8. Dezember 2018, 14 Uhr: Ein Lieferwagen fährt in Bad Zurzach auf der Baslerstrasse aus dem Zentrum in Richtung Leibstadt. Auf Höhe der Einkaufsläden gerät er auf das Trottoir am Paradiesweg, kollidiert daraufhin mit zwei Fussgängerinnen, fährt mit unveränderter Geschwindigkeit weiter und prallt schliesslich in einen Baum. Eine 39-jährige Frau stirbt noch an der Unfallstelle. Ihre 69-jährige Mutter, die aus Griechenland angereist ist, überlebt schwer verletzt.

Das Bezirksgericht spricht den Autofahrer frei

Vor dem Bezirksgericht Zurzach wurde der heute 75-jährige Fahrer im März 2021 freigesprochen. Die Eltern der tödlich verunglückten Frau haben den Fall aber weitergezogen, weshalb sich nun das Bundesgericht mit dem tragischen Unfall hat beschäftigen müssen.

Das waren die Anklagepunkte

Doch von vorne: Verantworten musste sich der Rentner wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand, wegen fahrlässiger Tötung, wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung und wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeugs. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor dem Bezirksgericht vor, aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht fahrfähig gewesen zu sein.

Diese Strafe forderte die Staatsanwaltschaft

In seinem Blut wurden laut Anklage nach dem Unfall geringe Spuren eines Schlafmittels und eines Mittels gegen Grippe gefunden. Die Staatsanwaltschaft forderte für den Rentner eine bedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten. Durch die Einnahme zusätzlicher Medikamente und deren möglichen Wechselwirkungen habe er in Kauf genommen, dass es nach seinem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt zu einem Verkehrsunfall mit Schwerverletzten oder Toten kommen konnte. Wegen eines erlittenen Herzinfarktes muss der Mann täglich Tabletten einnehmen.

Das war die Begründung des Bezirksgerichts

Der Rentner hingegen beteuerte vor dem Bezirksgericht, sich am Tag des Unfalls gut gefühlt und keine zusätzlichen Medikamente eingenommen zu haben. Der Richter begründete schließlich den Freispruch wegen der geringen Rückstände von Medikamenten im Blut, mit welchen sich weder ein Blackout noch eine Wechselwirkung mit anderen Medikamenten hätten erklären lassen.

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Die Eltern gehen dann vor das Obergericht

Die Eltern der Getöteten akzeptierten das Urteil jedoch nicht und legten Berufung ein. Im Januar 2022 kam es deshalb zur Verhandlung vor dem Obergericht. Der Rentner, der unterdessen seinen Führerausweis freiwillig abgegeben hatte, beteuerte erneut, fahrtauglich gewesen zu sein. Er erinnere sich noch daran, abgebogen zu haben, und sei erst wieder zu sich gekommen, als er in den Baum gefahren sei. Es tue ihm sehr leid, er wisse gut, wie es sei, ein Kind zu verlieren. Als sein Sohn 16 Jahre alt war, wurde er auf dem Nachhauseweg auf dem Mofa von einem Auto erfasst und starb an der Unfallstelle.

Und weiter vor das Bundesgericht

Das Obergericht bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Ein Sekundenschlaf sei unwahrscheinlich und die Dosis der im Blut nachgewiesenen Medikamente aus medizinischer Sicht zu gering für eine Beeinträchtigung oder eine Wechselwirkung. Da die Angehörigen auch mit diesem Urteil nicht einverstanden waren, legten sie erneut Berufung ein – diesmal vor dem Bundesgericht.

Jetzt müssen sie auch noch die Gerichtskosten zahlen

Dieses ist nun nicht auf die Beschwerde eingetreten, wie aus dem jüngst publizierten Urteil hervorgeht. Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielten, seien nicht zulässig, stellen die Lausanner Richter fest. Das Strafverfahren sei im Zivilpunkt bereits erledigt. Daher könne sich der angefochtene Entscheid des Obergerichts auf die Beurteilung der im Strafverfahren geltend gemachten Zivilforderungen nicht mehr auswirken.

Die Beschwerdeführer seien folglich in der Sache nicht zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert. Sie müssen nun auch noch Gerichtskosten von 1200 Franken bezahlen.

Die Autoren sind Redakteure der „Aargauer Zeitung“. Dort ist dieser Beitrag auch zuerst erschienen.