Am vergangenen Wochenende eskalierte die Situation in Allensbach. Nach einem hitzigen Spiel in der Kreisliga A spuckte ein Hobbyfußballer einem anderen angeblich vor die Füße, was in einer wüsten Rauferei auf einem nebenan gelegenen Spielplatz endete. In den Wochen zuvor wurde ein Schiedsrichter in einem Konstanzer Ortsteil von einem aufs Spielfeld stürmenden Zuschauer angegangen, bei einer anderen Partie wenige Kilometer entfernt wurde ein 15-jähriger Referee nach Spielende gar von dem Vater eines Spieler niedergeschlagen.

Tatort Fußballplatz? Oder nur eine zufällige Häufung von Einzelfällen?

„Ich finde schon, dass die Wortwahl auf dem Platz radikaler geworden ist“, sagt Silvio Lorenzi. Der Stürmer der SG Liggeringen-Güttingen kann den Vorfällen daher sogar etwas Positives abgewinnen. „Wir brauchen wohl noch mehr Spielabbrüche, bis alle verstanden haben, dass es so nicht geht.“ Aber wie geht es eigentlich zu auf den Fußballplätzen der Region? Lorenzi berichtet von üblen Beleidigungen und sogar von einer Morddrohung. „Ein Gegenspieler sagte zu mir, dass er mich nach dem Spiel umbringen werde.“

Silvio Lorenzi ist der Kapitän der SG Liggeringen-Güttingen.
Silvio Lorenzi ist der Kapitän der SG Liggeringen-Güttingen. | Bild: Salzmann, Dirk

Wie er damit umging? „Das steckt man nicht so einfach weg, das geht dir dann durch den Kopf. Ich bin nach der Partie zum Schiedsrichter und den gegnerischen Team-Verantwortlichen gegangen und habe gesagt, dass wir sofort vom Spielfeld gehen werden, wenn sich so etwas noch einmal wiederholen sollte.“

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Wie ernst muss man solche Drohungen nehmen? Und gab es solche Auswüchse nicht schon früher? Dem Gegner gleich den Schneid abkaufen, mal über die Klinge springen lassen, das sind alles altbekannte Fußball-Ratschläge, die den Spielern zumindest nahe legen, das Regelwerk bis zur Grenze des Erlaubten auszuleben. Auch Ansagen, wonach der nächste Torabschluss einen Knochenbruch nach sich ziehen könnte, sind nicht neu. Aber Morddrohungen?

Früher gab es das nicht! Oder zumindest nicht so extrem

„Das war früher anders“, versichert Manfred Sobisch, lange Jahre Vorsitzender des Stadtsportverbands Konstanz. „Ja, auch damals ging es nicht immer fair zu, aber inzwischen artet es aus“, klagt Sobisch. Tonart und Ansprache würden immer lauter und aggressiver werden. Kein Problem des Fußballs sei das, sondern eines der gesamten Gesellschaft. Und wo früher Vereinsleben gepflegt wurde, seien inzwischen bei vielen Clubs elf Ich-AGs am Werk.

Manfred Sobisch, langjähriger Vorsitzender des Konstanzer Stadtsportverbands.
Manfred Sobisch, langjähriger Vorsitzender des Konstanzer Stadtsportverbands. | Bild: Oliver Hanser

Auch Peter Koschnik, Vorsitzender des Ehrenrats des SC Konstanz-Wollmatingen, sorgt sich um die Entwicklung, auch ihm fehlt der Respekt auf dem Platz – gegenüber dem Schiedsrichter, aber eben auch gegenüber dem Gegenspieler. „Ich glaube dennoch, dass wir hier von Einzelfällen sprechen müssen, da ich keinen Zusammenhang zwischen den Ausschreitungen sehe.“ Aber warum ist der Ton auf den Kickplätzen rauer geworden? „Das hat viele Gründe. Ich persönlich sehe da auch den Profifußball in der Schuld. Obwohl da inzwischen jeder entscheidende Pfiff von einem Videoschiedsrichter überprüft wird, hüpfen zehn Spieler um den Schiedsrichter herum und versuchen den zu beeinflussen. Völlig unnötig und ein schlechtes Beispiel für die Amateure.“

Statistisch gesehen sind Spielabbrüche eine Seltenheit

Tatsächlich eskaliert die Lage selten, nur 0,04 Prozent aller Spiele wurden laut DFB-Statistik in den vergangenen Jahren abgebrochen – im Schnitt jedes 2415. Spiel. Im Bezirk Bodensee waren solche Probleme in den vergangenen Jahren auch eher die Ausnahme.

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„Die allermeisten Spiele laufen ordentlich ab, aber die Häufigkeit der jüngsten Ereignisse geben Anlass zur Sorge“, sagt Alexander Seliger, Spielausschussvorsitzender des Kreisligisten SV Orsingen-Nenzingen. „Man darf die Prävention nicht allein dem Verband, Bezirk und den Schiedsrichtern zuschieben, wir alle sind da gefordert. Die meisten Vereine im Bezirk – von ein paar Ausnahmen abgesehen – bewegen sich doch letztlich in den Niederungen des Amateurfußballs. Jeder hat zwar Ziele und Ambitionen, aber mehr Respekt und etwas mehr Gelassenheit bei den Spielen wären da sicherlich hilfreich.“

Bedrohungen, Beleidigungen und Tätlichkeiten wirken nach

Wie er die Atmosphäre auf den Sportplätzen wahrnimmt? „Dass bei manchen Spielen die Emotionen hochkochen, kommt vor, das war auch immer Teil des Fußballs, ob man das nun gut findet oder nicht. Aber bei Beleidigungen, Bedrohungen und physischer Gewalt ist die rote Linie überschritten. Auch wir haben vor vielen Jahren ein Spiel erlebt, das völlig aus dem Ruder lief, die Bedrohungen, Beleidigungen und Tätlichkeiten haben gerade bei den jungen Spielern lange nachgewirkt. Mittlerweile hat sich das Verhältnis zu dem Verein wieder normalisiert, aber es hat gedauert.“ Was aber sind die Ursachen der Gewalt? Auch dazu hat Seliger eine klare Meinung: „Ob der Amateurfußball aktuell als Spiegelbild der zunehmend verrohenden Gesellschaft taugt, möchte ich so noch nicht sagen. Diese Verrohung drückt sich zuallererst im Hass in den Sozialen Medien aus. Aber dieser Hass ebnet den Weg, und es ist unsere Aufgabe, sich dem entgegenzustellen – und das nicht nur auf dem Sportplatz.“

Die Polizei musste am Wochenende in Allensbach die Situation klären.
Die Polizei musste am Wochenende in Allensbach die Situation klären. | Bild: Friso Gentsch/dpa

Auch Silvio Lorenzi betont, dass sich etwas ändern muss: „Es sind ja keine kompletten Mannschaften, die ein Problem sind, sondern immer nur einzelne Spieler“, ist sich Lorenzi sicher. „Was ich nicht verstehe, ist, dass so ein Verhalten von den eigenen Leuten meistens geduldet wird. Und selbst wenn so einer ausgeschlossen wird, findet sich immer ein anderer Verein, bei dem der dann im gleichen Stil weitermachen darf. Das aber kann nicht sein, das muss sich ändern.“

Grenzen werden überschritten

Harte Zweikämpfe gehören zum Fußball dazu, man müsse auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, das auf dem Sportplatz falle. Aber alles habe eben Grenzen. Im Bezirk Bodensee wurden sie zuletzt zu häufig überschritten.