Die langjährige Freundschaft zweier Männer im Bezirk Zurzach endet im Mai vor vier Jahren mit einem Verbrechen. An einem frühen Freitagnachmittag betritt der damals 52-jährige Marc (alle Namen geändert) das Haus von Nico durch die unverschlossene Tür. Marc hat nicht nur eine Pistole der Marke Erma, Kaliber 22, dabei, sondern auch eine Bombenattrappe und einen Bunsenbrenner.

Schlimme Drohungen des Beschuldigten

Er droht Nico, das Haus anzuzünden, mit einer Zange einen Finger abzuzwacken und ihm in die Augen zu schießen. Die Waffe hält er ihm einen Moment an den Kopf. Marc will ihm auch Pfefferspray ins Gesicht sprühen – doch die Dose ist fast leer.

Diese hohen Geldsummen fordert er

Marc nötigt Nico ein Geständnis ab. Dass dieser schuld daran sei, dass sein Arbeitgeber, eine Firma in der Computer- und Grafikbranche, Marc seit Monaten keine Aufträge mehr gegeben habe. 50.000 Franken fordert Marc, später noch 20.000 Franken. Doch zahlen kann Nico nicht. Marc hält ihn fest, lässt ihn später seinen Chef anrufen. Der soll sofort 20.000 Franken an Marc überweisen. Der nimmt das Telefon kurz an sich und sagt: „Ist Ihnen denn das Leben von Nico nicht 20.000 Franken wert?“

Dabei waren sie mal Freunde

Marc und Nico kennen sich seit Jahren. Sie wohnten einst im selben Dorf, pflegten eine freundschaftliche Beziehung und trafen sich öfter. Eine Zeit lang arbeitete Marc in derselben Firma wie Nico. Dieser hatte den Freund seinem Chef für eine Stelle im EDV-Support vorgeschlagen.

Sie sieht wie eine echte Bombe aus

Marcs Waffe war zwar nicht geladen. Das habe er aber nicht gewusst, sagte Nico vor dem Obergericht aus. Er sei aber ernsthaft und gerade wegen der jahrelangen Bekanntschaft davon ausgegangen, dass Marc seine Drohung wahr machen werde, wenn er das Geld nicht erhalte. Er habe ihn als unberechenbar eingeschätzt. Er sei auch von einer echten Bombe ausgegangen. Denn Marc habe ihm einmal erzählt, dass er eine solche bauen könne. Der wiederum hatte in einer Einvernahme zugestanden, dass die Attrappe ziemlich bedrohlich ausgesehen habe.

So kommt es zur Festnahme

Schließlich geriet auch Nicos Tochter, als sie von der Schule nach Hause kam, in die Fänge des Geiselnehmers. Auch sie schätzte Marc als unberechenbar ein und zweifelte nicht daran, dass dieser ihren Vater jederzeit erschießen könnte. Ihr Vater sei extrem verängstigt und nervös gewesen. Noch nie habe sie ihn in einer solchen Paniksituation erlebt. Nicos Chef sagte zwar die Überweisung der 20.000 Franken zu, alarmierte jedoch die Polizei. Marc verließ danach plötzlich Nicos Haus und wurde am selben Tag verhaftet. Er saß drei Monate lang in Untersuchungshaft.

Erpressung könnte 20 Jahre geben

Laut Obergericht dauerten die massiven Drohungen mindestens eine halbe Stunde. Ein Gutachter attestierte Marc acht Monate nach der Tat eine leicht- bis mittelgradige Verminderung der Schuldfähigkeit. Angesichts dessen ging das Obergericht von einem leichten bis mittelschweren Verschulden aus. Es sprach Marc, der nicht vorbestraft war, schuldig wegen mehrfacher räuberischer Erpressung, qualifizierter Geiselnahme, Nötigung und Drohung sowie einer Widerhandlung gegen das Waffengesetz und Hausfriedensbruch. Das Urteil lautete auf drei Jahre und neun Monate. Für eine räuberische Erpressung sieht das Gesetz eine Maximalstrafe von 20 Jahren vor.

Behandlung der Persönlichkeitsstörung

Das Obergericht bestätigte auch die vollzugsbegleitende, ambulante therapeutische Maßnahme zur Behandlung der Persönlichkeitsstörung und dass eine kontrollierte Abstinenz von Suchtstoffen einzufordern sei. Das Bezirksgericht Zurzach hatte dasselbe Urteil gefällt, ehe Marc mit einer Beschwerde vor dem Obergericht forderte, die Freiheitsstrafe zugunsten der Maßnahme aufzuschieben und diese auf drei Jahre zu befristen.

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Vater und Tochter bekommen Genugtuung

Das Obergericht bestätigte weiter die Verbote für Marc, während fünf Jahren mit Nico und dessen Tochter in Kontakt zu treten. Den beiden Opfern sprach es eine Genugtuung von 7000 und 2500 Franken zu. Marc hat rund 100.000 Franken für diverse Kosten und Entschädigungen zu zahlen.

Gutachter schließt weiter Straftaten nicht aus

Ein Gutachter attestierte ihm eine stark ausgeprägte psychische Störung und eine langjährige Kokainabhängigkeit. Erneute Straftaten seien vorstellbar, wenn er den regelmäßigen Kokainkonsum fortsetze und sich seine prekäre psychosoziale Situation nicht verbessere. Es bestehe ein mittleres Risiko für gewalttätiges Verhalten.

Kokainkonsum führt zum Hirnschlag

Letztes Jahr erlitt Marc einen Hirnschlag, als er Kokain konsumiert hatte. Seither habe er dies unterlassen, sagte er vor Gericht. Seit dem Verlust seiner Wohnung sei er unglücklich und sehe keine Zukunftsperspektiven. Er habe auch keine Freunde. Er sei verloren, wegen des Hirnschlags und eines Asperger-Syndroms, das er bei sich selbst diagnostiziert habe.

Der Autor ist Redakteur der „Aargauer Zeitung“. Dort ist dieser Beitrag auch zuerst erschienen.

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