Marianne Riegger lebt in Frankfurt, doch ihr Herz hängt an Villingen: genauer gesagt an der Kutmühle. Das Unternehmen kennt im Grunde jeder, der mit dem Zug ankommt, das große Silo ist nicht zu übersehen. Inzwischen hat die 78-Jährige ein Buch mit knapp 230 Bildern über die Geschichte der Kutmühle veröffentlicht.

Marianne Riegger hat das Fotobuch über die Geschichte der Kutmühle und über ihre Großmutter zusammengestellt.
Marianne Riegger hat das Fotobuch über die Geschichte der Kutmühle und über ihre Großmutter zusammengestellt. | Bild: Riegger, Marianne

Als sie das Buch zusammenstellt, hat das Unternehmen rund 150 Mitarbeiter. Vor allem auch wegen seiner Bäckereien hat es sich vom Schwarzwald bis an den Bodensee einen Namen gemacht. Doch hinter jedem Betrieb steckt auch eine Geschichte. Allerdings, so hat Marianne Riegger aus der fünften Generation dieser Familie, schnell herausgefunden, dass nur relativ wenig Dokumente vor allem in der Zeit um 1900 erhalten geblieben sind. Doch es gibt recht viele Fotografien, Bilder, Zeichnungen.

Umschlossen von Fluten: Das Hochwasser von 1910 ist für die Kutmühle ein markantes Ereignis und wird sogar auf einer Postkarte verewigt.
Umschlossen von Fluten: Das Hochwasser von 1910 ist für die Kutmühle ein markantes Ereignis und wird sogar auf einer Postkarte verewigt. | Bild: Riegger, Marianne (Reproduktion)

Einige Motive zeigen, mit welch schwierigen Bedingungen das Unternehmen in seiner Geschichte zu kämpfen hatte – zum Beispiel mit immer wiederkehrenden Brigachhochwassern. Eine Postkarte von 1910 macht deutlich, wie die Kutmühle völlig vom Wasser eingeschlossen ist – nur noch eine einsame Insel in den Fluten.

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Dazu schreibt Marianne Riegger: Oft sei das ganze Gelände um die Mühle überschwemmt gewesen, das Wasser stand in den Räumen 30 bis 50 Zentimeter hoch. Das Gebäude war von der Außenwelt abgeschnitten und nur mit einem Boot zu erreichen. Für die Post nutzte man auch einen Brunnentrog, mit dem man Briefe und Päckchen hereinzog.

Das Mühlengebäude im Jahr 1845.
Das Mühlengebäude im Jahr 1845. | Bild: Riegger, Marianne (Reproduktion)

Die Kutmühle gibt es schon seit dem Mittelalter, genauer gesagt seit dem 15. Jahrhundert. Damals ist sie noch als „Eschinger Mühle“ bekannt, ein Verweis auf den damaligen Grundherr, die Fürstenberger. 1760 übernimmt Anton Kuth die Mühle, sein Sohn kann sie aber nicht halten. Dennoch bleiben sie die Namensgeber, 1844 übernehmen die Rieggers die Mühle. Seitdem ist sie in Familienbesitz. Genutzt wird die Mühle im Laufe der Zeit für viel: für die Verkleinerung von Gips, das Säubern von Hanf, vor allem aber als Getreidemühle.

Um 1909: Das Fachwerk ist unter dem Verputz verschwunden.
Um 1909: Das Fachwerk ist unter dem Verputz verschwunden. | Bild: Riegger, Marianne (Reproduktion)

Einen Aufschwung nimmt die Kutmühle Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Immer wieder wird das Mühlwerk erneuert, dann unter Josefine und Karl Friedrich Riegger das Wohngebäude erweitert. Ein drittes Stockwerk wird aufgesetzt und das alte Schindeldach, das im Brandfall viel zu schnell Feuer gefangen hätte, durch Naturschiefer ersetzt.

Der größtenteils von Josefine Riegger angelegte Garten.
Der größtenteils von Josefine Riegger angelegte Garten. | Bild: Riegger, Marianne (Reproduktion)

In der Mühle selbst sorgt ein Elektromotor für den Antrieb, statt der Wasserkraft, auf die nicht immer Verlass ist. Erweitert und verschönert wird ab den 1920er Jahren auch der Garten, nicht nur mit Nutzpflanzen, was damals üblich ist und zur Versorgung der Familie dient, sondern auch mit farbenfrohen Stauden. Das ist, so berichtet Marianne Riegger, auch das Werk ihrer Großmutter Josefine. So wird der Garten der Kutmühle zum beliebten Treffpunkt für Freunde, Verwandte, Kinder und Enkel.

„Wunderbares Wasserrad von 1871, Freude meiner Kindheit mit seinem Rauschen – das auf Restaurierung hofft“: So ...
„Wunderbares Wasserrad von 1871, Freude meiner Kindheit mit seinem Rauschen – das auf Restaurierung hofft“: So beschreibt Marianne Riegger das Motiv. | Bild: Riegger, Marianne (Reproduktion)

Die Goldenen 1920er Jahre sind eine Zeit des Aufbruchs, auch die Rieggers legen hier den Grundstein für den später so erfolgreichen Bäckereibetrieb. Als sich das Mehl in dieser Zeit nicht immer so, wie gewünscht verkaufen lässt, bauen sie kurzerhand eine eigene Bäckerei auf.

Josefine Riegger ist die Namensgeberin des Fotobuchs, das ihre Enkelin Marianne Riegger zusammenstellt.
Josefine Riegger ist die Namensgeberin des Fotobuchs, das ihre Enkelin Marianne Riegger zusammenstellt. | Bild: Riegger, Marianne

Überhaupt Josefine: Ihr möchte Marianne Riegger ein Denkmal setzen, an ihr hangelt sich das Geschehen entlang und immer wieder bekundet die Enkelin Respekt für die Lebensleistung der 1973 gestorbenen Großmutter, sie ist Kristallisationspunkt des Fotobuchs.

Ein vor kurzem aufgetauchtes Fundstück besonderer Art aus dem Album von Verwandten: das einzige Familienbild von Josefine und Karl, ...
Ein vor kurzem aufgetauchtes Fundstück besonderer Art aus dem Album von Verwandten: das einzige Familienbild von Josefine und Karl, mitten im Ersten Weltkrieg, ca. 1916. | Bild: Riegger, Marianne

Es ist eine persönliche Geschichte, verwoben mit der des Unternehmens. Deutlich wird an prägnanten Beispielen, wie sich die Kutmühle verändert. Früher gehen ihre Felder bis an den Stallberg, doch dann wird in den 1960er Jahren die Bundesstraße 33 gebaut. Auch die alte Quelle versiegt, erzählt Marianne Riegger, als in der Nähe ein Logistikzentrum gebaut wird. Gleichzeitig wird die Mühle aber zu einem modernen Betrieb ausgebaut.

Der erste Siloturm – hier ein Bild von 1971 – ist erst 20 Meter hoch.
Der erste Siloturm – hier ein Bild von 1971 – ist erst 20 Meter hoch. | Bild: Riegger, Marianne (Reproduktion)