„Wenn die fußballerischen Voraussetzungen stimmen, würde ich es jedem Talent empfehlen, den Weg zu gehen, den auch ich gegangen bin“, sagt Luis Weber vom SV Jestetten mit überzeugendem Brustton: „Aber – und das ist wichtig – Träumer und Phantasten werden keine Chance haben.“ Wichtig sei, dass jugendliche Fußballer auf dem Boden der Realität bleiben, wenn ein Proficlub eine Ausbildung anbietet.
Diese gesunde Einstellung hat dem 17-jährigen Wirtschaftsgymnasiasten aus Baltersweil wohl den Sturz ins tiefe Loch der Enttäuschung erspart, als die Ausbilder beim SC Freiburg ihm vor gut einem Jahr – mitten im ersten Corona-Lockdown – offen ins Gesicht sagten: „Luis, das war‘s bei uns. Wir können dich nicht im Nachwuchsleistungszentrum behalten.“
Aus, vorbei – nach zwei Jahren voller Entbehrungen, großer Hoffnungen und ungezählten Fahrkilometern aus dem Jestetter Zipfel über den Feldberg zu vier Trainingsabenden pro Woche in den Breisgau.
Luis Weber traf der Schlussstrich nicht aus heiterem Himmel: „Du weißt von Anfang an, dass es schnell wieder vorbei sein kann.“ Für das hoffnungsvolle Talent zeichnete sich das Ende im zweiten Jahr ab: „Im Sommer 2019, beim Spiel mit der U17 des SC Freiburg in Jestetten gegen den FC Winterthur, war ich guter Dinge. Doch ich ahnte nicht, dass ich danach nur noch zwei, drei Spiele mache.“
Zahlreiche Verletzungen bereits in jungen Jahren
Das linke Knie meldete sich zurück. Schon 2018 war Luis Weber wegen einer Schleimbeutel-Reizung operiert worden. Dieses Mal war es eine Entzündung an der Patella-Sehne: „Das hing mit dem Wachstum zusammen. Ich konnte nicht viel machen – außer abwarten.“ Als die Schmerzen abgeklungen und erste Trainingseinheiten absolviert waren, folgten weitere Dämpfer: „Erst war es ein Muskelfaserriss, dann sogar ein Muskelbündelriss...“

Fünf Jahre zuvor hatte die spannende Reise ins Umfeld des Profifußballs begonnen. Luis Weber spielte bei den D-Junioren des FC Dettighofen. Schon früh hatte sich der Knirps als Talent entpuppt, mischte seine Gegenspieler auf. Papa Ralf Weber, einst als Torwart im Osten des Bezirks Hochrhein ein anerkannter Kicker, fasste sich ein Herz, klingelte beim FC Schaffhausen durch: „Mein Junior hat es drauf. Möchtet ihr ihn mal anschauen?“, warb er für den damals Elfjährigen.
Als Elfjähriger schon zum Kicken nach Schaffhausen
Am Rheinfall spielte der Realschüler vor, überzeugte die Nachwuchstrainer: „Das war ein ordentlicher Schritt für mich“, blickt Luis zurück: „Anfangs fuhr mein Papa mit zum Training. Bald aber schickten sie mich ganz allein los.“ Mit dem Bus fuhr er nach Jestetten, nahm dort den Zug nach Schaffhausen. Vom Bahnhof lief er allein zur Trainingsanlage „Breite“. Keine wirklich große Strecke, aber für einen Elfjährigen, seinerzeit eher ein zurückhaltender Zeitgenosse, eine echte Herausforderung.
Zur Person
Verglichen mit den zwei Jahren beim SC Freiburg sei der Aufwand im Rahmen geblieben, sagt Luis Weber heute, denn er weiß: „Schaffhausen tat mir nicht nur sportlich, sondern auch in meiner persönlichen Entwicklung gut.“ In der neuen Mannschaft galt es, sich den Platz in der neuen Umgebung zu erkämpfen: „Jeder will spielen, also darfst du kein Training verpassen, dir keine Nachlässigkeiten erlauben.“
Unterm Munot, dem Wahrzeichen der Stadt, lernte Luis Weber ungemein viel: „Plötzlich warst du nicht mehr der Beste auf dem Platz, sondern einer von vielen – eine enorme Umstellung.“ Die fußballerische Entwicklung schritt voran: „Du lernst beispielsweise, die Pässe so zu spielen, dass du irgendwann blind passen kannst.“
Stützpunkttraining des Bezirks Hochrhein in Lauchringen
Erst im dritten Jahr, als U14-Junior, stieg er mit dem FC Schaffhausen in den Spielbetrieb ein: „Zuvor wurde der Fokus auf die Ausbildung gelegt. Wir spielten meist gegen Talente aus Zürich oder St. Gallen – schon über 90 Minuten – aber in drei Blöcken.“
Das Talent reifte – nicht nur beim FC Schaffhausen, der drei Mal wöchentlich zum Training bat. Zusätzlich packte Luis Weber montags die Sporttasche, fuhr zum Stützpunkttraining des Bezirks Hochrhein in Lauchringen.
Hier feilten ausgebildete Experten wie Erkan Kanli, Martin Krieg und Fritz Schulz an den regionalen Talenten. Für Luis Weber war es letztlich auch der Türöffner zum SC Freiburg: „Bei einem Auswahlspiel fiel ich einem Scout auf. Prompt luden sie mich zum Probetraining ins Möslestadion ein.“
Für einen jungen Fußballer aus der Region gibt es kaum Schöneres, wenn der Bundesligist lockt. Luis Weber überzeugte beim Test im Breisgau, zählte fortan mit Torwart Marius Kaiser aus Krenkingen zur U16: „Das passte, denn wir konnten so eine Fahrgemeinschaft bilden.“ War ihm zuvor oft noch Zeit für seine Kumpels gegönnt und die Möglichkeit, die Schularbeiten stressfrei zu Hause zu erledigen, waren Luis‚ Tage ab sofort durchgetaktet.

„Morgens kurz nach sechs raus aus den Federn. Viertel vor acht ging die Schule los, bis 13 Uhr“, beschreibt Luis Weber seinen neuen Alltag: „Nach dem Mittagessen blieb kaum mehr Zeit für die Hausaufgaben, denn spätestens um 17 Uhr musste ich in Freiburg sein. Standen zusätzliche Einheiten im Kraftraum oder individuelles Training auf dem Plan, musste ich entsprechend früher dort auflaufen.“
Geld gibt es nur mit einem Vertrag in der Tasche
Gegen halb acht traten Marius Kaiser und Luis Weber wieder die Heimfahrt an: „Nach 22 Uhr waren wir in der Regel zu Hause. Hier ging es noch schnell über die Schulbücher, dann ins Bett.“ Und das vier Mal pro Woche – für lau: „Soll keiner glauben, dass wir als B-Junioren dort Geld bekommen haben“, betont Luis Weber: „Geld bekamen nur Spieler, die schon einen Vertrag unterschrieben hatten.“
Zu Beginn des zweiten Jahres beim SC Freiburg, im Sommer 2019 wechselte Luis Weber die Schule. Nach der erfolgreichen Mittleren Reife in Jestetten, war nun büffeln am Wirtschaftsgymnasium Waldshut angesagt. Der Schulweg wurde entsprechend länger: „Mit dem Bus bis Grießen und dann per Zug nach Waldshut – und mittags zurück.“ Nun blieb ihm noch weniger Freizeit, denn ein anvisierter Umzug ins Internat des SC Freiburg zerschlug sich: „Es war leider kein Platz für mich frei.“
Aufgeben wegen der Verletzung war keine Option
Luis Weber biss sich durch, nahm Nachhilfe, weil die Noten etwas nachließen. Bis ihn das linke Knie kalt erwischte: „Das war bitter. Je länger ich verletzt war, um so mehr wurde mir klar, dass es eng wird, in Freiburg bleiben zu dürfen.“ Aufgeben war aber keine Option. So oft es ging, fuhr Luis mit Marius Kaiser und dem mittlerweile ebenfalls zum SC Freiburg gewechselten Marek Bleise aus Jestetten zum Training: „Reha, Aufbautraining und einfach nur dabei sein. Mir war es wichtig, den Kontakt zur Mannschaft behalten.“
Heute, wenige Tage vor seinem 18. Geburtstag, ist Luis Weber mit sich im Reinen: „Es war eine interessante und lehrreiche Zeit. Ich bereue keinen Tag, trotz des Aufwands. Da ich nie die Ambitionen hatte, unbedingt Profi werden zu wollen, war das Ende vermutlich erträglicher für mich“, blickt er auf fünf spannende Jahre als Fußball-Azubi zurück: „Ich habe mir beim FC Schaffhausen und beim SC Freiburg eine Basis geschaffen, von der ich in Zukunft profitieren kann“, sagt er mit Blick auf den kommenden Sommer.
Der 1. FC Rielasingen-Arlen holte sich schließlich den Spieler
Obwohl er derzeit zum Bezirksliga-Kader des SV Jestetten zählt, hat er im Fußball-Fahrstuhl bereits den Knopf für die drei Etagen höhere Oberliga gedrückt. Der 1. FC Rielasingen-Arlen sicherte sich vor Jahresfrist bereits die Dienste des Talents. Bis dahin weiß der Club den jungen Spieler beim SV Jestetten in guten Händen.
Bis zum Lockdown, Ende Oktober 2020, trainierte Luis Weber parallel in Jestetten und im Hegau – alles in Absprache mit den Trainern, die seine Entwicklung im Auge haben. Als Luis Weber auf Einladung von Sportchef Daniel Ramirez im Seestadion erstmals auftauchte, war Michele Masi bald klar, welche Qualität in dem 17-Jährigen schlummerte. So lag es nahe, dass er seinem Schwager Michael Schilling den Youngster ans Herz legte: „Der Junge ist zu gut für die Bezirksliga.“
Allerdings gelang es Luis Weber im Herbst nur ansatzweise, sein wahres Können zu zeigen: „Da habe ich noch Luft nach oben“, schätzt er sich realistisch ein: „Obwohl mich die Mannschaft super aufgenommen und integriert hat, war die Umstellung enorm.
Emotionen kommen direkt von den Rängen aufs Feld
Ich muss mich noch deutlich verbessern.“ Vor allem die Zuschauerkulisse bei Heimspielen hat ihn beeindruckend: „Beim SC Freiburg war es meist total ruhig auf dem Platz. Davon kann in der Bezirksliga keine Rede sein“, gibt er zu, dass ihn die Emotionen von draußen eher irritiert als angespornt haben.
Allein deshalb hofft Luis Weber auf eine baldige Rückkehr in den geregelten Trainings- und Spielbetrieb: „Momentan halte ich mich mit Work-Outs und Jogging fit. Man will ja nicht ganz einrosten. Aber so fit wie im Herbst bin ich längst nicht mehr“, gibt er offen zu.
Ein Sportstudium würde ihn reizen
Schließlich will er sich spätestens ab Ostern für höhere Aufgaben empfehlen: „Ich gehe im Moment davon aus, das der Wechsel trotz der erneuten Corona-Zwangspause klappt“, sieht Weber beim Oberligisten seine Chance: „Noch weiß ich nicht konkret, was ich nach dem Abitur im kommenden Jahr machen werde, aber ein Sportstudium würde mich schon reizen. Ideal wäre es, wenn ich Studium und höherklassigen Fußball miteinander verbinden könnte“, deutet er seinen Berufswunsch an: „Trainer oder Sportlehrer könnte mir gefallen.“
Spätestens dann, wenn dieser Berufswunsch für Luis Weber einmal Wirklichkeit geworden ist, kommt vielleicht der Tag, an dem ein Elfjähriger vor ihm steht und ihm von einem Angebot eines Bundesligisten erzählt: „Mach es! Es hilft dir als Jugendlicher, viel schneller als deine Altersgenossen, als Persönlichkeit zu reifen, selbstständig zu werden – und du hast die Chance, ein richtig guter Fußballer zu werden.“