In diesen Zeiten rücken sportliche Erfolge in den Hintergrund. Das geht auch Marcel Kieliszek so. Der 50-jährige Trainer, der vor wenigen Wochen die Zusage für eine weitere Saison beim FC Geißlingen gegeben hat, ist wie alle Kicker etwas Corona-müde und sehnt sich wieder normale Zeiten herbei. Dem passionierten Motorradfahrer, der so gern Konzerte oder Festivals besucht, fehlt auch die Zeit mit seinen Kollegen vom FC Geißlingen. Nach Training oder Spiel zusammensitzen im Vereinsheim? Schön wär‘s.
Einige Jahre Jugendarbeit hatte Kieliszek beim FC Geißlingen hinter sich, bevor er sich im Sommer des vergangenen Jahrs dazu entschloss, es mit der „Ersten“ des Vereins zu versuchen.

Trotz einer harzigen Saison mit viel Verletzungspech, in der es Corona-bedingt nur zu zehn Spielen reichte, hat er es nie bereut, das Traineramt bei den Aktiven übernommen zu haben: „Wir haben eine super Truppe. Mir macht es viel Spaß mit meinen Geißlinger Jungs.“ Fast nur Einheimische hat der Verein am Start und die Auswärtigen passen auch super zur Mannschaft. Kieliszek ist sich sicher, dass er sich bei Wiederaufnahme des Spielbetriebs hundertprozentig auf sie verlassen könne.
Papa und Opa haben ihn geprägt
Der gebürtige Klettgau-Bühler Marcel Kieliszek bezeichnet sich selbst als „Klettgauer mit Leib und Seele“, wobei auch die angrenzende Gemeinde Dettighofen eine Bedeutung in seinem Lebenslauf hat. Der Bautechniker, der im schweizerischen Döttingen arbeitet, entstammt einer Fußballerfamilie. Sein Großvater Johann war Ehrenmitglied des FC Grießen, sein Vater Hans-Peter Spieler, Trainer und Funktionär beim FC Dettighofen.
Oft war er mit seinem Vater auf dem Dettighofer Sportplatz, aber zum Fußball hat es ihn erst relativ spät – im Alter von 15 Jahren – gezogen. Zuvor war er begeisterter Kunstturner beim TV Grießen gewesen. Dann allerdings hat sich der Fußball immer mehr in den Vordergrund gedrängt, so dass er schließlich noch ein paar Jahre im Nachwuchs des FC Dettighofen dem Ball nachjagte. „Drei Jahre waren es bei den A-Junioren, da der Verein keine B-Junioren-Mannschaft hatte“, erinnert er sich.
Auch als Aktiver spielte Marcel Kieliszek zunächst für den FC Dettighofen, dessen erste Mannschaft damals vom leider im vergangenen Jahr verstorbenen Hartmut Holmann trainiert wurde. Ein paar Jahre kickte Kieliszek in der „Ersten“ und auch in der „Zweiten“ des Vereins, ehe es ihn 1992 erwischte: Ausgerechnet bei einem Grümpelturnier in Grießen riss ihm das Kreuzband im Knie. „Ich habe das erst nicht operieren lassen, da ich Ende des Jahres für drei Monate nach Australien bin“, sagt er. Die nötige Operation folgte erst im Jahr darauf.

Es sollte ein weiteres Jahr dauern, bis er sich wieder ein Fußballtrikot überstreifen sollte. Und es sollte nicht das Leibchen des FC Dettighofen sein. 1994 feierte Kieliszek jedenfalls sein Comeback als 24-Jähriger beim FC Geißlingen, der bis heute seine fußballerische Heimat bleiben sollte.
Das Knie macht ihm zu schaffen
Was sich allerdings auch im neuen Verein nicht änderte, waren seine gesundheitlichen Probleme. Immer wieder schmerzte das Knie: Meniskus- und Knorpelschäden machten ihm zu schaffen. „Das ging sechs oder sieben Jahre so weiter“, kann er sich noch heute an seine Aktivenzeit erinnern: „In der Saison 1999/2000 habe ich unseren damaligen Trainer Thomas Röder als Co unterstützt. Meine Zeit als Aktiver war aber vorbei, als ich 30 Jahre alt war.“
Damals hatte er parallel zu seinem Engagement bei den Aktiven schon ab und zu mal in der Jugendabteilung seines Vereins ausgeholfen. Ab der Saison 1996/97 übernahm er offiziell die C-Junioren des FC Geißlingen, ehe er im Jahr 2001 Jugendleiter des Vereins wurde und seine Trainertätigkeit ruhen ließ. „Wir hatten damals Spielgemeinschaften mit dem FC Grießen, FC Erzingen und FC Dettighofen. Das hat ganz gut funktioniert“, so Kieliszek, der aber zugibt, dass ihm die praktische Arbeit als Trainer bisweilen schon etwas fehlte.
Nach vier Jahren als Jugendleiter war er ab 2005 jeweils zwei Jahre lang Beisitzer im Vorstand und Stellvertretender Vorsitzender. Kieliszek: „2009 musste ich eine kleine Pause einlegen, weil ich ein Techniker-Fernstudium neben meiner Arbeit machte. Das war eine stressige Zeit.“
Der Fußball ließ ihn aber auch während dieser Zeit nicht los. Dafür sorgte sein Sohn Marvin, der bei den F-Junioren des FC Geißlingen seine ersten fußballerischen Versuche machte. „Bei den Turnieren war ich immer dabei“, blickt der Vater zurück. „Das war eine tolle Zeit, auch als er später bei den E- und D-Junioren gespielt hat. Da sind viele Freundschaften mit Eltern anderer Spieler entstanden, die bis heute Bestand haben.“
Als Marvin ab 2015 bei den C-Junioren spielte, übernahm Marcel Kieliszek das Team als Trainer. Auch in dessen B-Junioren-Zeit war er noch ein Jahr lang in dieser Funktion verantwortlich, ehe er die Mannschaft abgab und nur noch bei personellen Engpässen aushalf. „2019 hab ich eigentlich nichts im Verein gemacht“, schmunzelt er, ehe er im Sommer des vergangenen Jahrs Trainer der Aktiven wurde. „Das war so nicht geplant“, sagt er heute. Andreas Bauhuber hatte seinen Rückzug als Trainer der ersten Mannschaft angekündigt. Die Suche nach einem Nachfolger sollte sich als schwierig erweisen: „Im April 2020 hatte ich unserem Sportlichen Leiter Stefan Grießer noch abgesagt. Im Juni hat er mich nochmals gefragt.“ Zwei Wochen vor dem Start der Vorbereitung gab Kieliszek seine Zusage.

Zur Person
In der abgebrochenen aktuellen Corona-Saison hat er die Stärken seines Dorfvereins schätzen gelernt: „Wir hatten manchmal zehn verletzte Spieler. Dann haben wie selbstverständlich Akteure aus der Reserve oder ehemalige Spieler ausgeholfen.“ Sogar Spieler der A-Junioren hatten schon mal das Trikot der Aktiven angezogen. Auf die A-Junioren, bei denen sein Sohn mittlerweile spielt, hält Marcel Kieliszek große Stücke: „Fünf A-Junioren wechseln im Sommer zu den Aktiven. Sie haben alle das Potenzial, den Sprung zu schaffen.“
Es wird die Aufgabe des Trainers sein, den Nachwuchs einzubauen: „Das wird einen Umbruch geben, da wir doch ein paar Spieler jenseits der 30 in unserem Stamm haben.“ Sein Vorteil wird sein, dass er die Nachrücker kennt. Er hatte sie schon in deren C-Junioren-Zeit trainiert. Außerdem ist allen Verantwortlichen wichtig, der Maxime des Vereins treu zu bleiben, auf den eigenen Nachwuchs zu setzen.
Fußballer und die Musik
Geld für starke auswärtige Spieler will man beim FC Geißlingen nicht in die Hand nehmen. Kieliszek: „Wir fühlen uns wohl in der Kreisliga A. Wir haben viele Derbys. Auch im Vereinsleben unseres Dorfs sind wir integriert.“ Bestes Beispiel: Fast die halbe Mannschaft spielt noch im Geißlinger Musikverein. Kein Wunder, dass bei den Fußballern nach den Spielen im Vereinsheim nicht nur der Trauermarsch geblasen wird.
Bis dies aber hoffentlich bald wieder soweit ist, halten sich die Kicker einmal wöchentlich bei einem digitalen Training fit. Dieses wird von der Freundin eines Spielers geleitet. „Besser als nichts zu tun in dieser Zeit“, sagt Kieliszek, der mit seinen Jungs den ersten Spielen nach dem Lockdown entgegen fiebert. Fußballer fühlen sich eben nur auf dem Platz so richtig wohl.