Zu wissen, wo die eigenen Stärken liegen, ist für jeden Sportler wichtig. Vielleicht noch einen Ticken entscheidender ist allerdings das Wissen um die persönlichen Schwächen – und die Bereitschaft, ständig daran zu arbeiten.
Für Leonie Reiser ist klar, wo sie ansetzen muss, um sich in ihrer ersten Saison als Oberliga-Fußballerin durchsetzen zu können: „Was die Körperlichkeit angeht, gibt es noch einiges zu tun für mich“, sagt die junge Frau aus Nordstetten, einem kleinen Weiler bei Villingen mit 150 Einwohnern.
Zierlich gebaut und mit 1,64 Meter auch nicht gerade mit einem Gardemaß gesegnet, baut die 17-Jährige auf Technik und Tempo statt auf Körperwucht, auf Klasse statt auf Masse. „Leonie ist schnell – nicht nur mit den Beinen, sondern auch mit dem Kopf“, sagt Trainerin Michaela Ruff über das junge Talent, das seit 2019 beim Hegauer FV ist.
Unverkrampft, ohne Scheu
Bereits in der vergangenen Saison durfte die Schwarzwälderin in der ersten Mannschaft der Hegauerinnen mit einigen Einsatzminuten ihr Können zeigen. Unverkrampft, ohne Scheu hat sie ihre Feuertaufe in der Oberliga bestritten, auch wenn für sie das eine oder andere ungleiche Duell mit weitaus kräftiger gebauten Gegenspielerinnen zu bestreiten war. In der kommenden Spielzeit will sie nun alles dafür tun, um unverzichtbar zu werden für die höchstklassige Frauenmannschaft des Bezirks Bodensee.
Begonnen hat alles beim SV Obereschach, bei dem die damals Sechsjährige ihre Liebe zum Fußball entdeckte. In der D-Jugend folgte der Wechsel zum SV Kappel, damals noch als Flügelspielerin mit unbändigem Drang zum Tor. Bei einem Stützpunkttraining wurde dann Christian Nagel vom Hegauer FV aufmerksam auf die flinke Schwarzwälderin.
Eine Spielgestalterin
Beim folgendem Probetraining in Engen war sie „schon etwas aufgeregt“, wie Leonie Reiser offen zugibt. Überzeugt hat sie dennoch, was ihr weiteres Wirken beim HFV deutlich zeigt. Nur knapp hat Leonie Reiser in der vergangenen Saison mit den B-Juniorinnen des Hegauer FV den Oberliga-Titel verpasst. Ihre Mission ist allerdings inzwischen nicht mehr der schnelle Flügellauf mit Torerfolg.
„Ich liebe es, den Ball zu fordern und ein Spiel zu gestalten. Mehr, als früher Treffer zu erzielen“, sagt Leonie Reiser, deren fußballerische Heimat nun die Sechser-Position ist. Als Bindeglied zwischen Deckung und Offensive fühlt sie sich wohl. Bei den Männern gefällt ihr gut, wie Bayerns Joshua Kimmich diese Rolle interpretiert.
Aus den Reihen der DFB-Kickerinnen sind vor allem Svenja Huth und Linda Dallmann trotz des enttäuschenden Abschneidens bei der WM Vorbilder für die 17-Jährige. „Die beiden sind auch nicht gerade groß geraten, haben sich aber auf hohem Niveau durchgesetzt“, schwärmt Leonie Reiser von den Mittelfeldspielerinnen der deutschen Nationalmannschaft.
Durchsetzen will sich auch die Schwarzwälderin, in der Schule ebenso wie auf dem Fußballfeld. Den Realschulabschluss hat sie schon in der Tasche und geht nun das Abitur an. Voller Optimismus und Tatenkraft, auch wenn ihr Terminkalender mit Unterricht, Lernen und dreimal wöchentlich Training mit den Fahrten vom Schwarzwald in den Hegau randvoll ist.
Erstes Pflichtspiel am 13. August
Dazu kommen die Spiele am Wochenende und das individuelle Krafttraining. Garantien, dass es mit der Oberliga klappt, erhält sie trotz des hohen Aufwands keine. „Ich kann ihr noch keinen Stammplatz versprechen“, sagt HFV-Trainerin Michaela Ruff offen, „wenn sie aber weiter so mitzieht, wird sie sicher ihre Einsätze bei uns bekommen.“
Ob sie bereits beim ersten Pflichtspiel des Hegauer FV am 13. August in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen den Chemnitzer FC auflaufen darf, ist ungewiss. Dass ihre Zeit aber kommen wird, davon ist sie überzeugt. „Mein großer Traum wäre der Aufstieg in die Regionalliga“, sagt Leonie Reiser, eine junge Frau, die weiß, was sie kann. Und – noch viel wichtiger – die weiß, was sie tun muss, um noch besser zu werden.