Hartmut Ketterer

In diesen Tagen und Wochen nähern sich Ereignisse, die an das Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945 erinnern. Auch das Bregtal wurde damals nicht verschont. Über Jahre hatte sich das Kriegsgeschehen wenig in Vöhrenbach und Umgebung bemerkbar gemacht – Ausnahme: die in großer Höhe fliegenden alliierten Bomberverbände. Das änderte sich jedoch 1944. Am 6. Juni 1944 waren die Alliierten in der Normandie gelandet und jetzt waren schlagartig Aufklärungsflugzeuge und Bomber im Bregtal zu sehen. So kam am 14. Oktober 1944 die Vöhrenbacherin Anna Schwörer im Alter von 22 Jahren ums Leben, als im Schönenbacher Tal ein Fliegerangriff auf die Bregtalbahn erfolgte.

Am 10. April 1945 wird das Sägewerk an der Kohlbrücke bombardiert, wobei vier Tote zu beklagen sind. Bild: Archiv Ketterer
Am 10. April 1945 wird das Sägewerk an der Kohlbrücke bombardiert, wobei vier Tote zu beklagen sind. Bild: Archiv Ketterer | Bild: Hartmut Ketterer

Nachdem am 27. November 1944 große Teile Freiburgs durch einen britischen Angriff zerstört wurden, war der Feuerschein bis nach Vöhrenbach zu sehen. Vier Tote gab es bei einem weiteren Fliegerangriff. Das war am 10. April 1945.

Das Sägewerk „Himmelsbach“ an der Kohlbrücke, das dem Wolterdinger Fritz Schiele gehörte, wurde bombardiert. Hierbei kamen der 51-jährige August Ebner aus Hammereisenbach und der ebenfalls aus dem Ort stammende Ernst Bäuerle ums Leben. Getötet wurde auch der Betriebsleiter des Sägewerks, Hermann Ketterer aus Wolterdingen, sowie ein in Vöhrenbach lebender Ukrainer. Zur Tragik dieses Bombenangriffs kam noch hinzu, dass Ebners Sohn Adolf im Alter von 16 Jahren lediglich vier Tage davor in ein Wehrertüchtigungslager im Elsass eingezogen worden war und erst später die schlimme Nachricht vom Tode seines Vaters erhielt.

Absprung endet tragisch

Tragisch endete auch der Absprung aus einem Flieger für fünf von sieben unbewaffneten amerikanischen Soldaten am 21. Juli 1944. Ihr Flieger, ein Bomber des Typs Boeing B 17, war zuvor von der Flak so schwer beschädigt worden, sodass die Flieger mit dem Fallschirm das Flugzeug verlassen mussten. Zwei Flieger sprangen über Schollach, drei über Urach und je einer über Linach und Furtwangen ab. Die beiden letzteren brachte man nach Donaueschingen, wo sie in Kriegsgefangenschaft genommen wurden. Die restlichen fünf mussten der Kreisleitung der NSDAP in Neustadt übergeben werden. Auf deren Anordnung erschoss man die Soldaten auf dem Weg nach Neustadt im Wald und verscharrte sie.

Das Entsetzen ist groß

Diese Tat zog großes Entsetzen sowohl bei der Schollacher wie auch bei der Uracher Bevölkerung nach sich. Wolf Hockenjos, früherer Leiter des Forstamtes Villingen-Schwenningen, initiierte im Juli 2014, dass ein Gedenkkreuz für die ermordeten Soldaten aufgestellt wurde. Das stieß auf großes Interesse. Gut 100 Personen kamen zusammen, als Pfarrer Martin Schäuble das von Bildhauer Wolfgang Kleiser geschaffene Gedenkkreuz in einem Waldstück in der Nähe von Urach segnete. Über die Geschichte zweier abgestürzter Bomber und deren Besatzung gibt es in diesem Zusammenhang auch ein Buch mit Zeitzeugenaussagen unter dem Titel „Absprung ins Ungewisse“, das der Autor Rolf Ebnet aus Döggingen verfasst hat. Das Verbrechen an den fünf amerikanischen Soldaten blieb übrigens nicht ungesühnt.

Viele Opfer durch Bomben

Der verantwortliche Kreisleiter entzog sich der Verantwortung und beging Selbstmord. Zwei seiner Gehilfen verurteilte man zum Tode. Ein weiterer Mitgehilfe erhielt lebenslänglich und eine weitere Person musste 20 Jahre ins Gefängnis. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges spielten sich viele kriegerische Handlungen und Verbrechen im Schwarzwald ab. Etliche Bombenangriffe erforderten viele Opfer. Als die Bombardierung von Wolterdingen erfolgte, starben 28 Personen. 18 Häuser, darunter die Kirche, wurden fast völlig zerstört. In Waldau schoss man das Gasthaus „Traube“ in Brand und als der Bregtäler bei Bruggen unter Beschuss geriet, waren das Kirchlein und zwei Bauernhöfe zerstört.

Gottesdienst abgebrochen

In Urach fielen während des Gottesdienstes zwei Sprengbomben ins „Mattebure Loch“, sodass die Kirche heftig bebte und der Pfarrer den Gottesdienst abbrach. Bei einer verbrecherischen Tat kam der Uracher Falllerhofbauer ums Leben. Im Juni 1945, der Krieg war schon zu Ende, drangen zwei Marokkaner in seinen Hof ein. Dem Bauer wurde in den Bauch geschossen, er starb an der Verletzung. Am 20. April 1945 gingen in Neukirch die Kirche und das Gasthaus „Rößle“ im Flammen auf, als Tiefflieger angriffen.

Durch eine Kollekte französischer Kriegsgefangener wurde die Schaffung dieses Gemäldes ermöglicht. Bild: Hartmut Ketterer
Durch eine Kollekte französischer Kriegsgefangener wurde die Schaffung dieses Gemäldes ermöglicht. Bild: Hartmut Ketterer

Überhaupt war der Schwarzwald gegen Ende des Krieges mit Soldaten übersät. Das verdeutlichte schon die Tatsache, dass sich im April 1945 vier deutsche Divisionen, das waren etwa 20 000 Mann, vom südlichen Oberrheintal in die Hochtäler des Schwarzwaldes zurückzogen. Von der Kalten Herberge bis Tannheim war alles voll mit Soldaten und Fahrzeugen. Das gleiche Bild bot sich von Vöhrenbach Richtung Kohlbrücke. Viele Fahrzeuge blieben liegen, weil das Benzin ausging. Eine Meldung aus dieser Zeit lautete: „Im Bregtal und in den Seitentälern wimmelt es von Truppen verschiedenster Art. Auch die Bevölkerung musste darunter leiden“.

Abgeschnitten von der Welt

Aus Uracher Sicht sah die Situation nach dem Krieg wie folgt aus: Urach war von der Welt abgeschnitten. Wochenlang fuhr die Eisenbahn nicht mehr. Es gab kein Telefon, keine Briefträger und monatelang keine Zeitung. Die Zahlen lassen nur annähernd erahnen, mit welcher Trauer die Familien fertig werden mussten: Aus Vöhrenbach waren 75 Soldaten gefallen und nach dem Stand von 1952 vermisste man 41 Vöhrenbacher. In Hammereisenbach zählte man 27 Tote und zehn Personen wurden vermisst. Dazu kamen fünf Einwohner, die in der Heimat zu Tode kamen.

Bangen um viele Vermisste

Die Situation aus Uracher Sicht führte Ortsvorsteher Martin Schneider bei einer Ansprache an einem Volkstrauertag aus. 35 Soldaten waren gefallen, vier Männer verstarben an einem Kriegsleiden und ein Bürger wurde auf seinem Anwesen erschossen. In Langenbach führt die 1995 erschienene Chronik zwölf gefallene Soldaten des Zweiten Weltkrieges auf und fünf Bürger galten als vermisst.

Schreckliche Boten des Krieges

Doch auch Vergewaltigungen, Diebstähle, Erniedrigungen, Angst, Panik und Hunger zum Ende des Krieges und danach verdeutlichten die schrecklichen Boten des Krieges, die es in der Region gegeben hatte. Zu den Geschehnissen nach dem Krieg gehörte auch die Demontage der hiesigen Industrie sowie erhebliche Holzfällungen im Vöhrenbacher Wald, sogenannte „Franzosenhiebe“. Bei der Firma Heine wurden 90 Prozent der neueren Maschinen nach Straßburg abtransportiert.

Doch es gibt Lichtblicke

Die geschilderten Ereignisse können aber nur einen Teil wiedergeben, was für Soldaten und Bevölkerung zum teils grausamen Alltag gehörte. Doch es gab auch Lichtblicke. Zu nennen ist dabei, dass Bläser der Stadtmusik Vöhrenbach an Weihnachten 1945 von der Besatzung die Erlaubnis erhielten, in der Heiligen Nacht Weihnachtslieder zu spielen. Ein bewegender Moment in der deutsch-französischen Beziehung war auch, dass französische Kriegsgefangene aus Dankbarkeit für die gute Behandlung in Vöhrenbach eine Sammlung unternahmen. Damit konnte ein gemaltes Bild vom Bruderkirchle in Auftrag gegeben werden. Das gemalte Bild des französischen Künstlers Luc Barbier ging jedoch auf der Reise von Frankreich nach Vöhrenbach verloren.

Pfarrer bringt Gemälde selbst

Der Pfarrer Abbé Emile Ciceron, der während der Kriegsjahre regelmäßig Gottesdienste für seine französischen Landsleute im Bruderkirchle gehalten hatte, ließ darauf eine Kopie des Bildes anfertigen und brachte das Gemälde vermutlich im Jahre 1946 selbst nach Vöhrenbach. (Entnommen aus dem Buch des Arbeitskreises Stadtgeschichte der Heimatgilde Frohsinn Vöhrenbach mit dem Titel „Neue Beiträge zur Stadtgeschichte“.)