Fußball-Oberliga: FC 08 Villingen – FSV Bietigheim-Bissingen 3:2 (2:1). Dieser Samstag hatte es rund um die Villinger Heimspielstätte in sich. Wie ein Lauffeuer machte es bereits am Mittag durch den Friedengrund die Runde. Zunächst nur als Gerücht, dann bewahrheitete sich jedoch die Sache: Ryszard Komornicki hat als Trainer des FC 08 Villingen den Bettel hingeschmissen. Und dies nach einem ganz starken Saisonstart mit zwei Siegen in der Liga sowie zwei weiteren im Pokal und ausgerechnet unmittelbar vor dem Heimspiel gegen Bietigheim-Bissingen. Ein – um es gelinde auszudrücken – aus Sicht des Vereins extrem ungünstiger Zeitpunkt. Aus privaten Gründen, wie der FC 08 durch Pressesprecher Alexander Rieckhoff verlauten ließ.

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Erste dringliche Fragen, die dadurch aufkamen: Wer stellt nun die Mannschaft auf, wer gibt die spielerische und taktische Marschroute vor, wer sitzt auf der Bank? Alle drei waren relativ leicht zu beantworten: in Bezug auf die ersten beiden waren gar keine Veränderungen notwendig, Villingen startete in exakt jener Formation und mit der gleichen Ausrichtung wie in den beiden Oberliga-Partien zuvor, den Part an der Seitenlinie übernahmen Sport-Vorstand Denis Stogiannidis und Athletik-Trainer Alois Ribeiro.

Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn angesichts dieser personellen Entwicklung das Spiel selbst in den Hintergrund geraten wäre. Doch die Dramaturgie ließ, zumindest für den Augenblick, alles andere vergessen. Stark angefangen, stark nachgelassen, zwei Platzverweise und der Siegtreffer ganz kurz vor dem Ende in doppelter Unterzahl durch ein „Tor des Jahres“ aus mehr als 50 Metern – so die Kurzfassung. Doch der Reihe nach. Zunächst hatte es nicht den Eindruck, als habe der kurzfristige Weggang des Trainers für die totale Verunsicherung geführt. Keine zehn Minuten waren gespielt, da brachte Abdu M‘Boob sein Team in Führung. Auf Vorlage von Ergi Alihoxha scheiterte er noch im ersten Versuch an Gäste-Schlussmann Sven Burkhardt, verwandelte aber den Abpraller.

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Wie aus dem Nichts heraus kam Bissingen mit dem ersten Angriff überhaupt zum Ausgleich (15.). Valentyn Podolsky wurde nicht konsequent genug gestört, durfte abziehen und stellte auf 1:1. Der FC 08 schüttelte sich kurz, fand schnell zu alter Dominanz zurück und ging nach einer feinen Aktion von Kapitän Tevfik Ceylan, der sich seit Wochen in überragender Form befindet, erneut in Führung.

Es war insgesamt ein guter Auftritt von Villingen in diesem ersten Durchgang. Umso überraschender, was nach dem Seitenwechsel passierte. Fehlpass reihte sich an Fehlpass, viel zu schnell wurde der Ball wieder hergegeben. Da war der Ausgleich durch Nesreddine Kenniche, der völlig ungehindert zum Kopfball kam, die fast schon logische Konsequenz. Dann kam es für die Schwarz-Weißen knüppeldick. Innerhalb von nur drei Minuten flogen gleich zwei Villinger vom Platz. Frederick Bruno nach einer Notbremse und Ceylan infolge einer angeblichen Tätlichkeit („Ich wurde gefoult, bekam einen Ellenbogen ins Gesicht. Dadurch drehe ich mich. Das sah mit Sicherheit blöd aus, war aber alles andere als ein Nachtreten.“). Der FC 08 war somit mehr als eine Viertelstunde in doppelter Unterzahl.

Bei den 700 Besuchern stellte sich die bange Frage: Kann wenigstens dieser eine Punkt gerettet werden? Das große Zittern begann, denn Bissingen startete Angriff auf Angriff in Richtung Dennis Klose im Villinger Kasten. „Diese Angriffe haben wir nicht gut zu Ende gespielt“, musste Gäste-Trainer Markus Lang anschließend eingestehen. So sorgte Tim Zölle für diesen einen Moment, der den Friedengrund zu einem Tollhaus werden ließ. Er hatte realisiert, dass Burkhardt weit vor seinem Tor stand, zog von hinter der Mittellinie ab und per Bogenlampe senkte sich der Ball ins Netz. Kein Wunder, dass der Jubel bei Spielern und Zuschauern gleichermaßen kein Ende fand. „Jeder im Team hat sein Herz auf dem Platz gelassen. Die Mentalität, die Komornicki hinterlassen hat, wurde deutlich“, meinte Stogiannidis.

Tore: 1:0 (9.) M‘Boob, 1:1 (15.) Podolsky, 2:1 (30.) Ceylan, 2:2 (66.) Kenniche, 3:2 (89.) Zölle. Schiedsrichter: Pfau (Achern). Zuschauer: 700. Besondere Vorkommnisse: Rote Karten Bruno (70.) und Ceylan (73.).

FC 08 Villingen: Klose, Krieger, Zölle, Bruno, Stüber (ab 90. + 4 Rodewald), Busam, Pintidis (ab 67. Boulachab), Alihoxha (ab 79. Albrecht), Ceylan, M‘Boob (ab 84. Cristilli), Sökler.

Spielerstimmen:

Nach dem Abpfiff gab es natürlich vor allem zwei Themen im Friedengrund: Der Abgang von Trainer Ryszard Komornicki und die verrückten 90 Minuten. Zum Trainer wolle sich keiner so richtig äußern, dann lieber zum kuriosen Geschehen auf dem Spielfeld:

Kapitän Tevfik Ceylan: „Alles, was Drumherum passiert, ist nicht unser Bereich. Wir konzentrieren uns auf das Sportliche. Der Sieg ist für die Mannschaft, durch das Traumtor von Tim holen wir mit zwei Mann in Unterzahl noch drei Punkte. So verrückt ist Fußball, ich bin einfach nur überglücklich. Das zeigt den Charakter innerhalb unseres Teams.“

Tim Zölle: „Der Zeitpunkt des Trainerabgangs war natürlich schwierig, seine Handschrift war aber in diesem Spiel deutlich zu erkennen. Was will ich mehr dazu sagen? Bei meinem Treffer habe ich schon die ganze Zeit über gesehen, dass der Torhüter weit vor seinem Kasten steht. Die Bietigheimer hatten wohl nicht damit gerechnet, dass wir überhaupt noch einmal in die Nähe ihres Tores kommen. Ich habe es dann einfach mal probiert, wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“

Frederick Bruno: „Ich bin gespannt, wie es jetzt weitergeht.“

Marcel Sökler: „Von Anfang an habe ich betont, wie wohl ich mich hier fühle und wie gut ich aufgenommen wurde. Daran hat sich nichts geändert. Dies spiegelt sich dann auch auf dem Platz wider, dass man für seinen Vorder- oder Hintermann alles gibt.“