter: „So wollten wir uns nicht manipulieren lassen, wenn wir in einer Sachfrage eine Position haben.“ Und im Unterschied zur AfD behaupte die CDU auch nicht, dass KfW-40 alles teurer mache. Absicht seiner Fraktion sei, dass Bauherren so bauen können, wie es für sie Sinn ergibt, so Sautter.
Grüne und SPD hielt das nicht von deutlicher Kritik in der Sitzung ab. Ulrike Salat (Grüne) sagte etwa: „Ich finde es furchtbar heute Nachmittag.“ Zum Thema CDU sage sie nichts mehr. Schon im Vorfeld hatte die Fraktion ihre CDU-Kollegen sinngemäß dahingehend kritisiert, nicht genug für Klimaschutz zu tun.
Nicola Schurr (SPD) äußerte den Verdacht, die CDU habe sich im Herbst noch nicht geäußert, weil eine Wahl bevorstand, und zog die Glaubwürdigkeit der CDU infrage. „Eigentlich möchte ich mit den anderen nach der Sitzung noch ein Bier trinken gehen, doch das fällt mir gerade schwer“, so Schurr. Und Armin Schott (Grüne) sprach von einem Dammbruch: „Auch im Kleinen darf man da nicht mitstimmen.“
Die Sachfrage tritt in den Hintergrund
Am Ende gab es aber natürlich auch noch die Sachfrage, ob der verpflichtende KfW-40-Standard nun Sinn ergibt oder nicht. AfD-Mann Martin Rothweiler kritisierte in seiner Begründung das „bürokratische Zwangsmittel“, das noch dazu teuer sei und kaum CO2 einsparen würde, und bezeichnete die Regelung rundheraus als Blödsinn.
Ulrike Salat hielt dagegen, dass sich KfW 40 bei den hohen Energiekosten heutzutage sehr wohl amortisiere. Und OB Roth ergänzte, die Verwaltung könne im Einzelfall auch von der KfW-40-Pflicht abrücken, wenn es nicht funktioniere. Diese sei aber ein Baustein zum Energiesparen, etwa beim European Energy Award, für den man sich erfolgreich beworben habe.
Lesen Sie dazu den Kommentar ‚Spaltpilz AfD: Statt um die Sache wird um die Einstellung diskutiert‘ von Stephan Freißmann.