Herr Özcan, herzlichen Glückwunsch!

Zu was?

Nach der Verpflichtung von Marcel Simsek kann man dem Türkischen SV Singen doch eigentlich schon fast zum Titelgewinn gratulieren.

Gratulieren darf man uns erst, wenn wir am Ende der Saison mehr Punkte als der Zweitplatzierte haben. Egal welche Spieler auf dem Platz stehen, jedes Spiel muss erst einmal gespielt werden.

Simsek-Treffer gegen Anadolu Video: Felix Knoll

Die Enttäuschung wäre aber sicher groß bei Ihnen, wenn nach diesem Einkauf nur der zweite Platz erreicht werden würde.

Natürlich wäre das eine Enttäuschung für uns. Auch finanziell. Wir haben Marcel verpflichtet, weil unser Stürmer Babucarr Kugabi noch sehr jung ist und noch zu viele Chancen braucht. Marcel ist dagegen ein Fußballer, der aus null Möglichkeiten ein Tor macht. Deswegen haben wir ihn schon seit längerer Zeit im Auge und auch schon früher Gespräche geführt mit ihm. Jetzt konnten wir ihn endlich mit unserem Konzept überzeugen.

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Das Konzept alleine scheint es wohl nicht gewesen zu sein. Angeblich sollen beträchtliche Summen bei diesem Transfer geflossen sein. Die Rede ist von 10 000 Euro für den Spieler, einer ähnlichen Summe als Ablöse an Independiente Singen und einem monatlichen Gehalt von 2500 Euro pro Monat für Marcel Simsek.

Das ist vollkommen überzogen. Ein Handgeld wurde nicht an Marcel gezahlt, und auch die Ablösesumme an Independiente ist weniger als die Hälfte der genannten Summe. Der Spieler bekommt von uns einen Amateurvertrag und erhält monatlichen Lohn. Aber auch der fällt geringer aus.

Simsek trifft gegen SG Reichenau Video: Peter Pisa

Dennoch wurde viel Kritik laut angesichts der finanziellen Dimensionen bei einem Wechsel in der 8. Liga...

...was ich nicht verstehe. Ich bin seit 40 Jahren hier in der Region im Amateurfußball aktiv. Und Hand aufs Herz: Auch früher ist viel Geld geflossen in den Amateurligen. Was soll auch daran verwerflich sein? Wir arbeiten hart, um dem Trainer die bestmöglichen Spieler und den Spielern die bestmöglichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Natürlich kostet es Geld, wenn wir die Spieler wie jetzt vor der Saison zehn Tage ins Trainingslager nach Antalya schicken. Doch das ist die perfekte Basis für unsere sportlichen Ziele, aber auch für den Teamgeist. Das ist einfach unser Konzept, mit dem wir unsere Visionen und Ziele verwirklichen wollen.

In welche Liga sollen diese Visionen den TSV Singen denn führen?

Als ich 2016 beim TSV als Teammanager angefangen habe, habe ich gesagt, dass wir in vier Jahren in der Landesliga sein können, wenn wir alles richtig machen. Da sind wir auf einem guten Weg. Wenn es klappt, wollen wir uns erst einmal in der Landesliga etablieren und dort packende Derbys mit den Traditionsvereinen aus der Region liefern. Und dann schauen wir weiter.

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Wie breit ist das Sponsoren-Konzept aufgestellt? In der Vergangenheit gab es einige Fußballvereine in der Region, deren Aufschwung durch einen einzigen Geldgeber ermöglicht wurde und die dann einen bösen Absturz erlebt haben.

Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Ich bin mit dem FC Welschingen-Binningen von der Kreisliga A bis in die Verbandsliga aufgestiegen. Als dann der Sponsor wegfiel, ist das ganze Kartenhaus zusammengebrochen. Diese Gefahr droht uns nicht. Wir haben ein breit gefächertes Finanzkonzept. Abdullah Öztürk ist selbst erfolgreicher Geschäftsmann und kümmert sich bei uns um die Sponsorensuche. Da sind wir gut aufgestellt und nicht nur von einem Geldgeber abhängig.

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Wird das Sponsorengeld auch nachhaltig verwendet, sprich für die Nachwuchsarbeit oder werden damit nur fertig ausgebildete Spieler für die erste Mannschaft geholt?

Wir sind ein ordentlich geführter Club, bei dem sich nicht alles ausschließlich auf die erste Mannschaft konzentriert. Wir haben zwar keine eigene A-Jugend, da wir hier mit dem JFV Singen zusammenarbeiten. Wir kümmern uns in den unteren Altersklassen aber auch um den Nachwuchs. So haben wir beispielsweise in den vergangenen drei Jahren zehnmal mehr Geld in die Jugendarbeit investiert als in die Transfers bei den Aktiven.

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Sigi Özcan.
Sigi Özcan. | Bild: privat

Der Verein, die Transferaktivitäten und der Rückrundenstart

  • Der Verein: Der Türkische Sportverein Singen wurde im Jahr 1981 gegründet. Beheimatet sind die Schwarz-Gelben im Singener Hardt-Stadion in der Steißlinger Straße. Derzeit spielt der TSV Singen in der Fußball-Bezirksliga und rangiert vor dem Auftakt in die Rückrunde auf dem zweiten Tabellenplatz.
  • Die Transferdiskussion: Ausgelöst wurden die Debatten um die Investitionen in die Bezirksliga-Aufgebote durch den Wechsel von Marcel Simsek von Independiente Singen zum Türkischen SV Singen. So hatte Eddy Wiedenmaier, Trainer des SV Mühlhausen, beispielsweise kritisiert, dass beim Wettstreit um die klingendsten Namen die wirklich wichtigen Werte aus den Augen verloren würden. Er hält die „Entwicklung in den letzten Jahren für sehr bedenklich“, da viele Vereine „in kurzer Zeit viel erreichen wollen, ohne eine Basis im Verein zu legen“. Aus seiner Sicht sei es sehr bedenklich, wenn „für die Wechsel nicht mehr sportliche Anreize gelten, sondern nur noch finanzielle“.
  • Der Rückrundenstart: Die Fußball-Bezirksliga Bodensee nimmt am 14./15. März wieder den Spielbetrieb auf. Am ersten Spieltag nach der Winterpause empfängt der Türkische SV Singen am Sonntag, 15. März, 15 Uhr, den Tabellenelften SG Reichenau/Reichenau-Waldsiedlung im Singener Hardt-Stadion. (mex)