Bereits die Flüchtlings-Hilfsorganisation JobClub VS aus Villingen-Schwenningen hatte schwere Bedenken hinsichtlich der Unterbringung von sechs nigerianischen Flüchtlingen im isoliert liegenden Ortsteil Urach geäußert. Jetzt protestiert auch der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Vöhrenbachs Bürgermeister Robert Strumberger bekam einen Brandbrief von Max Burger, Mitglied im Sprecherrat des Flüchtlingsrates, der über das Helfer-Netzwerk Südbaden Kenntnis über die unbefriedigende Unterbringung der Flüchtlinge erhalten hatte.
- Abgeschiedene Lage: „Kann es sein, dass diese Menschen dort keine oder nur sehr eingeschränkte Mobilitäts- und Kommunikationsangebote wie Internetzugang haben, bei einer Entfernung nach Vöhrenbach von 13, nach Furtwangen 14 und nach Villingen-Schwenningen 26 Kilometern?“, fragte darin Burger den Bürgermeister. Dazu sprach er die fehlenden Arbeits- oder (Lebensmittel-) Einkaufsmöglichkeiten, fehlende schulische oder medizinische Betreuung an.
- Kaum Betreuung möglich: Auch der (fehlende) Zugang der dort Untergebrachten zu Ämtern und Behörden, zu Anwälten, zur Migrationsberatung, zum MediNetz oder zu anderen Initiativen ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer wurde thematisiert.
Im Dorf sei es nicht einmal möglich, so Burger weiter, dass die Geflüchteten an die ihnen zustehende Auszahlung von Leistungen wegen fehlender Bankfilialen herankommen. Auch weitergehende Leistungen wie der regelmäßige Besuch von Integrationsmanagern der Gemeinde oder des Landratsamtes fragte der engagierte Flüchtlingshelfer an. Dabei auch die gemeinnützige Beschäftigung oder womöglich gar Ausbildung der Geflüchteten.
- Kein Gebetsraum und Kontaktmöglichkeiten: Nicht zuletzt kam die Frage nach der Möglichkeit der Ausübung religiöser Pflichten, beispielsweise dem regelmäßigen Besuch des Freitagsgebets in einer Moschee oder einem muslimischen Gebetsraum und Kontakten zur Bevölkerung, etwa zur Kirchengemeinde, Sport- oder anderen Freizeitvereinen. Dies ist in Urach definitiv genauso wenig möglich wie derzeit die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, letzterer verkehrt nur zu Schulzeiten.

Sicher wisse Strumberger viel besser als die Helfer Bescheid, dass in den Gemeinden Baden-Württembergs die Unterbringung Geflüchteter geregelt sei. Dennoch weist Burger darauf hin, dass die unteren Aufnahmebehörden die entsprechenden Personen den kreisangehörigen Gemeinden mitzuteilen und gemeinsam mit diesen auf eine zügige endgültige Unterbringung der Asylsuchenden und zugleich die Unabhängigkeit von öffentlichen Leistungen hinzuwirken haben.
- Pfllchten für Behörden: Den unteren Aufnahmebehörden obliege die soziale Beratung und Betreuung. Die dazu notwendigen Mindeststandards seien die Ermöglichung einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die dadurch entstünden, dass die Orte der (vorläufigen) Unterbringung in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil oder im Anschluss daran eingerichtet werden sollten. Dazu müsse eine ausreichende Möglichkeit regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel gewährleistet sein.
- Flüchtlingssozialarbeit: Eine qualifizierte Flüchtlingssozialarbeit in den Einrichtungen der vorläufigen Unterbringung soll es den Asylsuchenden ermöglichen, ein menschenwürdiges, selbstverantwortliches Leben in Deutschland zu führen und ihre Integrationsfähigkeit zu erhalten. Dazu bedürfe es sozialarbeiterischer Hilfestellungen, Beratung und Vermittlung von Informationen, die das Asylverfahren und den damit verbundenen Aufenthalt in Deutschland betreffen, der Mitwirkung an der Erarbeitung einer Lebensperspektive der Flüchtlinge für die Zeit des Aufenthaltes im Inland, der Durchführung von pädagogischen und sozialen Aktivitäten mit Flüchtlingen und Bürgern aus dem Umfeld der Einrichtung. Weiterhin sollte das gegenseitige Verständnis gefördert und auf ein friedvolles Miteinander zwischen Flüchtlingen und der Aufnahmegesellschaft hingewirkt werden.
Dazu sei auch notwendig, ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, diese zu begleiten und zu schulen. Heute gelte eine gesetzliche gegenseitige Verpflichtung zur Integration, nicht zuletzt um Geflüchteten den Zugang zu Ausbildung und Arbeit zu erleichtern, es verpflichte sie andererseits zu eigenen Integrationsbemühungen. So wurden auch Erleichterungen für Unternehmen geschaffen, die Flüchtlinge ausbilden und beschäftigen wollen.
- Ungeeigneter Standort: Mit dem Uracher Gemeindehaus verfüge die Kommune zwar über ein „bauliches Schmuckstück“, als Flüchtlingsunterkunft sei es jedoch aufgrund seines abgelegenen Standortes denkbar ungeeignet. Burger bemängelte, dass Vöhrenbach, obschon in Urach schon ähnliche Erfahrungen mit irakischen und gambischen Flüchtlingen gemacht wurden – für die gesetzlichen Vorgaben an eine Flüchtlingsunterkunft noch immer nicht ausreichend eingerichtet sei.
„Bevor die Lage eskaliert, was für uns alle nicht wünschenswert wäre, möchte ich Sie herzlich bitten, über eine zeitnahe Umverteilung dieser Menschen nachzudenken“, schloss Burger sein Schreiben an den Bürgermeister.