Sturmhaube, Pistolenattrappe, mehr braucht man nicht für einen Überfall, häufig nicht mal das. So denken wohl viele der Täter. 59 Raubüberfälle gab es im Thurgau im Jahr 2022, ein Jahr zuvor waren es 25. Viele Täter werden geschnappt und die Strafen sind happig.
Es lohnt sich eben doch nicht. Bei Raubüberfällen hat die Kantonspolizei Thurgau ein recht gutes Händchen. Bei mehr als zwei Drittel aller Fälle wurden 2021 die Täter gefasst. Damit ist die Erfolgsquote fast dreimal so hoch wie bei anderen Vermögensdelikten.
Der hohen Aufklärungsquote steht eine große Zahl von Delikten gegenüber. Innerhalb eines Jahres hat sich im Thurgau die Zahl der Raubüberfälle mehr als verdoppelt: Von 25 auf 59 im Jahr 2022. Verantwortlich für diese Steigerung sind aber nicht die Überfälle auf Tankstellenshops, wie man annehmen möchte, sondern die Angriffe auf Personen, denen Geld oder Wertsachen abgenommen wurden.
Die Täter sind überwiegend jung und männlich. Es sind in der Regel keine Kriminaltouristen, wie etwa bei Einbrüchen in Häuser und Wohnungen. „Die Täter haben häufig einen regionalen Bezug“, sagt Daniel Meili, Mediensprecher der Kantonspolizei Thurgau.
Taten sind oftmals nicht von langer Hand geplant
Über die Gründe für den Anstieg der Raubüberfälle mag die Polizei nicht spekulieren. Beim Blick in die Gerichtsberichte zeigen sich jedoch ein paar Auffälligkeiten: Die Taten wirken eher dilettantisch, jedenfalls nicht von langer Hand geplant. Die Gründe, mit welchen die Beschuldigten ihr Tun rechtfertigen, sind erschreckend banal. Keine Arbeit und damit auch kein Geld, manchmal sind auch Drogen oder Alkohol im Spiel.
Ein 20-Jähriger erklärte dem Richter, er habe den Überfall begangen, weil er Hunger gehabt habe und die Eltern in den Ferien gewesen seien. Da sich seine Mutter bei Verwandten aufhielt und er kein Geld mehr hatte, kam vor Jahren ein anderer Mann auf die Idee, seine Hausbank zu überfallen. Ein 21-Jähriger wollte seiner Freundin mit dem Geld aus dem Überfall einen Hund kaufen, damit sie zu ihm zurückkomme.
Den Überfällen vorausgegangen sind oft abgebrochene Lehren oder verlorene Arbeitsstellen. Ein Überfall scheint vermeintlich einfach: Pistolenattrappe und Sturmhaube, manchmal braucht es nicht mal das. Sogar ein 15-Jähriger überfiel Anfang Juli 2022 in Arbon einen Tankstellenshop, verließ ihn aber ohne Beute wieder.
Überfallopfer: „Ich stand tagelang unter Schock“
Der Gedankenlosigkeit der Räuber steht das Trauma der Opfer gegenüber. Eine Verkäuferin leidet drei Jahre nach dem Überfall noch immer unter Panikattacken. Eindrücklich schildert sie, wie es ihr nach dem Überfall erging: „Ich stand tagelang unter Schock und traute mich eine Weile gar nicht mehr aus dem Haus.“
Ein Raubüberfall ist kein Kavaliersdelikt und wird entsprechend streng vor Gericht bestraft. Gerade Täter, die mehrere Überfälle auf dem Kerbholz haben, kommen kaum mit einer geringen Strafe davon. Dazu kommen Gerichts- und Verfahrenskosten.
Große Beute machen die Räuber übrigens in der Regel nicht: Bei den Gerichtsverhandlungen wurden maximal ein paar tausend Franken genannt. Manchmal beschränkt sich das Diebesgut auch nur auf Zigaretten.
Ida Sandl ist Reporterin bei der Partnerzeitung Thurgauer Zeitung.