Es könnten mehr sein. Findet zumindest Christian Ulmer, Inhaber mehrerer Mode-Geschäfte in Konstanz. Die Rede ist von den Schweizern, einer vom Konstanzer Einzelhandel stets umworbenen Klientel. „Es kommen wieder ein paar Schweizer mehr“, sagt er auf Nachfrage des SÜDKURIER, „aber das ist nichts im Vergleich zu 2015, als der Schweizer Franken schon mal so gut im Verhältnis zum Euro stand.“

Tatsächlich bekommt ein Schweizer Kunde für einen Franken im Moment 1,03 Euro – eine gute Basis, um in Konstanz zu bummeln und zu kaufen. „Die Verhältnisse wie 2015 haben wir im Moment nicht. Es sind höchstens 30 Prozent Schweizer, niemals 50. Mich wundert es ein wenig, dass nicht mehr kommen“, sagt Ulmer.
Er selbst könne nicht klagen, was die Frequenz angehe, verweist dabei aber auf die Vorteile des Textilhandels. Seine Geschäfte böten Bedarfsartikel. „Wir hatten einen langen heißen Sommer, jetzt wurde es auf einmal kalt. Die Leute brauchen ihre Winterjacke und den Pullover.“ September und Oktober seien ohnehin die frequenzstärkste Zeiten im Textilhandel.
„Von einer Situation wie 2015 sind wir weit entfernt“
Diese Einschätzung bestätigt Sebastian Raetz, Geschäftsführer der Konstanzer Filiale der Parfümerie Gradmann. Die Kundenfrequenz habe im Vergleich zu 2015 merklich abgenommen. „Zum letzten Jahr aber hat sich die Frequenz erfreulicherweise wieder leicht verbessert“, schreibt er in einer Mail.
Ob es sich dabei um Schweizer oder deutsche Kunden handele, sei für ihn nicht relevant. Trotzdem ist für ihn klar: „Von einer Situation wie 2015 sind wir weit entfernt und ich gehe nicht davon aus, dass diese wieder eintritt.“

Sind die goldenen Zeiten für Konstanzer Händler also fern wie selten? Und wie kommen sie mit Problemen bei den Lieferketten und der Zurückhaltung ihrer Kunden aus der Schweiz wie aus dem Inland klar?
Daniel Hölzle, Vorsitzender der Händlervereinigung Treffpunkt Konstanz, macht ähnliche Beobachtungen wie Ulmer, tut sich aber schwer, einen klaren Grund dafür zu benennen. „Viele Einschränkungen in der Pandemie-Zeit haben abschreckend gewirkt, das hat sich massiv ausgewirkt“, nennt Hölzle einen Grund.
Schrittweise nehme die Frequenz auch der Schweizer Besucher nun wieder zu. Auch in der Schweiz achteten Händler nun aber auf angepasste Preise. Hölzles Fazit: „Die Stadt könnte schon etwas mehr Gäste vertragen.“
Wahrnehmbare Verbesserung im Vergleich zu 2021
Die Einschätzungen der Händler mit kleineren Geschäften in der Innenstadt fallen unterschiedlich aus. Sylvia Grossmann, Inhaberin der „Casa Latina“, eines kleinen Geschäfts mit Bekleidung und Waren aus Südamerika, will sich nicht beklagen. Seit Juli 2021 sei sie an diesem Standort, zuvor war sie in der Salmannsweilergasse.
„Im Vergleich zu 2021 hat sich nicht viel verändert“, sagt Grossmann. Sie habe etliche Kundinnen aus der Schweiz, bestimmt etwa 30 Prozent. Von Kaufzurückhaltung keine Spur – das gelte aber für alle Kunden in diesem Sommer. „Die Leute hatten sichtbar Lust, herzukommen und auch Geld auszugeben.“

Lino Gittinger, seit April Geschäftsführer bei Cha Cha Man, sieht auch keinen akuten Mangel an Kunden aus dem Nachbarland. „Klar, wir haben Schweizer Kunden, an manchen Tagen mehr als deutsche“, sagt er. Es sei allerdings von Woche zu Woche unterschiedlich, ein klares Muster könne er nicht erkennen. Und: Noch mehr Kunden seien in jedem Fall willkommen.
Mancher Händler spricht von „gewaltiger Krisenstimmung“
Ein deutlich düstereres Bild zeichnet Carola Paul, Inhaberin der Boutique „Wertvolles“ in der Münzgasse. Die Kundschaft aus der Schweiz sei so „gut wie weggebrochen“, sagt sie. Die Abnahme der Kunden aus der Schweiz beobachte sie seit Beginn der Pandemie.

„Wenn sie vorher 30 bis 40 Prozent der Kundschaft ausmachten, dann sind es inzwischen höchstens zehn bis 15 Prozent“, vermutet Paul. Und viele, die kämen, sähen sich nur um, ohne etwas zu kaufen. Den Grund ihres Wegbleibens kennt auch Carola Paul, die Waren aus Leder, Teppiche und Deko-Artikel verkauft, nicht.
Nachgefragt hat sie aber bei ihren Stammkundinnen. Meist sagten diese, dass sie sich solidarisch mit ihrem Heimatland verhalten wollten und den Handel dort unterstützten. „Das Argument höre ich meistens.“
Glücklich macht die Inhaberin des kleinen Geschäfts dieser Umstand nicht. Denn auch sonst herrsche „gewaltig Krisenstimmung“. Sie habe im Moment bis zu 50 Prozent Umsatzverlust, weil die Kunden verunsichert seien, glaubt Paul. Wie es weitergehe, wisse sie nicht und sie fürchtet, dass noch mehr Geschäfte in Konstanz schließen müssen.