Vincent schaute ein bisschen verängstigt. Der kleine Kerl, dessen Konterfei in den vergangenen beiden Saisons und auch in Zukunft die Maske seines Vaters zierte, begriff vermutlich als Einziger in der Schwenninger Helios Arena nicht so ganz, was am Spätnachmittag des 29. Januar 2023 passierte.

Sein Papa, der den heute Dreijährigen auf dem Arm trug, kam nach dem 2:1-Sieg seiner Wild Wings gegen die Fischtown Pinguins aus Bremerhaven nochmal aufs Eis und wurde gefeiert. Lautstark und hochemotional, manch‘ ein Zuschauer wischte sich verstohlen ein Tränchen aus dem Augenwinkel. Wann hatte zuletzt ein Eishockeyprofi die durchaus leidgeprüften Schwenninger Fans derart euphorisiert?
An jenem Nachmittag verkündete Stadionsprecher Domenic Liebig, ebenfalls sichtlich ergriffen, die Verlängerung des Vertrages der Wild Wings mit ihrem Torhüter Joacim Eriksson um drei weitere Jahre. Der Schwede wollte diese nicht nur für die Schwenninger gute Nachricht unbedingt auf dem Eis mit den Fans feiern: „Es war ein unglaubliches Gefühl. Dass ich das mit meinem Sohn erleben durfte, macht es noch größer.“
Der Mann mit der Maske im Gehäuse des DEL-Klubs versteckt sich so gar nicht hinter selbiger. Joacim Eriksson ist vielmehr ein unglaublich offener und zugänglicher Zeitgenosse. In den sozialen Medien lässt der 33-Jährige Fans und Freunde an seinem Leben teilhaben.
Bereitwillig zeigt er seine Aktivitäten in seiner schwedischen Heimat und in Villingen-Schwenningen gemeinsam mit seiner Verlobten Amanda Holmqvist und Söhnchen Vincent.
„Ich bekomme dafür sehr viel positives Feedback. Als ich ein Kind war, wollte ich so viel wie möglich über meine damaligen Helden wissen. Damals ging das nicht, ich kann das heute den Kindern ermöglichen. Wenn ich dadurch die Kinder für unseren Sport begeistern kann, bedeutet mir das viel. Ich erinnere mich, wie es sich für mich angefühlt hat, wenn ich mit einem meiner Lieblingsspieler sprechen konnte. Das möchte ich zurückgeben“, erklärt Eriksson seine Offenherzigkeit.
Eine Offenherzigkeit, die er im Übrigen auch rund um die Helios Arena genau so lebt. Der Goalie hat immer Zeit für ein paar nette Worte mit den SERC-Anhängern, ein Foto oder auch einfach ein Lächeln. „Die Fans haben uns hier nie um Stich gelassen, haben uns immer unterstützt. Wir wollen vor allem für sie und den Klub das Beste geben, für das Herz der Wild Wings. Die Fans tun dasselbe.“
Für die kleine Familie ist die Doppelstadt zudem in den vergangenen drei Jahren zur Heimat geworden. Eriksson hat dabei tolle Erfolge auf dem Eis gefeiert, wurde unter anderem nach der Saison 2020/21 als „DEL-Torhüter des Jahres“ ausgezeichnet.
Aber der Mann aus Hedesunda hat auch schwere Zeiten gehabt. Im April 2021 eilte er ans Krankenbett seiner Mutter, die kurz darauf verstarb. Mit emotionalen Worten dankte er den Verantwortlichen der Wild Wings für ihr Verständnis und den Fans für ihr tröstendes Plakat.
In den darauffolgenden Monaten bangten Eriksson und Lebensgefährtin Amanda Holmqvist gleich zwei Mal um ihren Sohn, der mit Atemwegsinfekten ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Auch in diesen Zeiten zeigten die Schwenninger Anhänger ihre Zuneigung.
Nicht nur erneut durch ein anrührendes Plakat in der Halle, sondern auch mittels eines übergroßen Plüschbären über den sich der kleine Vincent nach seiner Genesung mächtig freute. „Diese Unterstützung, die wir erfahren haben, das geht weit über den Sport hinaus. Die Fans, die Mannschaft und der ganze Klub waren für uns da. Das berührt uns sehr und wir werden mit dieser Stadt immer verbunden sein. Es war auch dadurch sehr einfach, sich für eine Vertragsverlängerung zu entscheiden“, erinnert sich Joacim Eriksson an das Gute in schweren Zeiten.
Der Sohnemann längst ein Star im Stadion
Derweil ist der umtriebige Sohnemann längst ein Star im Stadion. Die Fernsehkameras suchen ihn, die Fans kennen ihn alle. „Er genießt das richtig, macht noch extra Faxen“, lacht der Torhüter und hat Spaß daran, seinen Junior so aufwachsen zu sehen. „Diese Stadt ist mehr als eine zweite Heimat. Wir sind ja sogar mehr hier im Schwarzwald als in Schweden. Es ist einfach immer schön, wieder herzukommen. Wir fühlen uns wirklich zuhause“, so der Mann mit der Rückennummer 60.

Das gilt auch und vor allem für Sohn Vincent, der inzwischen auch seit einem Jahr in einen Kindergarten geht. Und damit seinem Papa deutlich etwas voraus hat: Der kleine Eriksson spricht besser Deutsch als der große. „Plötzlich kam er nach Hause und sagte: ‚Papa, Schuhe aus‘ oder ‚ich will Kleber‘ und ich habe ihn nicht verstanden. Das stachelt mich jetzt richtig an“, grinst der Vater. „Es kann ja nicht sein, dass er besser Deutsch spricht als ich.“
Ganze drei Jahre hat der Rechtsfänger nun noch Zeit, auch diese Herausforderung zu meistern. Die Herausforderung auf dem Eis dürfte weitaus größer sein. In den ersten drei Spielzeiten mit dem Schweden im Tor reichte es für die Schwenninger Wild Wings nicht für die Playoffs.
Das soll sich nun endlich ändern. „Ich will Teil dieser Reise sein. Ich möchte erleben, wie diese Fans hier in den Playoffs sind. Wir können mehr, da bin ich sicher. Ich hoffe, es wird dieses Mal reichen“, freut sich der Fan-Liebling auf die kommende Spielzeit.
Und hätte sicher nichts dagegen, wieder mit Vincent aufs Eis zu gehen und mit den Fans das Erreichen der Playoffs zu feiern.