Deborah Bläuer

Beim Fußgängerstreifen knallte es: Im Januar 2020 verließ der Beschuldigte mit seinem Auto einen Kreisel in Windisch und kollidierte dabei mit einem Mann, der auf einem Kickboard die Straße überquerte. Dieser wurde rund elf Meter weit weggeschleudert und erlitt Verletzungen im Gesicht sowie Prellungen.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach warf dem 35-jährigen Autofahrer fahrlässige Körperverletzung vor. In der Anklageschrift hieß es, der Geschädigte wäre für den Beschuldigten bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit im Bereich von Fußgängerstreifen frühzeitig erkennbar gewesen.

Ein Zeuge schildert den Unfallhergang

Der Zeuge, der zu Fuß unterwegs war, als der Unfall passierte, schilderte die Geschwindigkeit des Kickboarders vor dem Bezirksgericht Brugg mehrmals als sehr schnell. Auf Nachfrage von Gerichtspräsident Sandro Rossi präzisierte er: „Wie ein schnelles Laufen.“ So wie es auch schon eine Zeugin beschrieben hatte.

Der Kickboarder habe den Fußgängerstreifen diagonal überquert. Dann sei ein Auto gekommen, und es habe geknallt. Der Fahrer sei ausgestiegen und habe in gebrochenem Deutsch gesagt, dass ihn die Sonne geblendet habe. Daran will sich der Angeklagte vor Gericht allerdings nicht mehr erinnern. Er habe „Ambulanz!“ geschrien, ließ er durch den Übersetzer ausrichten. Allerdings, räumte er ein, sei es möglich, dass er zusätzlich noch mit sich selbst gesprochen habe.

Und so sieht es der Beschuldigte

Der Beschuldigte schilderte den Unfall wie folgt: Er sei mit dem Auto schon über dem Fußgängerstreifen gewesen, habe gehört, wie jemand schreit, und dann habe er den Kickboarder erwischt. Er wies darauf hin, dass der Verunfallte nach Alkohol gerochen habe. Als der Sanitäter diesen fragte, ob er etwas getrunken habe, habe er „es bitzeli“ geantwortet, und die ebenfalls anwesende Sanitäterin habe nur den Kopf geschüttelt.

Darauf stützt sich der Rechtsanwalt

Auch der Anwalt des Angeklagten hob hervor, dass der Geschädigte nachweislich unter Alkoholeinfluss stand und auch sonst noch einiges intus hatte. Darunter ein ritalin-ähnliches Medikament, ein Neuroleptikum und ein Opiat. Zudem sei das Abbauprodukt von Kokain festgestellt worden. „Auf jeden Fall muss es ein richtiger Medikamentencocktail gewesen sein.“ Sein Mandant habe den Kickboarder nicht gesehen, weil dieser in einem ungünstigen Winkel über den Fußgängerstreifen gefahren sei, erklärte der Anwalt.

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Außerdem habe der Geschädigte widersprüchliche Aussagen gemacht. So gab er einerseits an, der Beschuldigte habe nach unten geschaut, und andererseits, er und der Autofahrer hätten einander angesehen und dieser hätte daraufhin seine Geschwindigkeit erhöht. „Wenn der Geschädigte das wirklich so gesehen hätte, hätte er ja bremsen können.“

Das hat eine weitere Zeugin beobachtet

Der Kickboarder sei ungefähr einen halben Meter vor dem Fußgängerstreifen durchgefahren, erklärte die Zeugin. Vor eben diesem stand sie mit dem Auto, als es auf der Gegenfahrbahn zum Unfall kam. Den Verunfallten habe sie anschließend in einiger Distanz zum Auto in kauernder Stellung gesehen. Sie habe nicht erwartet, dass er so weit weggeschleudert worden sei. „Ich bin froh, dass der noch lebt.“

So urteilt das Bezirksgericht

Das Bezirksgericht Brugg sprach den Angeklagten schuldig. Es verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 80 Franken und legte ihm eine Verbindungsbuße von 600 Franken, die Anklage-, Gerichts- und Untersuchungsgebühren sowie die Anwaltskosten des Geschädigten von 5588 Franken auf. Zudem legte es fest, dass der Angeklagte gegenüber dem Geschädigten schadenersatz- und genugtuungspflichtig sei, wieviel, wird in einem zivilgerichtlichen Prozess bestimmt.

Wie der Richter das Urteil begründet

Zurzeit sind die gesundheitlichen Folgen der Kollision für den Geschädigten noch nicht abschätzbar. Sowohl bei der Variante, dass der Kickboarder etwas vor dem Fußgängerstreifen über die Straße fuhr, als auch bei derjenigen, dass er den Streifen diagonal überquerte, hätte er aus Optik des Angeklagten, der aus dem Kreisel kam, sichtbar sein müssen, begründete Gerichtspräsident Sandro Rossi das Urteil.

Er sagte: „Nur weil der Geschädigte etwas falsch gemacht haben könnte, heißt das nicht, dass der Angeklagte aus dem Schneider ist.“ Wenn der Kickboarder wie ein Irrer über den Fußgängerstreifen gefahren wäre und der Autofahrer nicht den Hauch einer Chance gehabt hätte, sähe die Sache anders aus. Aber Zeuge und Zeugin hätten die Geschwindigkeit des Kickboarders wie ein schnelles Laufen beschrieben. „So wie es tagtäglich von Fußgängern angewendet wird „, sagte Rossi.

Die Autorin ist Redakteurin der „Aargauer Zeitung“. Dort ist dieser Beitrag auch zuerst erschienen.

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