Die Verletzung
Anfang der 1990er Jahre ist Daniel Eblen einer der talentiertesten Handballer der HSG Konstanz, deren Nachwuchsteams er allesamt durchlaufen hat. Mit der A-Jugend sind die Konstanzer zu Gast beim TV Überlingen, als die ihm prophezeite große Spielerlaufbahn quasi schon vor ihrem Start endet.
„Ich werde die Szene nie vergessen“, sagt Eblen heute, 30 Jahre später. „Wie ich hochspringe und mir bei der Landung das Knie verdrehe...“ Den Satz beendet er nicht.
Damals ahnt niemand etwas von der Tragweite der Verletzung. Der erste Arzt stellt keine Diagnose, sondern legt Eblens Bein für zwei Wochen in einen Gips. „Das hat natürlich gar nichts gebracht“, das weiß der Konstanzer selbst als Teenager sofort. Also wird ein weiterer Mediziner konsultiert. Der macht eine Arthroskopie, erkennt den Kreuzbandriss und operiert den Handballer.
Die Reha dauert eine gefühlte Ewigkeit. „Ich ging neun Monate an Krücken und musste das Laufen neu lernen“, erinnert Daniel Eblen sich. Ganz verschwinden die Schmerzen und Probleme allerdings nicht. „Handball-Training, Schulsport, Basketball-AG. Ich habe ständig gemerkt, dass ich das Knie nicht ganz durchdrücken kann“, sagt er. „Das Kreuzband war wohl zu eng angezogen worden und wurde korrigiert.“ Was bleibt, sind ein Knorpelschaden und eine schwere Arthrose.
Das Karriere-Ende
Unter dem im vergangenen Monat verstorbenen Trainer Adolf Frombach schafft die HSG Konstanz in der Saison 1994/95 den Aufstieg in die Regionalliga Süd und etabliert sich schnell in der Drittklassigkeit. Im Frühjahr 2001 schließlich feiern die Konstanzer die Süddeutsche Meisterschaft und den Sprung in die 2. Bundesliga Süd.
In jenem Sommer packt auch Co-Trainer Daniel Eblen, der wegen seiner Verletzung die Handballschuhe an den Nagel gehängt hatte, nochmals der Ehrgeiz. Ein Spezialist aus München macht dem 26-Jährigen Hoffnung, dass noch nicht alles vorbei sein sollte.
„Kurz vor dem Saisonstart teilte er mir mit, dass er doch nichts für mich tun könne“, sagt Eblen. „Ich hatte aber bereits die ganze Vorbereitung mitgemacht und dann auch gespielt, bis der Klassenerhalt in trockenen Tüchern war.“
Zwar hilft Daniel Eblen im linken Rückraum und am Kreis mit, seinen Herzensverein in der 2. Liga zu halten, doch nach jedem Training, nach jedem Spiel schwillt das entzündete und überlastete Knie dick an.
Die ersten Trainerschritte
Als Co-Trainer der ersten Mannschaft ist Daniel Eblen schon früh auch für den Nachwuchs sowie die Reserve verantwortlich, deren Trikot er ab und an selbst in der Landesliga oder der Bezirksklasse trägt.
„Mit Adolf Frombach bin ich immer gut ausgekommen. Ich habe ihm beim Training der Zweitliga-Mannschaft geholfen. Und wenn er mit einem Jugendteam weg war, habe ich die Einheiten bei der ersten Mannschaft geleitet“, sagt er.
Oder umgekehrt, wie im Frühjahr 1998, als Daniel Eblen die B-Jugend in Dresden betreut, wo sie den Einzug ins Endspiel um die Deutsche Meisterschaft erreicht. „Das hat sich alles so ergeben. Mir wurde mit Anfang 20 gesagt, dass ich keinen Leistungssport mehr machen soll“, sagt Eblen, „ich wollte aber nicht ganz aufhören. Die Trainerrolle hat mir Spaß gemacht, und so bin ich dabei geblieben.“
Plötzlich Chef
Der gebürtige Rumäne Adolf Frombach war kein Mann großer Worte. Eines Abends Anfang 2004, die HSG Konstanz steckt mitten im Abstiegskampf, legt er bei einer Besprechung den Hallenschlüssel auf dem Tisch. Und sagt an seinen Assistenten Daniel Eblen: „Fang schon mal an.“
Was, außer Frombach selbst und HSG-Präsident Otto Eblen, damals keiner weiß: Nach diesem Abend vor mehr als 16 Jahren ist Daniel Eblen der Chef auf der Bank der Konstanzer Handballer.

„Ich habe also das Training geleitet, aber er kam einfach nicht“, erinnert der heute 46-Jährige sich schmunzelnd, „und es wollte auch niemand den Schlüssel zurück haben.“
Frombach wohnt weiter mit Daniel unter einem Dach im Hause Eblen, er trainiert auch weiter die Jugend und hilft seinem gerade einmal 29 Jahre alten Nachfolger, wo er nur kann. Bei der Videoanalyse und in der Vorbereitung. Peu a peu wird es weniger. Als Adolf Frombachs Zeit bei der HSG Konstanz endet und er 2006 zur DJK Singen geht, „habe ich alles selber gemacht“, sagt Daniel Eblen.
Die schweren Anfänge
Chef-Trainer wird niemand per Definition. Auch nicht Daniel Eblen, der auf die harte Tour lernen muss, plötzlich im Mittelpunkt zu stehen und der Boss zu sein.
„Die erste Zeit war nicht ohne“, erinnert er sich an den Abstieg 2004 und den Neuanfang in der Regionalliga. „Ich musste in meine neue Rolle reinwachsen und selbständiger werden. Das war ja ein Niveau, auf dem ich vorher noch nicht war als Trainer.“
Und auf persönlicher Ebene muss der Coach sich nun bei manch gutem Freund Respekt verschaffen. „Die Jungs waren damals ja gleich alt oder älter als ich“, sagt Eblen, der auch abseits des Feldes seinen eigenen Weg finden muss.
Bei Frombach hatten Disziplin und Ordnung geherrscht, was der junge Eblen zunächst kopiert. „Ich kannte die Menschenführung nicht anders als von Adolf“, erklärt Eblen, der schnell merkt: „Das war nicht ich. Ich bin von meinem Temperament ganz anders. Damals kannte ich meinen Stil ja selber nicht. Den musste ich erst mal entwickeln.“
Kritik am neuen Trainer
Oft heißt es in den ersten Monaten: „Der ist doch nur Trainer, weil kein Geld da ist und er der Sohn des Präsidenten ist“, sagt Daniel Eblen, der zugibt, sich „von einem Training ins andere“ gekämpft zu haben. Weil Verantwortliche und Fans nach dem Abstieg lange noch von der 2. Bundesliga träumen, werden nicht ganz so offensichtliche Erfolge überhaupt nicht wahrgenommen.
In Eblens Anfangszeit wird der deutsche Handball von Grund auf umstrukturiert. Die 2. Bundesliga wird eingleisig, als Unterbau wird die 3. Liga eingeführt. „Wir haben uns immer auf dem Level der 50 besten Mannschaften in Deutschland gehalten, während die Ligenstruktur immer spitzer wurde oben“, sagt Eblen. „Das war und ist ein Erfolg unter unseren Voraussetzungen.“
Bei der fast schon zwanghaften Hoffnung auf den Aufstieg wechselt Eblen im Tausch für den früheren Konstanzer Bundesligaspieler Sebastian Seitner sogar in den Rückraum des HSC Kreuzlingen.
„Am Ende habe ich studiert, gearbeitet, war Spieler in Kreuzlingen und Trainer in Konstanz“, sagt der Steuerfachangestellte und Diplom-Kaufmann Eblen, „und wir hatten uns alle vor lauter Druck fast kaputt gemacht.“
Der gestandene Trainer
Ruhe kehrt erst ein, als alle im Verein nach einigen gescheiterten Aufstiegsanläufen die 3. Liga als ihr natürliches Revier anerkennen. Mehr ist um das Jahr 2010 herum einfach nicht drin ganz im Süden von Handball-Deutschland.
„Wir hatten entschlossen, uns gesund zu entwickeln und zu schauen, was dabei herauskommt“, sagt Eblen.

Und so kehrt plötzlich auch der sportliche Erfolg zurück ans Schänzle. 2015/16 steigt die HSG Konstanz in die eingleisige 2. Bundesliga auf und schafft den Klassenverbleib. Direkt nach dem Abstieg 2018 gelingt der Mannschaft ein Jahr darauf ohne großes Jammern die sofortige Rückkehr ins Unterhaus.
Und seit 2017 ist Daniel Eblen der dienstälteste Trainer im deutschen Profihandball.
Die A-Lizenz
Wichtig für ihn war es, die Trainer-A-Lizenz zu machen. „Da durfte ich bei gestandenen Trainern wie Rolf Brack hospitieren und Persönlichkeiten wie den aktuellen Bundestrainer Alfred Gislason kennenlernen“, sagt Eblen. Bislang hatte der Autodidakt bis auf seinen Vater Otto kaum jemanden, mit dem er sich über Taktik, Spielphilosophie oder die Probleme eines Trainers austauschen konnte.
„Plötzlich habe ich gemerkt: Viele Erstligatrainer mussten so durch wie ich auch“, sagt Eblen. „Als ich gesehen habe, dass die ganz ähnliche Probleme haben, bin ich ruhiger geworden.“

Natürlich gibt es auch für den in sich ruhenden 46-Jährigen immer noch schöneres als eine zwölf Stunden lange Heimfahrt im Bus nach einer Niederlage am anderen Ende der Republik. „Ein Spiel ist knallharte Arbeit.“ Das weiß Daniel Eblen nach mehr als 16 Jahren auf der Trainerbank. „Es ist wie mit jedem Job: Es gibt Zeiten, da macht es Riesenspaß und andere, da ist es mühsam.“
Nach mehr als 16 Jahren auf der Bank kann er aber behaupten: „Die Trainingsarbeit mit den Jungs macht richtig Spaß. Trainer, das ist einfach ein toller Job.“ Wer könnte das besser wissen als der dienstälteste Coach der deutschen top-Ligen.