Ralf Kohlbrenner, haben Sie vor einem halben Jahr als Nachfolger von Jugendleiter Hermann Burger beim FC Bergalingen ein Himmelfahrtskommando übernommen?
(lacht) Wie kommen Sie denn auf diesen verwegenen Gedanken? Markus Meier und Markus Schmid, meine beiden Stellvertreter, und ich wussten sehr gut, auf was wir uns einlassen. Schließlich sind wir schon seit Jahren in der FCB-Jugendabteilung aktiv.

Nun, die Corona-Pandemie legt seit elf Monaten den Nachwuchsfußball fast lahm. Lediglich in den Sommer- und Herbstmonaten durften die Kinder ihrem Hobby frönen. Haben Sie überhaupt noch Jugendspieler beim FC Bergalingen?
Wir sind weit weg von einem Schreckensszenario. Der FC Bergalingen hat – Corona zum Trotz – eine sehr gut funktionierende Nachwuchsabteilung. Und das dank der soliden Arbeit seit vielen Jahren. Aktuell gibt es bei uns zwei Dutzend Frauen und Männer, die für rund 130 Kinder und Jugendliche in unseren Nachwuchsmannschaften verantwortlich zeichnen. Sie stemmen das als gut funktionierendes Team.
Eine enorme Anzahl an Trainern und Betreuern. Wie groß ist diese Abteilung?
Es macht uns sehr stolz, dass wir alle Altersklassen besetzt haben. Von den Bambini bis zu den C-Junioren betreuen wir beim FC Bergalingen die Mannschaften eigenständig. Die älteren Jahrgänge, B- und A-Junioren, haben wir seit einigen Jahren mit dem FC Wehr in einer Spielgemeinschaft.
Bergalingen selbst ist nun nicht wirklich groß. Wo kommen diese Kinder eigentlich her?
Der FC Bergalingen ist der einzige Fußballverein in der Gesamtgemeinde Rickenbach. Die Kinder kommen aus allen 13 Ortsteilen, aber auch aus den Nachbarorten zu uns. Bei uns ist jedes Kind herzlich willkommen.

Zur Person
Die Corona-Pandemie legte nicht nur den Spielbetrieb lahm, sondern verhinderte während der politisch beschlossenen Lockdowns ein geregeltes Training. Wie kommt ein kleiner Dorfverein durch diese Zeiten?
Ich könnte jetzt mit der Floskel „Zusammenhalten“ antworten. Das trifft es zwar auch, doch mit Parolen kommt ein Verein unserer Größe nicht weiter. Wir wollen einen wertvollen Beitrag für das Miteinander auf dem Hotzenwald leisten. Schließlich kümmern wir Jugendtrainerinnen und -trainer uns in erster Linie darum, dass der Verein auch in fünf, zehn und 20 Jahren noch ein wertvoller Teil unserer Gesellschaft ist. Wir bilden heute die Aktivspieler des FC Bergalingen von morgen aus.
Ein Konzept, das vermutlich aus der Not heraus geboren ist?
Auf keinen Fall. Unsere beiden Aktivmannschaften haben sich schon seit je her im Wesentlichen aus eigenen Spielern rekrutiert. Externe werden schnell heimisch, weil sich der Verein durchaus als Fußballfamilie sieht.

Auch so eine Floskel...
Ja, aber die trifft bei uns im Kern zu. Nahezu alle Trainerinnen und Trainer haben als Aktive bei uns im Verein gespielt – oder spielen immer noch. Selbst ältere Jugendspieler bringen sich schon wieder im Nachwuchs ein, in dem sie beispielsweise als Schiedsrichter für die E-Junioren zur Verfügung stehen. Auch Aktivspieler helfen bei C- und D-Junioren aus, wenn kein Verbandsschiedsrichter eingeteilt worden ist.
Und wie haben Sie es geschafft, während Corona die Nachwuchskicker bei der Stange zu halten?
In dem wir zu jeder Zeit versucht haben, mit großen und kleinen Ideen zu Kindern und Eltern den Kontakt zu halten.
Wie haben wir uns das vorzustellen?
Eltern und Kinder waren jederzeit auf dem Laufenden, was bei uns geschieht. Wir haben umgehend nach der Öffnung der Sportanlage nach dem ersten Lockdown nicht nur ein Corona-konformes Training angeboten, sondern während der Ferienzeiten auch auf die geltenden Reiseeinschränkungen für die Familien reagiert.
In welcher Form ist das geschehen?
Zunächst haben wir im Frühsommer in Zusammenarbeit mit den drei Rickenbacher Kindergärten und unserer Grundschule zwei Schnupper-Trainingstage angeboten. Diese Möglichkeiten haben über 30 Kinder genutzt, um den Verein kennenzulernen. Und ich denke, dass sie nicht nur wegen unser Welcome-Packages, eine Trinkflasche im FCB-Turnbeutel, viel Spaß hatten.
Und wie wurden dann die Ferien tatsächlich überbrückt?
Darüber hinaus haben wir unseren gesellschaftlichen Auftrag wahr genommen und während der Sommerferien keine Pause eingelegt. Wir haben ein Ferien-Training angeboten, das sehr gut genutzt wurde. Wir bekommen so viel Unterstützung von den Eltern. Das war für uns eine gute Gelegenheit, etwas zurückzugeben.
Wie sah es nach den Sommerferien bei den Trainingsabenden aus?
Unterm Strich ist unsere Abteilung im vergangenen Jahr sogar gewachsen. Alle Jugendspieler, die vor Corona bei uns waren, sind an Bord geblieben. Als Dankeschön und als Gemeinschaftssymbol haben wir sämtlichen Kindern für ihre Treue ein „Corona-Dankeschön-T-Shirt“ überreicht.

Solche Aktionen kosten doch auch Geld. Ist denn der FC Bergalingen finanziell so gut aufgestellt?
Die Kosten für dieses T-Shirt wurden aufgeteilt. Getragen wurden sie vom Hauptverein, Spenden und unseren Trainern, die auf ihr Jahresevent verzichteten, und dieses Geld für diese Aktion beisteuerten. Während der zweiten Lockdown-Phase haben wir Wintermützen, natürlich mit eingesticktem Vereinswappen, für unsere Jugendspieler organisiert. Außerdem haben wir – trotz Corona – für die E- und D-Junioren neue Trikotsätze anschaffen können. Das war nur möglich, weil örtliche Sponsoren, die sicher auch genügend Sorgen in diesen Zeiten haben, unsere Arbeit mit den Kindern wertschätzen und deshalb weiter unterstützen.
Dennoch fand über viele Wochen kein regelmäßiges Training statt. Wie wird das kompensiert?
In einigen Teams fand beispielsweise Jonglier-Challenges statt. Das spornte die Kinder an, es gab sogar schöne Preise zu gewinnen. Außerdem werden auch Online-Trainings angeboten. Das ersetzt natürlich nicht das Training auf dem Platz, ist jedoch tausend Mal besser, als gar nicht zu trainieren.
Wie reagieren denn die Eltern auf das Engagement des Vereins?
Wir bekommen immer wieder positive Rückmeldungen, aber nicht erst seit Corona. Schon immer wurden die Eltern in die Arbeit mit den Kindern eingebunden. Sie übernehmen die Bewirtung des Sportheims bei Spieltagen der F-Junioren sowie bei Heimspielen der älteren Nachwuchsmannschaften. Seit Jahren funktionieren die Fahrdienste zu Training und Auswärtsspielen ebenso reibungslos, wie das nicht sehr beliebte Waschen der Trikots.
Womit wir wieder bei der Fußballfamilie wären?
Richtig. Wir legen großen Wert darauf, dass die Kinder und Jugendlichen nicht einfach am Sportplatz abgegeben und zwei Stunden später wieder geholt werden. Trainerinnen und Trainer sollen Bezugsperson auf und neben dem Platz sein. Eine Mischung aus Kumpel und Ausbilder.

Und das kommt an?
Ja, wir arbeiten Hand in Hand mit den Eltern – was letztlich in unserer neuen Jugendordnung festgeschrieben ist.
Es gibt eine eigene Satzung?
Nun, wir haben ein umfassendes Jugendkonzept erarbeitet. Dazu gehört unter anderem die neue Jugendordnung. Wir stellen durchaus Ansprüche an Eltern und Kinder, was unseren Verein angeht. Ansprüche, die wir aber auch selbst erfüllen wollen. Die Jugendordnung regelt dabei das Zusammenleben in der FCB-Familie.
Und was steht sonst noch in Ihrem Jugendkonzept?
Zum einen die sportliche Seite. Es ist festgehalten, was und wie in der jeweiligen Altersstufe trainiert werden soll. Unsere Übungsleiter bilden sich regelmäßig fort, bringen also viel sportliche und pädagogische Qualität mit, die permanent ausgebaut wird. Etliche Trainer nehmen deshalb an den Kurzschulungen auf Bezirksebene teil. Der theoretische Teil findet in diesem Monat zwei Mal pro Woche per Online-Schulung statt. Geplant ist, dass die praktische Teil der Schulung bei uns in Bergalingen durchgeführt wird.
Damit sichern Sie also ein qualitativ gutes Training?
Ja, natürlich. Besonders stolz macht es, dass Gerrit Schenkewitz, Trainer der B-1-Junioren, in diesem Jahr vor der Abschlussprüfung zur B-Lizenz steht. Und dass fünf Bergalinger Jugendtrainer – Jürgen Kaiser, Markus Schmid, Markus Meier, Fabio Guarino und meine Wenigkeit – sich 2021 zum Lehrgang für die C-Lizenz in der Sportschule Steinbach angemeldet haben.

Das Sportliche ist aber nur ein Aspekt in Ihrem Jugendkonzept?
Richtig, unser Hauptaugenmerk haben wir auf den Kinder- und Jugendschutz gelegt, der ja aktuell in aller Munde ist. Alle Trainer müssen ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen – das ist vertrauensbildender Standard bei uns. Und nicht zuletzt sind wir stolz darauf, dass wir in Diana Merkle eine Kinder- und Jugendschutzbeauftragte als Ansprechpartnerin für Kindern und Eltern gefunden haben.
Ihre schlaflosen Nächte dürften sich also im Hinblick auf die Zukunft des FC Bergalingen in Grenzen halten. Was wünschen Sie sich in diesen Tagen?
Ganz klar – dass wir möglichst bald in eine Situation kommen, in der wir ohne Bedenken wieder ein geregeltes Training und einen geordneten Spielbetrieb aufnehmen können. Notfalls auch wieder in Kleingruppen, wie nach dem ersten Lockdown.
Und was machen Sie bis dahin?
(lacht) Sie denken, mir könnte es langweilig werden? Nein, keinesfalls! Wir drei an der Spitze der Jugendleitung feilen weiter an den verschiedenen Konzepten. Die Trainerausbildung und die Trainingskonzeption sind Dinge, die wir auch in dieser Zeit voran treiben können. Wir arbeiten jetzt gezielt auf den Tag X hin, an dem wir wieder auf den Platz dürfen. Dabei hoffen wir natürlich, dass unsere Aktivitäten fruchten und wir gestärkt auch aus dem zweiten Lockdown kommen.
Die Hoffnung stirbt also zuletzt?
Definitiv. Es macht mir Mut und Freude, wenn ich die vielen Videos sehe, die unsere Kinder – die uns übrigens ständig in den Ohren liegen, wann das Training endlich wieder losgeht – an die Trainer geschickt haben. In diesen Clips zeigen sie uns, wie wichtig ihnen der Fußball, ihre Sportkameraden und der FC Bergalingen sind.
Fragen: Matthias Scheibengruber