Tabellenletzter, sechs Punkte aus elf Spielen, schon sieben Zähler Rückstand auf den angestrebten 10. Platz – die Wild Wings haben nicht nur ein Problem, sondern eine Vielzahl an Baustellen. Die Analyse eines erschreckenden Saisonstarts.
„Wir woll‘n Euch kämpfen seh‘n“, hallte es am Sonntagnachmittag in der letzten Minute unüberhörbar durch das weite Rund der Helios-Arena. Die Schwenninger Fans machten einerseits ihrem Unmut Luft, wollten aber andererseits ihrem Team die Unterstützung auch nicht gänzlich versagen. Und doch legten die treuen Anhänger mit diesem Weckruf den Finger in eine Wunde. Indes: Finger bräuchte es viele, denn Wunden gibt es einige. Sicher, die Partie gegen die Iserlohn Roosters (2:4) war um einiges besser als das Spiel zwei Tage zuvor in Köln (1:5). Doch Punkte gab es wieder keine, die Verbesserung eher von ultraschwach zu einigermaßen ansehnlich.
Am Ende blieben die Fragen nach der Zukunft des Trainers, der tatsächlichen Stärke des Kaders und danach, wer eigentlich welche Verantwortung trägt. So geisterten am frühen Sonntagabend die ersten Gerüchte durch die Helios-Arena, dass Chefcoach Niklas Sundblad bereits entlassen worden sei. „Nein, der Trainer ist im Amt“, stellte Sportdirektor Christof Kreutzer am Montag klar. „Natürlich beobachten wir die Entwicklung genau und wissen auch um die veränderte Situation dieser Saison aufgrund des möglichen Abstiegs. Das Trainerteam genießt aber weiter unser Vertrauen.“
Nun ja, der „Alleinschuldige“ ist Sundblad sicher nicht. Fakt ist: Trainer und Sportdirektor haben die Mannschaft für die laufende Saison gemeinsam zusammengestellt. Und sie haben ohne Not Veränderungen vorgenommen, die sich als offensichtlich falsch erweisen. Zunächst hatte Kreutzer gegen Ende der letzten Spielzeit von punktuellen Verstärkungen gesprochen, die man tätigen wollte. Vier bis maximal fünf Spieler sollten ausgewechselt werden. Schließlich gingen nicht weniger als zehn Profis, darunter die beiden Topscorer der vergangenen Runde, Troy Bourke und Andreas Thuresson. Zumindest Thuresson wäre gerne in Schwenningen geblieben, man wurde sich finanziell aber nicht einig. Beide Stürmer wurden nicht adäquat ersetzt.
Unterschätzt haben die sportlich Verantwortlichen der Wild Wings im Rückblick die Wichtigkeit von Christopher Fischer und Alexander Weiß. Beide waren in der Kabine das Bindeglied zwischen allen Mannschaftsteilen, echte Leader und mit großem Kämpferherz ausgestattet. In der aktuellen Mannschaft fehlt dieser unbedingte Wille, diese Mentalität, für den Erfolg auch das letzte Hemd zu geben. Einzig Kapitän Travis Turnbull lebt diese Qualitäten vor. Die Einsatzbereitschaft ist dem Team nicht abzusprechen, doch totale Leidenschaft sieht anders aus. Was wiederum eine der großen Stärken der letztjährigen Wild Wings war.
Zudem haben etliche Neuzugänge nicht wie erhofft eingeschlagen. Ausnehmen muss man dabei Ken-André Olimb, Alexander Karachun und mit Abstrichen Max Görtz. Doch speziell die mit blumigen Worten angekündigten Patrik Lundh und Niclas Burström spielen bislang keine, beziehungsweise die falsche Rolle. Lundh agierte in seiner schwedischen Heimat beinahe in jeder Mannschaft nicht als Goalgetter, sondern als hart arbeitender und zweikampfstarker Teamplayer. In der SHL lag sein Punkteschnitt (Tore und Vorlagen) bei rund 23 pro Saison. Nun werden vom 33-jährigen Stürmer plötzlich Fähigkeiten gefordert, die er eigentlich nicht besitzt.
Gleiches gilt für Landsmann Burström, den Trainer Sundblad zuletzt gar in die Offensive beordert hatte. Als Offensiv-Verteidiger angekündigt, gehen Burström die Passgenauigkeit und Spielübersicht bislang ab. In Überzahl ist er mit seinen 74 Kilogramm und 1,78 Metern der Mann im Slot, statt der Lenker und Denker. Diese Position als Spielgestalter im Powerplay muss nun wiederum John Ramage einnehmen. Der Neuzugang von Meister Eisbären Berlin war bei den Hauptstädtern eher fürs „Grobe“ zuständig, ein klassischer Defensiv-Verteidiger.
Stichwort Powerplay, letzte Saison ein Qualitätsmerkmal der Wild Wings, nun eine Schwäche. Gegen Iserlohn durften die Schwäne vier Mal in Überzahl ran, daraus resultierte eine (!) gefährliche Aktion. Neun Überzahltore bei 46 Gelegenheiten stehen für Schwenningen zu Buche, vier davon erzielte man beim 8:3-Sieg gegen Nürnberg. Dennoch stehen immer wieder dieselben Formationen auf dem Eis, agieren nach demselben System.
Helfen könnten zumindest ein Stück weit ein oder mehrere neue Spieler, vorzugsweise Neuzugänge, die wissen, wo das Tor steht. Auf der Wunschliste stehen Nordamerikaner. Man wäre bereit, beide verbliebenen Ausländer-Lizenzen zu vergeben. Zudem sieht man sich auf dem deutschen Markt um, beobachtet beispielsweise auch den in Berlin unzufriedenen Mark Zengerle. Noch ist aber keine Verstärkung in Sicht. „Der Markt ist mehr als schwierig. Wir haben etliche Anfragen an Agenten laufen, aber es gibt derzeit nicht viele Spieler, die nach Deutschland möchten“, erklärt Kreutzer, dem kein allzu gutes Netzwerk in Nordamerika nachgesagt wird.
Als Fazit bleibt derzeit nur, dass Sportdirektor und Trainer im Sommer keine wirklich passende Mannschaft zusammengestellt haben. Der Schwenninger Kader war von Beginn an zu dünn geplant, die Rollenspieler funktionieren nicht. Die Qualität in der Defensive passt noch einigermaßen, in der Offensive aber mangelt es an Effizienz und über weite Strecken auch an Können. Der Kampf gegen den Abstieg wird zur Herkulesaufgabe.